Zahn(tor)tour


Publiziert von Nyn , 6. Juni 2020 um 20:10.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Ammergauer Alpen
Tour Datum:30 Mai 2020
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Unterkunftmöglichkeiten:vor Ort

Nyn isst den Schweizerkäs
mit dem Gebiss.
Ob er'n aber übern Oberkiefer kaut
oder aber übern Unterkiefer kaut
oder aber überhaupt nicht kaut,
ist nicht gewiss.

(frei nach einem Lied)



Noch ist die Grenze nach Österreich geschlossen und ich will das Wochenende und allemal gut genuge Wetter erneut zum Bergsteigen nützen. Da ich wenige Tage zuvor bei Oberstdorf war ( *Schattenberggrat, Zeiger und Seeköpfe "integral" ), will ich nicht erneut in die Allgäuer, zudem soll es ein wenig kürzer, dafür aber knackiger sein. Meine Recherche ergibt, dass die Überschreitung der Zahngruppe nahe Oberammergau mir genau das bieten kann. Komplett in Bayern, die Höhenlage moderat, vor den "Zähnen" genug abwechslungsreiches und "leichteres" Gelände zum ggf. Warmlaufen, bissle Kletterei, super!

Am Parkplatz nahe des Friedhofs treffe ich auf ..Ja, was für eine Überraschung! Die kenn ich doch iwoher, diese Gesichter?
Ja, es ist der NikBrueckn und die yuki. "Hi, was macht ihr denn hier?"
Wir kommen ins Gespräch und stellen fest, dass wir dieselbe Idee mit der Überschreitung haben und beschliessen, zwar jeder für sich zu steigen, aber am Grat ein wenig aufeinander Acht zu geben. 

Da  -wie ich erhoffe, und es sich später herausstellt - der komplette Abschnitt nach dem Kofel mit Ausnahme von mir und den Beiden glücklicherweise von Menschenmassen nicht nur verschont, sondern ob der erhöhten technischen Schwierigkeit wenig überraschend verwaist ist, ist mir das im Hinblick auf eine kleine routenwahl- und sicherheitstechnische Rückendeckung durchaus recht.

Auf dem Marxsteig, dessen Abzweig vom Grottenweg lt. Beschreibung a.a.O. eigentlich gut markiert sein soll, steige ich durch steilen Bergwald an einem Felsriegel entlang hinauf. Mehrere Partien von Kletterern sind dort zu Gange.

Die Steilheit bleibt, die Anstrengung tut mir einerseits gut, andererseits beginnt ein anderswo beheimateter Zahn ( in meinem Kiefer) sich mehr und mehr unangenehm bemerkbar zu machen. Gestern abend hatte ich ein superleckeres, knackiges Müsli mit Haselnüssen und mich daran etwas verbissen. Mist! Der fragliche Zahn wackelt gehörig, das Zahnfleisch darunter ist gerötet, tut weh...

Nun, ich bin jetzt HIER und werde mich schon irgendwie durchbeissen, sage ich mir - notfalls habe ich ein paar Tabletten in der Rucksack-Apotheke. Das ist zwar nicht gerade ideal, dann auf schmalem Grat zu balancieren, aber sie sind nicht sehr stark (die Tabletten) und sollten deshalb mein Gleichgewicht und die nötige Konzentration nicht allzusehr stören.

Kurz vor dem Kofel erreiche ich eine hübsche, grasige Verflachung und beschließe, lieber hier zu pausieren. Auf Gedränge am Gipfel stehe ich weniger, aber da der "Normalweg" via Königssteig hier mit dem "Meinen" zusammentrifft, um die fehlenden etwa 50hm mittels einiger Drahtseilversicherungen zum Kofel einbahnstraßenmäßig zu überwinden, wird es die Meter und dort oben sicher voll werden. Ja, es sind schon Viele am Ab- und Aufklettersteigen zu sehen.
Ich halte mich deshalb soweit als möglich fern von den Versicherungen, da dort der Fels weniger abgetreten ist (kaum schwerer, um I)- und halte mich dann auch nur sehr kurz am Kofelgipfel auf.

Abwärts zum Kofelsattel folgt noch eine längere ziemlich zwingende dahtseilversicherte Passage, dann kann ich endlich ab von den Hauptwegen und ins unwegsamere Gelände wechseln. Ich bin bis auf yuki und Nik, die einige Dutzend Meter entfernt stapfen, allein. Über teils dürftige, teils ausgeprägtere Wegspuren geht es schlingschlangig und auch kurz sehr steil hinauf zum Rappenkopfgrat (kurz T5-). Dass der trockene Untergrund trotzdem rutschig sein kann, merke ich an einigen Stellen, wo Nadeln auf stärker abschüssig blankem Boden liegen. Es heisst also für mich, sehr konzentriert zu belasten. Das lenkt mich von meinem AuA-Zahn ab und bald bin ich auf der Grathöhe, die in lustigem Auf- und Ab durch einen teils herrlich mystischen, verwunschenen Märchenwald westwärts zieht.

Nach einem Intermezzo und kurzem Tete a tete beim Hütterl von 'Karl Geisenhof' wird der Grat iwann schmaler, die Wegspuren werden teils spärlich und es beginnt der bergsteigerisch intressantere Abschnitt mit einer leckeren Platte nach dem Brunnberg und bald danach folge ich einer fast unüberschaubaren Vielzahl von über-und umkletterbaren Zähnen. Während sich das Level meiner Zahnschmerzen dank Mittelchen in einem noch erträglichen Rahmen einpendelt, fordern das Auf- und Ab einige lustige Kletterei bis ~T5/I-II. Je nach Ausweichfreudigkeit und Notwendigkeit, an Abbrüchen umzukehren, einen gangbaren Weg zu suchen, oder zu umgehen summiert sich da auch Einiges an hm zusammen. Zum Glück muss ich nicht jede Scharte ansteuern, sondern wir Drei können uns durch Zuruf oder Handbewegungen gegenseitig manche Abschitte und damit etliches Herumsuchen ver- und abkürzen. Dangö!

Spektakulär ist der bekreuzte Zahnturm. Die 3+-Kletterei von der Rückseite sieht machbar und eigentlich die schwierige Stelle recht kurz aus, (wenn das überhaupt der richtige Weg ist?) , aber ich habe keine Kletterschuhe an und müsste das auch wieder ungesichert zurücksteigen. Also lieber nicht.

Mit einer Schleife über einen Zaun, eine Sackgasse und dann etliches Gruschtgelände hinab zum Wanderweg steige ich schließlich von Westen her hinauf zum Letzten von mir anvisierten Zahn, dem Zahn Westgipfel, von dem ich ein klasse Panorama schießen kann.
Tolle Berge rundum, die mir fast alle unbekannt sind, dazu diese Lichtstimmung. Viele neue Gipfelziele tun sich mir auf. Schade, dass ich nicht noch viel länger verweilen kann. Es wird langsam spät und der fast eisige NO-Wind bläst dauernd, am Grat hier mehr als ordentlich. So mache ich mich schweren Herzens an den Rückweg.

Mein Abstieg erfolgt ein Stück auf der letzten Umgehung, dann bald wieder im Wald und leitet besser windgeschützt über teils markierten Weg, teils auf Wegspuren hinab. Schließlich stolpere ich doch reichlich ermattet über den Grottenweg zurück Richtung Ausgangspunkt. An der kleinen Lourdes-Grotte halte ich nochmals inne, verabschiede mich anschließend noch brav von yuki und Nik, dann klingt mein Tag während einer entspannten Rückfahrt aus.

Fazit: Trotz meinen ärgerlichen Zahnschmerzen eine hervorragend lohnende Rundtour mit sehr viel Abwechslung. Im Bereich des Kofel stark frequentiert, danach herrlich einsam. Am Rappenkopfgrat und den Zähnen überwiegend deutliche Trittspuren und auch viel Gehgelände, eingestreut sind wenige Kletterpassagen, die sind meist schrofig, von denen etliche, aber nicht alle eher nördlich umgangen werden können - meist gibt es mehrere Möglichkeiten. Zwingend sind Schwindelfreiheit und Trittsicherheit. Gerne Wieder!


Tourengänger: Nyn


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Kommentare (2)


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Nyn hat gesagt:
Gesendet am 7. Juni 2020 um 00:31
Ich hatte zuerst fälschlich als übergeordnete Regionszuordnung AUT gewählt gehabt. Das habe ich geändert, da ich nicht im AUT-Teil, sondern im D-Teil der Ammergauer Alpen unterwegs war. Danke an winterbaer für den Hinweis!

Frank1972 hat gesagt:
Gesendet am 14. August 2023 um 09:37
Interessantes Zeitdokument zum Corona-Wahnsinn. Wo man im Bericht lieber von "zufällig getroffen" und "beschließen jeder für sich zu steigen" geschrieben hat...


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