Monte Leone 3553m - Alleingang über den Westgrat


Publiziert von Cubemaster , 22. September 2020 um 23:25.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum: 9 August 2020
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS   I 
Zeitbedarf: 10:30
Aufstieg: 1700 m
Abstieg: 1700 m

Da Marie und ich diesen Sommer Urlaub in Bellwald machten, bot es sich aufgrund der kurzen Anfahrt zum Simplonpass an, dem Monte Leone mal einen Besuch abzustatten. Da die Tour für Marie aber zu lang war, würde ich das letzte Stück zum Gipfel allerdings solo machen müssen. Hier ergab sich nun wieder das leidige Problem, dass der Normalweg über einen größeren, durchaus spaltigen Gletscher führt. Nach ein bisschen Recherche hatte ich den Westgrat als Alternative ausgemacht, dieser sollte angeblich auch nicht allzu schwierig sein. Eine wirklich vernünftige Beschreibung (oder gar Bilder) fand ich nicht, ich musste es also einfach mal probieren.

Wir starteten morgens um 8 Uhr am Simplon Hospiz. (Ob man da jetzt parken darf oder nicht, war mir nicht ganz klar. Wir hatten hinterher jedenfalls kein Knöllchen...) Man folgt zunächst dem schönen Wanderweg (mit toller Aussicht auf die Berner Alpen) Richtung Monte-Leone-Hütte. Teilweise führt dieser an einem Wasserwaal entlang, welcher noch in Betrieb ist. Das erwies sich auch als Glücksfall, denn so konnte ich meinen Unterarm mehrmals kühlen, der wegen eines frischen Insektenstichs schon wieder wie bescheuert anschwoll... (Ich hasse diese Scheißviecher!!!)

Auf etwa 2460m, unmittelbar bevor der Weg einen Bach quert, muss dieser verlassen werden und man folgt einigen Steinmännchen und Wegspuren in südlicher Richtung den Geröllhang hinauf. Man gelangt schließlich auf ein recht ebenes Plateau auf ca. 2600m (ca. 10.30 Uhr). Als Marie den nun folgenden Geröllhang in Augenschein nahm, beschloss sie, es hier gut sein zu lassen und ihr Lager aufzuschlagen. Eine weise Entscheidung, denn dieses Stück war ziemlich ätzend. Ich arbeitete mich das sehr lose und nachrutschende Geröll erst gerade hinauf, dann immer mehr nach links querend, bis ich auf ca. 2700m endlich felsigen Untergrund erreichte.

Ab hier war das Gelände dann wieder angenehm zu begehen (Gletscherschliff), es braucht ein bisschen Auge für die sinnvolle Route. Ich hielt eigentlich die ganze Zeit auf den deutlich sichtbaren Breithornpass zu und auf ca. 3050m betrat ich von der letzten, nach oben reichenden Felszunge den Homattugletscher. Dieser präsentierte sich mir ganz harmlos und spaltenfrei (zumindest großräumig im flachen Mittelteil, wo die Route verläuft), so dass ich es als vertretbar einstufte, hier solo hinaufzusteigen. Um etwa 12.30 Uhr war ich dann am Breithornpass.

Vom hier aus sind nun gut zwei Kilometer Grat zu bewältigen, aber erstmal ist es einfaches Gehgelände. Ich querte zuerst in nordöstlicher Richtung am ersten Grataufschwung (P.3373) vorbei und erreichte den Grat kurz vor dem zweiten Grataufschwung (P.3392). Von dort aus kann man den weiteren Gratverlauf dann gut einsehen und ich muss sagen: Es sah sauschwer aus! Ich konnte kaum glauben, dass das noch WS-Bereich sein sollte. Na gut, man muss sich die Sache ja erstmal von Nahem ansehen, also stieg ich ab in die Lücke vor dem dritten Grataufschwung, deponierte dort meine Stöcke und begann zu kraxeln.

Tatsächlich war dieser Teil recht angenehm, obwohl die Gratschneide schräg geneigt und teilweise sehr schmal ist. Mit genug Mut kann man große Teile einfach aufrecht gehen. Hin und wieder krabbelte ich aber ein wenig, weil abschüssige Platten generell nicht so ganz mein Fall sind. So erreichte ich erstmal recht unproblematisch die Spitze des dritten Grataufschwungs (P.3425). Der Abstieg in die nächste Lücke muss nordseitig in sehr steilem, aber aufwärts geschichtetem Gelände erfolgen. Über ein paar solcher treppenartigen Stufen (immer nur ein paar Meter) kletterte ich dann in die Lücke vor dem vierten Grataufschwung ab (max. II+, sehr ausgesetzt aber Gestein erstaunlich fest, im Gegensatz zum Eindruck, der vielleicht beim Betrachten der Bilder entstehen mag).

Nun wieder über Plattengelände hinauf bis kurz vor die Spitze des vierten Grataufschwungs (P.3403). Und jetzt kam eine unerwartete Krux: Das Abklettern von der Spitze sah zu schwierig aus (mindestens III würde ich schätzen), also sah ich mich nach einer Umgehung um. Nordseitig führt ein bequem begehbares Band unter der Spitze hindurch (eigentlich wie bestellt). Nur: zwischen Band und Fels öffnete sich eine Spalte, die schon bis 50cm breit war, so dass das ganze Band hochgradig instabil aussah. (Mich würde es nicht wundern, wenn es schon nächsten Winter den Weg nach unten antritt...)

Jetzt ist natürlich immer die Frage, was meine bescheidenen 65kg ausmachen im Vergleich zu einer solchen tonnenschweren Felsformation. Aber so richtig wohl war mir nicht bei dem Gedanken, das Band zu begehen. Aufgrund der Aufwärtsschichtung waren an der Wand aber durchaus richtig gute Griffe zum Festhalten, und so ging ich ganz vorsichtig (permanent mit beiden Händen an der Wand festhaltend) diese etwa 3 bis 4 Meter entlang und versuchte, den Boden dabei so wenig wie möglich zu belasten. (Wenn man zu zweit ist und ein Seil dabei hat, würde ich unbedingt empfehlen, dieses Band zu meiden und oben über die Spitze zu klettern!)

Danach ging es noch ein kurzes Stück unproblematisch bergab bis in die Scharte vor dem Gipfelaufschwung, der zuerst ebenfalls wieder nordseitig angestiegen werden muss. Generell ist es wohl am Besten, dabei recht nah am Grat zu bleiben. Folgt man den zahlreichen Bändern in die Nordflanke, wird es immer brüchiger. Nur an ein oder zwei Stellen bin ich wenige Meter einem Band gefolgt, um kurz danach wieder Richtung Gratschneide zu kraxeln. Das Gelände ähnelt in allen Punkten sehr dem Abstieg vom dritten Grataufschwung. Eine ca. 2m hohe Stufe ohne Tritte war für mich die Schlüsselstelle, man kann aber an der oberen Kante der Platte super greifen. Die Stelle ist mit genügend Armkraft eigentlich problemlos (aber ebenfalls sehr ausgesetzt)!

Nach oben hin wird das Gelände dann einfacher und über einen relativ einfachen Blockgrat erreichte ich schließlich den Gipfel. Da es schon ca. 14.15 Uhr war, waren die meisten anderen Seilschaften schon wieder auf dem Rückweg und nur eine 3er-Gruppe war noch mit mir am geräumigen Gipfel. Nach den obligatorischen Bildern und einer kurzen Stärkung machte ich mich dann um 14.45 Uhr an den Rückweg über dieselbe Route. Das baufällige Band hielt auch ein zweites Mal, die Gegenanstiege begannen aber langsam ätzend zu werden. Dafür ließ sich der Homattugletscher wunderbar abfahren (ca. 300hm in 15 min) und um 17.15 Uhr konnte ich Marie wieder einsammeln. Um 18.45 Uhr waren wir schließlich wieder am Simplonpass.

Tourengänger: Cubemaster


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Kommentare (4)


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antenberg hat gesagt: Schöner Bericht …
Gesendet am 4. Juli 2021 um 09:59
… und sehr informative Routenfotos – danke für die Mühe und Sorgfalt.
Ich hatte diesen Grat für meine Frau und mich auch mal angedacht, die Beschreibung im Führer liest sich ja ziemlich »easy«. Aber dein Bericht und die guten (und lobenswert großen) Bilder lassen diesen Anstieg für uns »Oldies« doch etwas zu heftig erscheinen. Aber der Normalweg ist sicher auch schön.
LG aus Oberbayern
Michael

P.S. Die Walliser Schwarznasenschafe sind unsere absoluten Lieblinge – einfach bezaubernd, diese Wollknuddel :-)

Cubemaster hat gesagt: RE:Schöner Bericht …
Gesendet am 5. Juli 2021 um 22:48
Vielen Dank für deinen Kommentar, so viel Lob hört man natürlich gerne!

Ich hatte nach den Beschreibungen auch eine etwas einfachere Tour erwartet. Vermutlich wurde hier hauptsächlich die reine Kletterschwierigkeit gewertet, die den zweiten Grad tatsächlich nicht wesentlich überschreitet. Aber die Ausgesetztheit ist teils schon beachtlich und der Grat ist lang, das spielt alles ja durchaus eine Rolle...

Wünsche viel Spaß beim Normalweg! Und bleibt noch lange fit ihr "Oldies" :-)

antenberg hat gesagt: RE:Schöner Bericht …
Gesendet am 5. Juli 2021 um 22:59
Danke für die nette Reaktion :-)
Mal schauen, ob wir's diesmal schaffen, vor Jahren mussten wir nach einer wunderschönen Tour aufs Wasenhorn und Übernachtung auf der netten Monte Leonehütte am Beginn des Homattugletschers leider umkehren, weil meine Frau ein akutes Magenproblem hatte. Seitdem haben wir in der Region viele Wanderungen und Touren gemacht, aber am Leone waren wir nie wieder. Nun geht's in einer Woche mal wieder ins Wallis – mal schaun …
Viele Grüße
Michael

Heidelberger Gipfelsammler Ötzi II hat gesagt: Interessante Tour
Gesendet am 19. Juli 2023 um 10:44
Gute Beschreibung einer interessanten Tour!
Da ich nicht um 06.00, sondern erst kurz nach 07.00 Uhr aufbrach, kurz vor Vollendung des 60. stehe u. daher oftmals verschnaufen muss, es kurze Gewitterschauer gab, ich noch auf dem Breithorn war u. schließlich der von Dir beschriebene Grat mir zu schwierig erschien, ging ich über den oberen Gletscherteil (nur eine Spalte oberhalb, weiter unten, wo ich freilich nicht hingehen wollte, aber viele) zum anderen Aufstiegsgrat des Monte Leone.


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