Begegnungen am Heiterberg


Publiziert von Nyn , 26. Juni 2020 um 16:44.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:23 Juni 2020
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1100 m
Abstieg: 1100 m

Diese schöne Runde ist inzwischen mehrfach behikrt.
Deshalb langweile ich Euch nicht mit der xt-en Beschreibung, sondern erzähle lieber von meinem Weg dahin und den für mich schönsten "Begegnungen" während der Tour.

DER WEG

Begegnung mit diesen Bergen früher
Ja, die hatte ich als Kind schon. Im Bregenzerwald hat unsere Familie in einem Vorsäß bei Egg etwa ein Dutzend Jahre jeden Sommer mehrere Wochen geurlaubt. Ein Paradies. Und das Bergfieber bekommen habe ich damals auch.
Sowohl von der Kanisfluh aus, meinem ersten 2000er im Jahre 1970, als auch vom Diedamskopf, den wir mit den Großeltern zusammen in den Mittsiebzigern bestiegen haben -und ich mich noch sehr deutlich an ein endloses Meer von Heidelbeeren erinnere- sind die "Heiter"berge zu sehen gewesen. Dabei sind sie mir noch nicht besonders aufgefallen.

Einige Jahre später
Der Widderstein gleich gegenüber von Höferspitze und Heiterberggrat ist vom Hochtannbergpaß schnell erreichbar. Diesen tollen Aussichtsberg habe ich bestimmt 3 oder 4x über den Normalweg bestiegen, 2x erkletterte ich mit Freunden die SW-Wand, 1x über die klassische Führe, 1x über die tolle "Hiltimanie". Bei einer Vielzahl von Bergen rundum lugte ich immer wieder auch hinüber zum Weißen Schrofen. Mein AV-Führer (Ausgabe 1971) gab da kaum etwas her, riet sogar eher ab und baute damit den Nimbus für mich eher auf, sprach u.a. von "äußerst heiklen Steilgrasplanggen". Ui? Damit geriet dieses Ziel zunächst länger aus meinem Fokus.

Erneuter Kontakt
Eine moderate, nicht zu lange Bergtour mit meiner damaligen Lebensabschnittsgefährtin und dem Chi Archie führte uns 2014 bis zur Schulter des Höferspitzen-Ostgrates. Keinen Gipfel gab es an diesem Tag, da Unwohlsein ein Weitergehen leider verbat. Dafür gelangen einige schöne Stimmungsbilder und es wurde mir erneut ein toller Blick auf den Höfer- und Heiterberggrat gewährt.

2020
Nun also sollte es soweit sein.
Nach einigen Eingehtouren die Wochen zuvor wage ich mich an die Überschreitung. Der Wetterbericht ist gut, einige wenige Informationen habe ich anderen hikr-Berichten entnommen, jedoch hauptsächlich über diese plattige III-er Stelle am Weißen Schrofen. Dass ich das Ganze als Rundtour ab Schröcken angehen würde, war für mich klar, ebenso, dass ich diese schwierige Stelle gerne im Aufstieg versuchen würde - also Uhrzeigersinn. Alle anderen Passagen würden sich vor Ort schon meiner Spürnase ergeben. Je weniger zusätzliche Infos im Vorfeld mir schon darüber bekannt wären, desto spannender, aber auch befriedigender würde es hoffentlich sein.
...

BEGEGNUNGEN

Muh
Eine Herde noch sichtlich schlaftrunkener Kühe bei der Geiersbergalpe. Ich rede irgendwelches dummes Zeug, damit sie mich hören und nicht erschrecken und begrüße jedes einzelne Tier, das mir direkt im Weg liegt. So manche Kuh steht nur wegen mir sogar auf, andere umgehe ich lieber mit einem Bogen. Muuuuuuuhhh

Der Sonnenaufgang.
Immer eine Begegnung der besonderen Art. In diesem Umfeld, bei dieser Stimmung, schon 1.5h Wegs zurückgelegt und nun an der Wannenalpe, an diesem herrlichen Plätzle sein zu dürfen, und es kommt gerade eben die Sonne über den Heita-Rücken. Das erfüllt mich zutiefst mit Dankbarkeit. Dass ich das erleben darf, dass ich hier sein kann, dass mir dieser Tag, das alles.... geschenkt wird.
Zudem habe ich noch eine Begegnung mit einem "Halbe"Glas, welches bei meinem Eintreffen dort mit Wasser gefüllt auf dem Bänkle an der Wannenalpe steht, wie als ob es mich begrüßen wolle, mich einlädt... Ich nehme die Einladung liebend gern an, nehme Platz, trinke, esse, fülle meine Flaschen am Schlauch nebenan auf, fotografiere ...

Alpenschneehuhn (Lagopus muta) und Gams
ZITAT WIKI: "Alpenschneehühner verlassen sich auf ihre hervorragende Tarnung. Wenn Wanderer sich nähern, bleiben sie so lange sitzen, bis man fast auf sie tritt, um dann mit lautem Flügelburren aufzufliegen."
Genau so passiert es.
Ich bemerke die 2 Viecher erst, als ich wenige Meter entfernt bin und sie auffliegen. Ich verhalte mich total ruhig, um eine Chance zu haben, sie ev doch noch fotografieren zu können, was mir beim bräunlich gefleckten (im Sommerkleid) Weible gelingt. Das Männle hat mehr Weiß im Gefieder. Ich habe diese Tiere nie zuvor in Natura und so nahe gesehen.
Keine 2 Minuten später sehe ich aus dem Augenwinkel etwa 40m weiter oben am Grashang eine Gams stehen, die offenbar durch das Auffliegen der Schneehühner auf mich aufmerksam geworden ist und nun genau beäugt, was ich da so treibe. Ich steige leicht versetzt weiter, eh schon weglos, dem flachsten Gelände nach. Als ich die Stelle, wo das Tier stand erreiche, ist es nicht mehr zu sehen.

Hakerl
Einen ersten "alten" Haken finde ich am SW-Grat oberhalb der schiefrigen Passage, die üblicherweise umgangen wird. Ob das halten würde?
Im Folgenden finde ich über den ganzen Gratverlauf bis fast zur Höferspitze sowohl vereinzelt ältere Haken und kurze EisenStangen, die im Gras oder Dreck stecken, als auch ziemlich viele solide Gerüstösen neueren Datums an soliden Felsstücken. Der Grat ab Höferspitze wird offenbar inzwischen von Bergführern angeboten und wurde deshalb zeitgemäß soweit versichert, dass zumindest ein Komplettabsturz vermieden werden kann. (Gut, wenn schon sichern, dann nur mit ordentlichem Stand, sonst kannst du das vergessen, finde ich)

Andere Bergsteiger
Ja, die gibt es auch. Eine einheimische Dreiergruppe schließt direkt am Gipfel des Weißen Schrofen zu mir auf, an dem ich nach Überwindung der Schlüsselstelle an der Platte davor bereits seit einiger Zeit einfach die Seele baumeln lasse.
2 davon sind aus Egg. Egg!!, ja, da waren wir doch früher als Kinder...Vielleicht...
Ich spreche die Leute darauf an, ob Ihnen der Name unserer damaligen "Vermieterin" und das "Schwende"-Vorsäß etwas sagen würde. Das ist über 40 Jahre her. Und tatsächlich: Beide Namen sind Ihnen wohlbekannt. Die Vermieterin selbst lebt nicht mehr, aber die Tochter. Die Welt ist klein.
So unterhalten wir uns noch ein Weilchen über Dies und das. Ich pausiere noch länger, die 3 ziehen bereits weiter.

Ein Marterl bringt eigene wehmütige Erinnerungen zurück an liebe Freunde, die verunglückt sind. RIP.
Demütig halte ich inne. Solange ich an sie denke, sind sie nicht vergessen.

Am Gipfel der Höferspitze treffe ich dann noch ein junges Pärchen, die vom Hochtannberg über den Ostgrat kommt. Am Gipfel will ich eigentlich länger rasten, jedoch mache ich "Begegnungen" mit dem eher kühlen NO-Wind an der einen Seite des Gipfel und einer Masse von leider sehr lästigen Fliegen an der besonnten, anderen Seite. So fällt diese Rast leider eher kurz aus.

Blumenwiese und Mähen
Kurz vor der unteren Höferbergalpe bin ich schon ein wenig geplättet ob des oben sehr steilen Abstiegs entlang der Verbauungen und der im Windschatten schwülen Hitze. Zum Glück finde ich ein angenehm windiges und zugleich schattiges Plätzchen, sogar mit einem halben Baumstamm als Behelfssitzbank, der nach etwas Umrücken zur Länge meiner Beine passt. Cool!
An der Alpe selber treffe ich wenig später 3 Leute, eine Urlauberin, die mir sogar Kaffee anbietet, sowie 2 Einheimische, die eben um die Alpe etwas am "Heuen" waren. Ebenda, wo diese wahnsinns Blumenwiese ist! Ich frage nach dem besten Weg zum Ausgangspunkt und nach dem Ziel für das gemähte Gras. Für die Ziegen, heisst es, und mein Weg würde da und dort entlangführen. Außerdem wird mir erklärt, dass die nahe Blumenwiese erst später gemäht würde, weil die Pflanzen noch etwas Zeit zum Aussamen bräuchten.
Selbige Vorgehensweise ist mir von einem Magerrasen-Biotop auf der Schwäbischen Alb wohl bekannt.
Mit den besten Segenswünschen vergeben und ausgestattet geht es für mich weiter talab.

Was macht der da?
Der Fahrweg von der unteren Höfer- zur Sulzlalpe macht einen weiten Bogen Richtung Heiterberg SW-Gratflanke. An der Eingangskehre kann ich weiter unterhalb einen Mann beobachten, der irgendetwas aus der Wiese pflückt. Ich macht mir während der ca 300-400m Wegs so meine Gedanken, was er da wohl sammeln würde. Kräuter vielleicht? oder Walderdbeeren (da gibt es aber keine). Als ich dann bei ihm angelangt bin, lüftet sich das erste Geheimnis. Es sind ganz viele Löwenzahnknospen in seinem Beutel. Aber wofür? Tee? oder vielleicht Salat? Nein, der Mann erzählt mir, dass er eine Vogelzucht habe und diese Knospen wären das ideale Ziehfutter für die (Jung-)Vögel. Er habe diese Ecke gepachtet und würde immer wieder hierher kommen.
Meine Erwähnung der Begehung des Grates oberhalb bringt ihn im Gegenzug ebenso zum Staunen, wie die Leute an der Alpe zuvor.
Wir machen uns oft vor, dass die Einheimischen viel Bergsteigen würden, da sie doch die Berge ums Eck haben. In der Tat ist das eher nicht so. Wandern tun recht viele, Bergsteigen mit Kletterei die Allerwenigsten.
 
Meine technischen Anmerkungen:

Zeitangaben:
Wie immer bin ich ohne Uhr gegangen. Gesamtzeit ab/bis AP mit Rasten und Fotos

Unbekanntes Gelände, das im Aufstieg recht eindeutig ist, ist im Abstieg von oben oft deutlich schwerer auszumachen. Bewegt sich das Ganze dann noch im Klettergrad II, erhöhen sich die Anforderungen an die Orientierung. Eigentlich hätte ich es an der einer Stelle (s Bild) ob der plötzlich total fehlenden Begehungsspuren merken müssen, dass ich irgendwie falsch bin, aber was ist schon falsch im T6-Gelände(?). Jedenfalls, als ich dann von unten diesen Abschnitt überblicken konnte, war es mir klar, wo ich hätte (besser) lang sollen. Das sagt sich aber tatsächlich leichter, als es von oben zu "sehen".

Betr. Fixseil am Weißen Schrofen (s. andere Berichte)
Offenbar ist dieses nur temporär vorhanden. Bei meiner Begehung gab es keines.

Zur IIIer-Stelle am Weißen Schrofen:
Mit meinen sehr bequemen, fast zu weichen, vorne sehr breiten und abgelatschten Wanderschuhen war diese Passage leider nicht kletterbar, da ich damit keinerlei Kante oder gezielten Druck auf kleinere Tritte oder Rissstruktruren bekomme - bisserl schade. Die schwere Stelle ist etwa 5m hoch, sehr plattig, jedoch rechts leichter umgehbar. Ich kletterte sobald es möglich war zurück zur Kante und über diese vollends hinauf.

Fazit
Im Nachhinein ist mir noch klarer bewusst geworden, wie schön und beglückend alle diese Begegnungen an diesem für mich perfekten Tourentag sind. Mit allen Menschen, die ich traf, habe ich mich länger unterhalten, und um Einiges intensiver, als ein Hallo oder über das Wetter. Auch alle Tiere und Pflanzen habe ich sehr intensiv und bereichernd wahrgenommen.
Ich bin für all das einfach nur wahnsinnig dankbar!



Tourengänger: Nyn
Communities: Allgäu, T6


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Kommentare (4)


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Schubi hat gesagt:
Gesendet am 26. Juni 2020 um 21:51
Hallo Markus.
Glückwunsch zu dieser tollen Tour. Schöne Idee für einen "mal anderen" Tourenbericht auch!
Beste Grüße, Frank

Nyn hat gesagt: RE:
Gesendet am 26. Juni 2020 um 22:10
Danke schön, Frank
Ich habe mich einfach gefragt, was mich am nachhaltigsten beeindruckt hat, und das waren die Begegnungen. Deshalb habe ich diese als zentrales Thema für den Text gewählt.

Kommunist hat gesagt:
Gesendet am 20. August 2020 um 23:20
Ein sehr schöner Bericht mit begeisternden Eindrücken. Schön, dass die Begegnungen am Berg so positiv dargestellt werden. Das ist auf hikr, Facebook und auch sonst am Berg leider keine Selbstverständlichkeit mehr.

Nyn hat gesagt: RE: Positiv
Gesendet am 21. August 2020 um 07:11
Danke schön für das Lob.

Zugegeben fällt es bestimmt nicht nur mir "leichter" -wie hier gegeben- bei einer überschaubaren Anzahl von Begegnungen meine überaus positive Grundeinstellung zu bewahren. So etwas ist sicher auch charakterbahängig. Ich gehe beispielsweise recht gern und interessiert auf Menschen zu. Die allermeisten reagieren darauf ebenfalls positiv.

Bei manchen Hotspots (die man ja nicht gezwungen ist aufzusuchen) mit "Party", viel Geschrei und womöglich noch naturfrevlerischen Begleiterscheinungen könnte zwar selbst so ein phlegmatischer(zuweilen), gelassener (meist) und gutmütiger (oft zu sehr) Mensch wie ich den Glauben an seine Artgenossen verlieren (sind das echt Homo sapiens?)...es ist aber immer noch die weit größere Mehrheit, die sich eben NICHT so danebenbenimmt. Zum Glück!

Es ist wie im "normalen" Leben auch: Wer nur herumhastet und keine Zeit und keinen Blick mehr übrig hat für die Naturschönheiten am Weg oder die Menschen, denen man am Berg begegnet - und wirklich "zu viele" sind es nur an relativ wenigen, gut vorher bestimmbaren Orten! -
..nun, ich finde..dem entgeht schon Einiges.


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