Durchs Unterholz zu unbekannten Wasserfällen und namenlosen Bächen, Kapitel 1: Drei Anläufe.


Publiziert von Schubi , 8. November 2019 um 22:38.

Region: Welt » Deutschland » Südwestliche Mittelgebirge » Schwarzwald
Tour Datum:27 September 2019
Wandern Schwierigkeit: T3+ - anspruchsvolles Bergwandern
Wegpunkte:
Aufstieg: 263 m
Abstieg: 263 m
Strecke:6,3 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Schwarzwaldhochstraße, Parkplatz Zollstockloipe
Zufahrt zum Ankunftspunkt:s.o.

Ich habe beruflich mit Bildern zu tun und befasse mich privat auch gern damit. Umso neugieriger bin ich aber gerade deswegen auf Orte, die eher unbekannt sind und von denen es vielleicht, wer weiß, noch keinerlei Bilder gibt.

Beim Lesen von topographischen Landkarten finde ich den Detailreichtum darauf immer ziemlich faszinierend. Das brachte mich auf die Idee, im Schwarzwald mal Orte zu entdecken, die eben nicht in jedem Wanderführer erwähnt sind und bei denen man nicht weiß, was einen dort erwartet. Auch wenn man dafür reichlich durchs Unterholz stapfen muss (und dabei irgendwann mal jenseits von Gut und Böse   ankommt )

Auf den Karten halte ich Ausschau nach den Symbolen z. B. für Wasserfälle, Felsgruppen, Blockhalden, Dolinen u. ä. oder mittels der Höhenlinien nach Karen, engen Schluchten und steilen Passagen. So fand ich auf der Topo-Karte ein Wasserfall-Symbol im Oberlauf des Ilgenbachs. Der entspringt am Osthang des Kniebis-Massivs. Google kennt einen Wasserfall am Ilgenbach nicht, und auch in der mir zur Verfügung stehenden Wander-Literatur ist er nirgends zu finden. Also: nix wie hin und mal nachgeschaut! Inzwischen habe ich eine kleine To-Do-List für weitere Entdeckungs-Expeditionen   die ich hier nach und nach vorstellen will. Mit der Wanderung zum Wasserfall des Ilgenbachs möchte ich beginnen.

Damit es einigermassen abwechslungsreich wird, habe ich mir eine Rundwanderung angelegt, ausgehend von Wanderparkplatz Zollstock (im Winter beginnen hier übrigens zwei nette Langlauf-Loipen). Den Wasserfall selbst erreicht man nur weglos.

Ich fasse an dieser Stelle mal etwas vor: da mein ursprünglicher Plan, den Wasserfall in Fließrichtung des Ilgenbachs von "oben", also aus westlicher Richtung zu erreichen, wegen der Steilheit des Terrains absolut nicht zu machen war, habe ich die Route vor Ort bissel umgebaut und dafür dann weiter hinten durchs Unterholz bisschen abgekürzt: Als Leitlinie dafür nahm ich mir ein kleines namenloses Bächle vor, das in seinem Lauf einen Wirtschaftsweg östlich kreuzen würde, auf dem ich eh zurückgekommen wäre. Von diesem Forstweg aus bin ich dann von unten entlang des Ilgenbachs-Bachbetts hochgestiegen, reichlich durch Farn und über Fels gekraxelt und ... tadaaa ... habe nicht schlecht gestaunt: der Ilgenbach fliesst nicht weit von seiner Quelle durch eine felsige Schlucht und rauscht dabei über drei dicke Fallstufen aus Buntsandstein. Sein Wasserfall war ein echter Fund und mir deswegen sogar mehrfachen Besuch wert: Ende August führte er nämlich kaum Wasser, Ende September und Anfang Oktober dann aber umso ordentlicher.

So war ich also mit jeweils ein paar Tagen Abstand mehrfach oben: am Wasserfall dreimal, am namenlosen Bächle zweimal. In der Bildergalerie unten ist das Ganze einfach mal chronologisch angeordnet. Es waren Termine Ende August, Ende September (ohne das namenlose Bächle) und Anfang Oktober (da nach   reichlichst   Niederschlägen, aber mit anderem Hinweg, weil morgens noch vor der Arbeit).

Die Route ist eine Rundwanderung: Hinweg, wegloser Unterholz-Besuch des namenlosen Bachs (als nördlicher Wendepunkt der Wanderung) und dann nach wenigen hundert Metern auf Wirtschaftsweg nochmal das weglose Hochkraxeln zum Wasserfall. Wem das  Unterholz zu blöd sein sollte, lässt diese erste weglose Passage aus, indem er den (markierten) Wanderpfad einfach weitergeht und bei der nächsten Wegkreuzung rechts südlich talaufwärts zurück geht. Somit kommt man auch am Ilgenbach vorbei und steigt da, wo er auf den Weg trifft, rechts weglos und etwas kraxelig hoch zu seinem Wasserfall. Wem nun auch das zu anstrengend sein sollte, kann dies ebenfalls in einem weiteren Bogen umgehen: ein aufgelassener, aber noch gut gehbarer Wirtschaftsweg führt von Südosten in die Nähe des Wasserfalls. Dieser Weg ist auch vom Forstweg etwas unterhalb schnell zu ereichen und endet ca. 50 m vom Wasserfall entfernt. Dieses weglose Teilstück müsste man dann also auf jeden Fall machen.

Für die Anfahrt/Rückfahrt oder zum Betrachten der Bilder hier empfehle ich das energische Wade in The Water von Ramsey Lewis und Marlena Shaw.

Hier die eigentliche Routenbeschreibung: ich latsche also am Zollstock-Wanderparkplatz los auf Forstwegen kurz Richtung Osten und schon nach 30 Metern links rein nach Norden. Da geht es nun entlang einer schönen offenen Grinden-Fläche mit Heide und wettergegerbten Bäumen, die Karte zeigt dies sogar als Moor an. Schon nach Kurzem tauche ich aber in den Wald ein.

Eien erste Wegkreuzung übergehe ich geradeaus. Ich durchschreite eine Fichten-Monokultur, die schlimmstens vom diesjährig heftig wütenden Borkenkäfer geschädigt ist. Bestimmt siebzig Prozent der Bäume sind befallen :-/ Den nächsten querenden Forstweg nach rechts und nach nur 50 m dann links rein. Hier nun wird es endlich schön pfadig und der Wald wilder. Im August war der Pfad recht zugewuchert, aber noch erkennbar (ist auch markiert). Nach weiteren ca. 100 m darauf achten, dass man die Verzweigung rechts runter nimmt. Der Pfad ist wirklich abwechslungsreich und schön geführt. Aber schon bald (ca. 200 m) treffe ich nochmals auf einen Wirschaftsweg, den ich nur kurz nach rechts gehe und an der nahen nächsten Wegkreuzung wiederum links. Nur weitere 200 Meter, dann biege ich rechts (Wegweiser) auf wiederum einen markierten Pfad ab, der am Hang entlang runter Richtung Baiersbronn-Mitteltal führt.

Mein ursprünglicher Plan sah vor, hier nach ca 20 Metern Pfad durch den Hang rechts weglos runter zum Wasserfall zu kommen. Ich höre sogar bereits ein leichtes Rauschen aus der Tiefe. Irgendwo da unten muss er sein. Aaaaber: das Terrain ist stark abfallend, die Vegetation extrem dicht, umgeworfenen Bäume liegen kreuz und quer, und durchzogen ist das ganze von Sandstein-Brocken. Nach ca 70 m gebe ich auf, stapfe aus dem Dickicht wieder hoch und heraus.

Planänderung: siehe oben. Also den Pfad paar hundert Meter weiter nach Norden, bis er auf einen kleinen (den besagten namenlosen) Bachlauf stösst. Der entspringt am hiesigen Schnitzberg und ihm will ich ich rechts runter weglos (bs zum nächsten Waldweg) folgen will. Auch wieder schön durchs Unterholz. Das lag diesmal in nicht ganz so steilem Gelände, aber ohne die Orientierung durch den schmalen Bach wäre man hier wohl auch schnell verloren.Ich wurschtelte mich also durch Farne, Fichten, Buchen, Ahorne und Werweißwas entlang des Bächles, das sich seinen Weg bergab zwischen sehr dichter Vegetation unter umgestürzten Bäumen hindurch und über Felsblöcke bahnt.

Am Anfang war ich etwas genervt und habe mir eine Machete   gewünscht. Mit der Zeit wurde ich aber wurschtiger beim Durchwurschteln, schob beherzt Farn und Äste beiseite, rollte mich, immer mit einer Schulter voran, durch dicht beinander stehende kleine Bäume, und freute mich irgendwann, kein Scherz, einfach an diesem Dschungel. Man hat eigentlich nie mehr als drei, fünf Meter Sicht und muss sich Gedanken machen, wie es wo weitergeht. Die ganze  Wahrnehmung ist nochmal viel geschärfter. Wenn sich dabei eine Idee als Sackgasse herausstellt: wurschtig bleiben, umdrehen, weiterwurschteln.

Mal verschwindet der kleine Wasserlauf fast unter dem dichten Waldgras, mal purzelt er über Felsbrocken, mal schneidet er sich ein tieferes Bett in den Waldboden. Interessant fand ich, wie er (mehrmals) die Wurzelteller umgestürzter Bäumen unterfliesst und durch diese Ausspülungen kleine Natur-Höhlen gebildet hat. Irgendwann öffnete sich die Vegetation schliesslich etwas und gab den Blick auf eine Lichtung frei. Ich stapfte durch die letzten Farn-Mauern, traf auf den erhofften Forstweg und sah, dass der namenlose Bach kurz vor dem Weg mit einer kleinen Holzwand aufgestaut war und da mittels eines armdicken Rohrs Wasser entnommen wird. Auch mal interessant. Links ein paar Meter weiter traf ich auf weitere Zivilisation: ein  offene Schutzhütte mit zugewuchertem Veschperbänkle und eine Art "mobiles Wildtierbeobachtungs-Häusle" für das Personal vom Forstamt. Hinten am Hang eine Tür, offenbar zu einem Felsenkeller.

Jetzt rechts leicht ansteigend den Forstweg südwestlich ca. 400 m entlang. Die Spannung stieg, schliesslich hoffte ich ja, nun von unten an den Wasserfall heranzukommen. Ein bisschen getrübt wurde die Vorfreude jedoch als ich sah, dass offenbar auch am Ilgenbach Wasser entnommen wurde: An der Stelle, an der ich den Waldweg verlasse um dem Bachlauf rechts rein ins Dickicht zu folgen, entdecke ich ebenfalls eine armdicke schwarze Rohrleitung. Aber was soll's, ich lebe schliesslich im 21. Jahrhundert und nicht am Ende der letzten Eiszeit (in der dieses Waldtal wohl seine heutige Form bekam). Geforstet und genutzt wird heutzutage halt (fast) alles überall. Also nun wieder weglos durch Farn, Gehölz und über Felsblöcke. Zum Bachgeplätscher gesellt sich nun ein entferntes Rauschen. Aber noch sehe ich nur die steilen Hänge einer Schlucht mit wuchernder Vegetation, die nun wieder etwas offener wird. Die Spannung wächst. Noch einige Meter Kraxelei über moosbewachsene Blöcke und ... da ist er: Der Wasserfall des Ilgenbachs. Sogar größer als erhofft :-) Drei Fallstufen, dazwischen jahrtausende alte Auswaschungen im Buntsanstein, die regelrechte "Sprungschanzen" für den Bach bilden, wie ich nachher weiter oben herausfinde. Eine von den Eiszeiten geformte Preziose.

Leider führt der Wasserfall am Tag "meiner Entdeckung" nur spärlich Wasser. Kein Wunder, nach diesem trockenen Sommer. Aber auch wenn man das berücksichtigt: ich fragte mich schon, wie ein so kleiner Bach nur ca. 1000 Meter von seiner Quelle entfernt solch eine tiefschürfende Formung einer massiven Buntsanstein-Kante hinbekommt, und das Ganze auch noch auf ordentlicher Breite. Die Lösung für diese Frage durfte ich dann später im Oktober erleben, siehe Fotogalerie. Nach starken Regenfällen war aus dem Rinnsal-Bächle ein tosendes, reißendes Flüßle geworden.

Nochmal eine kleine Herausforderung mit viel Wurschtel-Spaß hat der Aufstieg im Hang links vom Wasserfall gemacht. Hier müssen auch mal die Hände ran, nur so kann man noch zu den oberen Fallstufen gelangen und recht nah die besagten Auswaschungen bewundern, die das Wasser im Buntsandstein so geformt hat. Interessant fand ich hier auch die unterschiedlichen Farbigkeiten im Fels.

Für den Rückweg nahm ich nun den erwähnten aufgelassenen Forstweg (links vom Wasserfall, ca. 50 m), habe mich also nicht wieder komplett bis nach unten durchgekämpft. Dieser Weg führt südöstlich und trifft nach 300 m auf wiederum den Forstweg, von dem aus ich unten hochgestiegen bin. Da rechts, dem Wegverlauf ca. 800 m folgen und um die scharfen Rechtskurve ganz herum, bergan. Hier findet sich auch eine gemütliche Schutzhütte, die Rappenberg-Hütte. Nun nochmals ca. 800 m weiter bergauf geraude aus. Dort trifft man auf einen Weg, auf den man links einbiegt und nach nur ca. 100 m an der nächsten Wegkreuzung geht es schon wieder rechts ab. Schliesslich noch ungefähr 1,5 km geradeaus, und schon steht man wieder am Wanderparkplatz.

Fazit: Der Wasserfall des Ilgenbachs war ein superschöne Entdeckung.   Das Forschen und weglose Wurschteln hat sich definitiv gelohnt und die Mischung aus Forstwegen, Pfaden sowie weglosen Abschnitten machte Spaß. Das motiviert für weitere topographische Entdeckungenstouren im Schwarzwald. Wer's nachgehen will: unbedingt eine Sportbrille tragen, die die Augen vor Geäst schützt, und lange Hosen/Ärmel sowieso, auch Stecken sind hilfreich.

Eine Tour aus der Rubrik Unterholz-Preziosen


Tourengänger: Schubi


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