Überschreitung Wiedemerkopf bis zur Kreuzspitze + Hochvogel und Balken


Publiziert von Eumaex , 27. September 2020 um 21:17.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:24 September 2020
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 2200 m
Abstieg: 2200 m
Strecke:41 km (davon 28km Zufahrt mit dem MTB)
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Parkplatz Säge kurz vor Hinterstein, dann mit dem MTB 14km ins hintere Ostrachtal bis zur Abzweigung zum Prinz-Luitpold-Haus

Der Wetterbericht kündigt für das Wochenende einen Wetterumschwung an. Der erste Herbstschnee wird fallen, also lohnt es sich nochmal am Tag zuvor in die Berge zu gehen. Leider ist das Wetter auch für den Zieltag durchwachsen und mit Schauerneigung angekündigt, also muss die Tour flexibel ausgesucht werden. Der Wiedemerkopf steht schon lange auf meiner Liste, vielleicht geht es sich ja aus, auch noch den Hochvogel zu besteigen wenn man schonmal "da oben" ist, den wollte ich ursprünglich ja später im Herbst mal wieder machen wenn die Hütten geschlossen sind. Ich habe mich auch mit der Überschreitung des Grates vom Wiedemerkopf zur Kreuzspitze auseinandergesetzt, rechne aber zunächst aufgrund des Wetters nicht wirklich mit einer realistischen Chance.



Aufgrund der morgendlichen Regenschauer starte ich um 8:30 Uhr am Parkplatz Säge kurz vor Hinterstein. Im Ort selber ist heute zwar nicht viel los, aber die 10 Euro für ein Parkticket spar ich mir lieber. Das MTB dient für die nächsten Kilometer als Fortbewegungsmittel. Bei sportlichen 8 Grad geht es los, viele Berggipfel sind in den Wolken.
Aufgrund des Viehscheids, von dem ich nichts wusste, muss ich bereits nach kurzer Zeit das erste Mal pausieren und die Kühe passieren lassen. Lange dauert das nicht. Aber auch die Baumfällarbeiten im Ostrachtal sind noch voll im Gange. Die Ampel steht auf rot und ich warte weitere 20 Minuten bis genügend Autos und Radfahrer vor Ort sind um passieren zu dürfen. Kurz darauf wird die nächste Kuhherde vorbeigetrieben. Danach ist Slalomfahren angesagt: Die Hinterlassenschaften der Kühe auf  auf dem Weg und ein MTB ohne Schutzblech sind nämlich eine ungünstige Kombination. Ich verliere also insgesamt nochmal ordentlich Zeit und ein guter "Flow" bei Fahrradfahren kommt irgendwie auch nicht auf, stattdessen müh ich mich halt irgendwie ab. Inzwischen ziehen sich die Wolken allerdings zurück und die ersten Gipfel sind zu sehen. Heute bin ich zeitlich und wegtechnisch flexibel, also mal schauen was so kommt. Im Tal selber ist wenig los. Keine E-Biker, nur 2 Leute am Giebelhaus und auch auf dem weiteren Weg sehe ich nur ca. 10 Leute.
Um ca. 10 Uhr erreiche ich die Abzweigung zum Prinz-Luipold-Haus und schließe mein Fahrrad ab. Während vor 4 Wochen hier noch 30-40 Fahrräder abgestellt waren, sind es aktuell nur 2. Die Hochsaison ist halt auch vorbei.


Ostrachtal - Wiedemerkopf (T4, I) ca. 1h15min

Nun gehts zu Fuß weiter, dem Weg folgend Richtung Prinz-Luitpold-Haus. Direkt vor der Hütte geht es rechts weg, der Beschilderung folgend. Nach kurzer Zeit biegt der Weg zum Wiedemerkopf nach links ab. Der Weg führt in Serpentinen, die hin und wieder mit kurzen I-er Stellen gewürzt sind geschickt durch die Schwachstellen des Berges. Hin und wieder erleichtert ein Drahtseil den Aufstieg. Nach kurzer Zeit bin ich am Gipfel. Sowohl Gipfelkreuz als auch Gipfelbuch hier oben sind einzigartig. Der Ausblick ist traumhaft. Die Wolken haben sich sehr weit zurückgezogen und ich mache eine ausgedehnte Pause in der Sonne. Hier oben ist bereits alles trocken. Ich schaue auf den Grat in Richtung Kreuzspitze. Das Wetter hat sich stabilisiert, das richtige Schuhwerk ist am Fuß, also warum nicht mal schauen ob es heute nicht doch möglich ist den Grat zu überschreiten. Ich habe ja Zeit und kann im Zweifelsfall wieder zurück und den Normalweg absteigen.


Wiedemerkopf - Kreuzkopf - Weittalkopf - Kreuzspitze (T6, III+/IV -), ca. 2 Stunden

Also gut. Ich starte am Grat zunächst in einfachem Gehgelände bis es langsam schmaler wird. Im weiteren Verlauf kommen die ersten leichten Kletterstellen. Es wird ausgesetzter, das Gelände wird schwieriger. Der Fels ist brüchig und muss vor jeder Belastung gestestet werden. Wirklich schwer wird es zunächst nicht. Im I.-II. Grad geht es weiter bis nach ca. 10 Minuten der "berüchtigte"  8-Meter-Abbruch kommt. Hier darf zum ersten Mal kräftig zugelangt werden. Die ersten Meter müssen noch in teils unzuverlässigem und ausgesetztem II-er Gelände, die letzten 3-4 Meter im III-er Gelände abgeklettert werden. Auf kleinen Vorsprüngen tastet man sich so in die Scharte vor. Auf der anderen Seite geht es unschwierig über eine nach links ziehende Rampe wieder nach oben.
Danach folgt man dem Grat weiter im typisch unzuverlässigen I-IIer Gelände bis nach einer weiteren Scharte ein ca. 15 Meter hoher Aufschwung wartet. Durch dessen Mitte 2 Risse ziehen. Die 1. Schlüsselstelle der Tour. Hier geht es hoch, alternativ kann man eine Rinne zuvor über schrofig-steiles Gelände verhältnismäßig einfach nach unten zum Weg absteigen (so sieht es zumindest von oben aus). Leider ist es hier noch recht schattig. Die Risse sind teilweise noch nass. Kurzes Begutachten der Gegebenheiten, dann geht es los. Der erste Riss wird im III-ten Grad überwunden. Mit dem letzten Zug (kurz III+) landet man auf einem kleinen Plateau, auf welchem man verschnaufen und den zweiten Riss unter die Lupe nehmen kann. Der ist nochmal ne Runde härter, griffarm und trittarm. Ich stimme dem Bericht von quacamozza das ist mindestens ne IV-. Und zu allem Überfluss noch nass. Verdammt. Ich klemme mich also irgendwie dazwischen und bin auch gleich einen Meter höher. Leider finde ich keinen zuverlässigen Tritt mehr. Mein Fuß rutscht immer wieder ab. Puh, was jetzt, es sind nur noch zwei Züge, dann sollte der Riss überwunden sein, aber der feuchte Fels ist mir zu unzuverlässig, ich traue mich nicht den Fuß voll zu belasten, wenn der abschmiert, schmier ich mit ab... Also vorsichtig zurück, auch kein Vergnügen, geht aber. Ich stehe wieder auf dem Band. Kurze Überlegung. Also schaue ich nach links. Das Band führt nach links ums Eck. Danach führen Schrofen über eine Rampe steil nach oben. Es geht verhältnismäßig einfach nach oben. Kurz unter einem Felsblock quere ich auf, Gott sei Dank trockenen, Platten nach links (heikel, gute verlässliche Sohle zwingend erforderlich) und steige dann rechts durch eine schuttige Rinne nach oben (II+). Auf einmal bin ich wieder auf dem Grat und das Gelände ist merklich einfacher.
Der Weiterweg ist ein Mix aus Gehgelände und leichter Kraxelei. Meist im I.-II. Grad direkt am Grat, nur einmal bin ich nach links zum Abstieg in die Schrofen ausgewichen. Von rechts kommt der unheimlich schöne wilde Grat und vereint sich schließlich auf Höhe des Kreuzkopfes mit "meinem" Grat. Es geht weiter in einfachem Gehgelände.
Kurz nach dem Weittalkopf kommt die 2. Schlüsselstelle. Ein plattiger Turm stellt sich in den Weg. Eine Umgehung ist nicht möglich, wenn man denn am Grat weiter will. Trittarm und griffarm wird er leicht links haltend den besten Tritten folgend erstiegen (III/III+). Dann geht es schräg rechts ansteigend durch einen engen Kamin zurück auf den Grat (nochmals ein bis zwei Züge III+/IV -, dann leichter. Gut Treten!!!). Auf der anderen Seite muss der Turm wieder abgestiegen werden. Direkt am Grat ist das aus meiner Sicht kaum zu schaffen. Der Abstieg wäre in überhängendem Fels. Stattdessen geht es in Laufrichtung rechts vom Grat zunächst noch kletternd (II-III) und dann über insbesondere im unteren Teil schrofige Bänder nach unten  in die Scharte vor der Kreuzspitze (T6). Dann ist das schwierigste geschafft und es geht am Grat wieder hoch (nochmal bis II+) und noch kurz in einfacher Kraxlei zum Gipfelkreuz.
Es ist tatsächlich geschafft, ich stehe auf der Kreuzspitze. Der Blick zurück macht schon was her. Inzwischen liegt der Wiedemerkopf weit zurück. Ein wirklich wahnsinnig schöner Grat verbindet ihn mit der Kreuzspitze. Eine meiner tollsten Touren dieses Sommers, definitiv.  


Kreuzspitze - Hochvogel (T4, I) ca. 20 Min.

Wenn man schonmal auf der Kreuzspitze ist, dann sollte man nicht ohne den Hochvogel mitgenommen zu haben absteigen. Ein paar Meter unter dem Gipfel kreuzt der Normalweg. Auf diesem geht es erst runter in die scharte und auf der anderen Seite wieder hoch. Der Anstieg ist angenehm und geht zügig. Ich bin dann auch tatsächlich alleine auf dem Gipfel. Der Spalt da oben ist inzwischen echt beeindruckend. Irgendwie möchte man nicht hier oben stehen wenn das ganze Ding abbricht...


Hochvogel - Balkenscharte - Ostrachtal - Parkplatz Säge (T4,I), ca. 2 Stunden 15 Minuten
Bonus: Balken (III/A0) ca. 10 Min.


Auf markiertem Weg geht es über den kalten Winkel nach unten. Das ewige Schneefeld ist auf 2*2 Meter zusammengeschrumpft. Über das jetzt freigelegte, unangenehm steile und sandige Gelände geht es bergab, bis der Weg wieder angenehmer wird und dann nach links zur Balkenscharte.
Von hier geht es kurzer, aber zünftiger Kletterei noch auf den Balken. Im unteren Teil II, kurz vor dem Gipfel dann die Schlüsselstelle, ein ausgesetzter III-er. Man findet nur schwer einen geeigneten Griff. Zum Glück hängt hier von oben ein Seil herunter. Nach kurzem Belastungstest folgt einmal beherztes Zugreifen und man steht kurz darauf am Gipfelkreuz. Auf dem selben Weg geht es wieder herunter. War man auf dem Weg nach oben froh über das Seil als Griffersatz, so ist es jetzt absolut unentbehrlich. Vorsichtig, aber letztendlich problemlos wird wieder in die Scharte abgeklettert.

Auch wenn der Balken nicht hoch und es nur eine kurze Kletterei ist, sollten nur Geübte das Ganze in Angriff nehmen. Ein Absturz oder Ausrutscher wäre trotz der geringen Höhe vermutlich fatal. 

Von der Balkenscharte geht es zügig vorbei am Prinz-Luitpold-Haus zurück zum Fahrraddepot ins Ostrachtal. Von dort mit dem MTB nach Hinterstein



Fazit:

Eine wunderschöne Grattour, wild und einsam. Durchgehend eine traumhafte Aussicht über die schönsten Gipfel des Allgäus, den Hochvogel in Kletterrichtung immer vor Augen. Mehr kann man sich von einer Grattour eigentlich nicht wünschen.
Für mich hat die Route 2 Schlüsselstellen im Aufstieg, in erster Linie im oberen III-ten Grad, der problemlos und mit Luft nach oben beherrscht werden sollte, die Tour kratzt nämlich je nach Routenwahl auch am unteren IV-ten Grad. Neben der Beherrschung der Kletterschwierigkeiten im teils brüchigen Fels sollte auch ein guter Orientierungs- und Wegfindungssinn für die Beste Routenwahl im steilen Schrofengelände nicht fehlen. Trittsicherheit und Spaß im ausgesetzten Gelände versteht sich bei so einer Grattour von selbst.

Tourengänger: Eumaex


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 28. September 2020 um 03:34
Wilde Sache, die du da gemacht hast. Bis in den IVten SG solo in nicht so gutem Fels , das ist nur etwas für wenige Spezialisten. Schön, dass es geklappt hat.
Darf ich fragen, welche Schuhe du für solche Touren benutzt.

VG, Nyn

Eumaex hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. Oktober 2020 um 16:50
Servus Nyn,
glücklicherweise waren es ja nur kurze Stellen im IV-ten Grad, anhaltend bevorzuge ich dann doch Sicherung.
Für solche Touren nehme ich im Normalfall Zustiegsschuhe mit Climbing Zone, die sind am angenehmsten wenn die Achillessehne mitspielt. Ansonsten auch gerne mal stabile/schwere Schuhe B/C oder C, insbesondere im Spätherbst wenn ich zur Sicherheit noch Steigeisen im Rucksack habe.
Beste Grüße
Eumäx


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