Überschreitung Silberplattenchöpf


Publiziert von Bergamotte , 3. Juni 2020 um 12:14.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:30 Mai 2020
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG   Alpstein   CH-AR 
Zeitbedarf: 5:15
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Schwägalp, Säntis-Schwebebahn
Unterkunftmöglichkeiten:Berggasthaus Tierwis
Kartennummer:1114 / 1116 (R. 355)

Der Moment, den jeder Gipfelsammler ersehnt und gleichzeitig fürchtet, ist gekommen: alle Berge einer Region sind bestiegen, konkret im Gebiet von Manfred Hunzikers Clubführer "Churfirsten - Säntis". Natürlich, es gäbe unzählige weitere Routen zu entdecken und die reinen Klettergipfel* habe ich ausgelassen. Trotzdem, es wird Zeit für neue Abenteuer, zumal das Gebiet mit meinem Umzug ohnehin ausser Reichweite gerät. Dieser Meilenstein wollte mit einer zünftigen Abschlusstour gefeiert sein, der Überschreitung der Silberplattenchöpf. Hier durfte ich mich nochmals richtig austoben bei meiner geliebten T6-Grasbeisserei, ausgesetzter Kletterei bis in den unteren III. Grad und zwei Abseilmanövern.

Gerne verweise ich auf den Bericht von pboehi, der die Überschreitung vorbildlich in Wort und Bild beschreibt. Da kann fast nichts mehr schiefgehen, wobei klettern muss man immer noch selbst. Der Zustieg ab Schwägalp (1352m) erfolgt über die alte Direktroute in den Stosssattel (2042m). Diese Variante fehlt überraschenderweise im ansonsten umfangreichen Führerwerk, obschon vereinzelt noch alte Markierungen zu erkennen sind. Die Route ist nicht wirklich schwierig (T5), aber der originale Verlauf vor Ort nur noch ansatzweise nachvollziehbar. Das ist nicht weiter tragisch, im zunehmend steilen Gras- und Schrofengelände sind zahlreiche Varianten möglich, Trotzdem, wer kopflos drauflos steigt, landet im obersten Bereich schnell im T6-Terrain. Da ich schon mal hier bin, schaue ich kurz auf dem Stoss (2111m) vorbei, womit das Gros der Höhenmeter bereits geschafft wäre. 

Die Überschreitung beginnt wenig nördlich vom Stosssattel, indem man schlicht und einfach die markante Rinne zum Doppelgipfel vom 1. Kopf hochsteigt. Die nötige Betriebstemperatur (sprich T6 / II) wird dabei umgehend erreicht, im engen Kanal fühlt sich das aber einfacher an. Der Weiterweg zum 2. Kopf ist gehobene Kraxelei bzw. leichte Kletterei und macht einfach Spass. Im folgenden, recht kurzen Abstieg über ein Fels-Gras-Gemisch ist der Alpinwanderer voll in seinem Element. Der 3. Kopf bildet optisch einen ersten Höhepunkt, scheint der abweisende Turm von Süden doch unbegehbar. Tatsächlich umgeht man ihn linksrum über ein Band, um bei erster Gelegenheit wieder den Grat zu gewinnen, zuletzt etwas ausgesetzt zum höchsten Punkt.

Der Abstieg in die folgende Scharte ist anspruchsvoll, selbst wenn man teilweise in die Westflanke ausweicht (worauf ich grösstenteils verzichte). Hier hier wird an der T6+ gekratzt (II+ bis III-), also genau mein Terrain, für den klassischen Kletterer wohl weniger... Aber die steigen ohnehin erst in der Scharte in die Überschreitung ein. Der 4. Kopf ist quasi geschenkt, sowohl Auf- wie Abstieg erfolgen im Kraxelgelände. Im Wiederaufstieg zum 5. Kopf sind direkt oberhalb der Scharte wenige anspruchsvolle Klettermeter (III) zu meistern, dann zieht man links weg, um wieder rechtshaltend bald über den bombenfesten, breiten Felsgrat genussvoll den höchsten Punkt zu erklettern (II).

Auf der Nordseite vom kleinen Gipfelplateau befindet sich wenige Meter unterhalb eine 1a-Abseilstelle, nicht zu übersehen. Abseilen über ca. 8m in die enge Scharte. Würde man die Überschreitung in umgekehrter Richtung angehen, hätte man an dieser Stelle ein grösseres Problem. Von der Scharte luftige, sehr kurze Querung in die Ostflanke raus, um dann gutgriffig die steile Felswand zum Grat hochzuklettern (II, den Haken folgen!). Der Fels ist zum Glück makellos, denn aufgrund der extremen Ausgesetztheit braucht man keinen zusätzlichen Nervenkitzel - meine erste Schlüsselstelle. Auch am Grat bleibt die Sache ausgesetzt, aber gut kletterbar. Und dann, kurz vor dem 6. Kopf erscheint zu meiner Linken aus dem Nichts eine Glorie. Ich muss innehalten, mir kommen beinahe die Tränen. Was für ein wahnsinniger Moment und das just zu meiner Abschlusstour. Auch für solche aussergewöhnliche Momente, die sich nicht erwzingen lassen, gehe ich z'Berg.

Direkt auf dem Gipfel befindet sich eine solide Abseilstelle. Ich beherzige den Rat von pboehi und unterteile das Manöver in zwei Abschnitte, obschon mein 50m-Seil durchaus bis unten reichen würde. Geholfen hat's nichts, das Seil verfängt sich prompt in einem Spalt und ich muss reissen wie ein Esel, um es runterzukrigen. Besser wäre wohl gewesen, direkt nach Norden oder dann weiter westwärts abzuseilen statt so ein Zwischending. Der zweite Abseilabschnitt beträgt übrigens nur wenige Meter und könnte durch gute Kletterer wohl abgestiegen werden (knapp IV?). Der folgende kurze Gegenaufschwung wirkt luftig, kann aber unschwierig überkraxelt werden, um so den Südfuss der Silberplatten zu erreichen.

Eigentlich glaubte ich, an diesem Punkt alle Schlüsselstellen hinter mir zu haben. Weit gefehlt, zumindest für mich als Nicht-Kletterer. Der Direktaufstieg über die Südrippe ist technisch zwar nicht allzu schwierig (II+), aber mental wird doch einiges abverlangt. Denn es sind zwei volle Seillängen ohne Unterbrüche oder Exitmöglichkeiten. Wie bereits ossi geschrieben hat, ist die Route nicht eingebohrt, was mich einigermassen erstaunt, das wäre eine perfekte Einsteigertour. Die Rippe endet wenig unterhalb vor dem Gipfelkreuz der Silberplatten (2158m), wo die ganze Entspannung in tiefe Genugtuung übergeht. Ich gönne mir eine ausgiebige Mittagsrast und geniesse die Wolkenspiele im Alpstein.

Der Rückweg erfolgt unspektakulär via Berggasthaus Tierwis (2084m), das heute bereits offen hat, aber noch kaum Gäste bewirten darf. Weiter unten In den Schnüeren zeigt sich dann exemplarisch, dass die grösste Gefahr in den Bergen meist nicht an den Schlüsselstellen lauert: ein ganzer Steinschwall verfehlt mich um zwei Meter... Mehrere Kollegen haben von ähnlichen Erfahrungen an dieser Stelle berichtet - gemeingefährlich dieser (vielbegangene) Normalweg.


Zeiten (kum)
1:35  Stoss
1:55  Chopf I
2:10  Chopf II
2:25  Chopf III
2:40  Chopf IV
2:55  Chopf V
3:20  Chopf VI
4:00  Silberplatten
5:20  Schwägalp

* Gamsturm, Kreuzberg I & VI, Rot Turm, einzelne Widderalpstöck, Dreifaltigkeit Westturm, Östlicher Freiheitturm, (Alte) Roskirche

Tourengänger: Bergamotte
Communities: T6


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Kommentare (2)


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El Chasqui hat gesagt: gratuliere!
Gesendet am 9. Juni 2020 um 17:56
Ich gratuliere Dir zu dieser tollen Tour und zur Vollendung der Gipfelziele im Alpstein, eine Wahnsinnsleistung!
Hoffentlich findest Du noch andere alpine Ziele

Zolliker hat gesagt: Grossartig!
Gesendet am 14. Juni 2020 um 09:53
Uiuiui Gabriel - was für Bilder! Wahnsinn.
Gratuliere Dir ganz herzlich,
Edwin


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