Grattour über die Hintere Schranspitze (3357 m)


Publiziert von Uli_CH , 13. August 2020 um 17:15.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum: 9 August 2020
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 10:15
Aufstieg: 1600 m
Abstieg: 1600 m
Strecke:14.9 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Von Goldrain im Vinschgau ins Martelltal fahren. Parkplatz 4 beim Talschluss. Tageskarte PKW: 5 € (in Münzen).
Kartennummer:Tabacco 045: Latsch, Martell, Schlanders (1:25'000); KOMPASS 069: Schlanders und Umgebung (1:25'000); KOMPASS-App mit Offline-Wanderkarte

Diese Tour sollte ein Höhepunkt meiner diesjährigen Alpinwanderferien werden. Aufgrund der Länge und der Abgeschiedenheit des Weges hatte ich einen Tag mit stabilem Wetter ausgesucht.

Sonntag, herrliches Wetter, Blechkolonnen wälzen sich ins Martelltal. Zum Glück ist der Parkplatz 4 grösser als gedacht, da er noch eine versteckte untere Ebene umfasst.

Ich folge dem Wegweiser 37 Richtung Vorderer Rotspitz und gehe den Fahrweg bis zum Ende und weiter über die Brücke über den Plimabach. Der Weg steigt parallel zur Plimaschlucht an. An zwei Stellen zweigen Pfade zu Aussichtskanzeln ab. Ab der Stelle, wo der Weg "Erlebnis Plimaschlucht" zur Hängebrücke abzweigt, erhält der Weg zur Vorderen Rotspitze die Nr. 31.

Der Weg bezwingt eine erste Geländestufe, das Gelände weitet sich, ein Weg zweigt zur Zufallshütte ab. Der Weg hält sich mehr links, um über einen Grasrücken weiter anzusteigen. Er mündet in ein Kar. Das Gelände ist unübersichtlich. Mir ist nicht klar, in welche Richtung es weiter geht.

Der Weg führt etwas in das Kar hinein. Dann zeigt sich auf der linken Seite ein Grashang, den ich auf dem Pfad erklimme. Jetzt wird der weitere Anstiegsweg sichtbar, erst über Gras, dann über Schutt. Auch das Gipfelkreuz der Vorderen Rotspitze kommt in Sicht.

Ich erreiche die Verzweigung zum Gipfel der Vorderen Rotspitze und folge dem urspünglichen Weg ein Stück weiter Richtung Marteller Hütte, bis ich eine markante Senke erreiche (noch vor dem Wiederanstieg zu P. 2910, 2:50 Std. ab Parkplatz). Hier soll es zum Grat abgehen. Von ernst zu nehmenden Steinmännchen allerdings keine Spur. Ein einzelner steht verloren herum, zeigt aber - da dimensionslos - keine Richtung an.

Ich halte mich etwas rechts und umgehe zwei Erhebungen hintenherum. Dann halte ich mich links und ersteige eine erste Geländestufe über eine Rinne. Steinmännchen weisen hier schon den direkten Weg auf den Grat. Ich halte hingegen auf die am weitesten links sichtbare Gratkuppe der Hinteren Schranspitze zu und visiere eine auffällige helle Gesteinsformation an, über die ich einen Felsriegel an dessen linkem Rand erreiche.

Hier - auf einer Höhe von 3000 m - bietet sich mir ein erster Blick auf den Gramsenferner. Jetzt halte ich auf eine Scharte im Grat oberhalb eines Schneefelds zu. Ein Fussabdruck zeigt mir, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Ein halbe Stunde nach Verlassen des Wanderwegs stehe ich auf dem Grat zur Hinteren Schranspitze. Gemäss Karte stehen noch vier Graterhebungen vor dem Gipfelglück. Der Hautgipfel hält sich derweil noch versteckt.

Unschwierig geht es zur ersten und zweiten Graterhebung (P. 3137 und P. 3224). Anschliessend komme ich an meine Schlüsselstelle: am Ende einer Schuttrinne müsste man ausgesetzt senkrecht abklettern. Alles voller Gebrösel und keine Griffe zum Halten. Ich meistere die Situation, in dem ich den Rucksack ausziehe und unter einem Felsen ein Sims entlang krieche.

Schliesslich erreiche ich die dritten Graterhebung (P. 3257). Es geht runter auf ein Schneefeld, auf dem ich auch schon Spuren ausmache. Anschliessend erreiche ich den Grat wieder in einer Scharte zwischen P. 3257 und P. 3273. Beim letzten Gratkopf (P. 3273) folge ich wieder einer Spur in den Schnee hinunter. Die Spur teil sich. Eine geht auf den Gipfelaufbau zu und dann am Hang auf einem Schneefeld hoch, eine zweite, mit Steigeisen, folgt dem Gletschergrat.

Ich folge letzterer. Der Gletschergrat ist schneebedeckt und gut begehbar. Schliesslich erreiche ich den Ostgrat der Hinteren Schranspitze und steige auf dem breiten Grat bis zum Gipfel hoch, den ich 2:20 Std. nach Betreten des Grats erreiche (5:40 Std. ab Parkplatz).

Der Gipfel ist eine prächtige Aussichtsloge. Leider sind ein paar Berge in Wolken, so der Monte Cevedale und die Berge südlich davon, sowie die Zufrittspitze und die weiteren Berge des Martell- / Ultener Kamms.

Nach der Gipfelrast gehts weiter, wieder über den Ostgrat runter in die Scharte und auf der anderen Seite zur Hinteren Rötspitze hoch (dreiviertel Stunde). Beim Anstieg mache ich noch Bekanntschaft mit zwei Steinböcken.

Jetzt beginne ich den langwierigen Abstieg Richtung Sallentjoch. Während der Verbindungsgrat zwischen den beiden Spitzen einfach ist, ist dieser Abstieg wieder etwas anspruchsvoller. Den P. 3089 überschreite ich, den P. 3043 erspare ich mir und folge Spuren links runter auf einem Schneefeld, um etwas abzukürzen. Schliesslich sehe ich auch das Sallentjoch und halte auf es zu. Da der Wanderweg das Sallentjoch nicht an der tiefsten Stelle quert, gehe ich nicht direkt auf den Wegweiser auf dem Grat zu, sondern quere schon etwas unterhalb. Nach anderthalb Stunden auf dem Nordostgrat der Hinteren Rötspitze habe ich wieder "festen Boden" unter den Füssen.

Der weitere Abstieg erweist sich als sehr schön, aber auch ziemlich lang. Ich komme an einem See vorbei, an dessen Ende anstatt eines Ausflusses eine Felswand steht. Anscheinend wird er unterirdisch entwässert. Anschliessend geht es rasch in die Tiefe, an beeindruckenden Felswänden vorbei.

Weiter unten zweigt der Weg 12 Richtung Lärchboden/Enzianhütte ab. Frohgemut folge ich ihm. Mittlerweile ziert den Talschluss des Martelltals eine beeindruckende Gewitterstimmung. Plötzlich stehe ich vor einem reissenden Strom ohne Brücke und ohne Felsen, die ein problemloses Queren ermöglichen würden. Ich finde eine schmale Stelle und schaffe es, meine Teleskopstöcke in der reissenden Flut sicher zu verankern. Ich stütze mich ab und erreiche sicher das andere Ufer.

Im Lärchboden höre ich allenthalben Kuhglocken. Die Kühe haben sich allerdings gut im Gebüsch versteckt. Ich erreiche eine Kreuzung mit einem seltsamen Wegweiser. Derjenige, der in die Richtung zeigt, aus der ich komme, scheint korrekt angeschrieben. Links geht der Weg 40 hoch, aber der Wegweiser weist geradeaus. Und nach rechts, wo es gemäss Karte nur Wegspuren gibt, ist der Weg 12 zur Enzianhütte ausgeschildert und markiert. Ich folge dieser Ausschilderung kurz, merke dann aber, dass das nicht der korrekte Weg sein kann, gehe zurück zur Kreuzung und gehe den ursprünglichen Weg weiter geradeaus. Erst später wird mir klar. dass der Wegweiser um 90° verdreht wurde/aufgestellt ist. Der Weg, den ich genommen habe, soll wegen der fehlenden Brücke nicht begangen werden. Derjenige, dem ich kurz gefolgt bin, ist die "Umleitung".

Nach einer Weile treffe ich wieder auf den Aufstiegsweg und folge diesem zurück zum Parkplatz. Die meisten Autos sind schon wieder weg. Für den Abstieg vom Sallentjoch habe ich zweieinhalb Stunden benötigt. Auf der Rückfahrt geht im Martelltal noch ein heftiges Gewitter nieder. Zum Glück erst jetzt!

Es war eine fantastische aber auch einsame Tour. Zwischen dem Verlassen des Wanderwegs und dem Sallentjoch bin ich keiner Menschenseele begegnet.

Orientierung: Auf den markierten und ausgeschilderten Wanderwegen einfach. Auf dem Grat zwischen Abzweig Vordere Rotspitze und Sallentjoch mittel, da ich auf Schneefeldern Spuren hatte. Sonst eventuell anspruchsvoller. Achtung: Kurz nach Abzweig des Wegs 12 Richtung Lärchboden auf ca. 2300 m beim Abstieg quert ein reissender Strom ohne Brücke den Wanderweg. Umweg wohl über die Wege 12B und 12A.

Ausrüstung: Alpinwanderausrüstung, inkl. fester Bergschuhe mit rutschfesten Sohlen, Teleskopstöcke, ev. Kletterhandschuhe.

Führer: Maurizio Marchel, Einsame Gipfel in Südtirol, Band 1, 2012, Tour 4

(Dies ist ein Tourenbericht. Es handelt sich daher um meine persönlichen Gehzeiten und meine subjektive Einschätzung der Schwierigkeit ohne Anspruch auf Objektivität. Jeder, der diesen Tourenbericht als Basis für eine eigene Unternehmung verwendet, ist persönlich für seine eigene Sicherheit verantwortlich.)

Tourengänger: Uli_CH


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