Tetto Nuovo


Publiziert von mong , 18. Mai 2020 um 20:15.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum: 6 September 2012
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Pizzo di Claro 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 800 m
Abstieg: 800 m
Strecke:Osogna ➙ Gaggio ➙ Ramaiolo ➙ Balasco ➙ Ciüsareta ➙ Tetto Nuovo
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Osogna
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Osogna
Kartennummer:1293 Osogna

Als ich mich einmal, es war am Morgen früh, vor dem Spiegel rasierte, hörte ich eine Stimme. Sie kam aus der Toilettenschüssel und sagte: "Fahre nach Osogna, du wirst es bereuen!" Weil ich von Natur aus neugierig bin, wollte ich wissen, was ich bereuen würde, packte meine Sachen und fuhr von Schattdorf nach Osogna. In Osogna setzte ich mich auf eine Bank und trank einen kalten 'espresso liscio'. Da hörte ich wieder eine Stimme, sie kam aus dem Kartonbecher, sie sagte: "Gehe nach Monte Alto, du wirst es bereuen!" Also stieg ich hinauf nach Monte Alto. In Monte Alto setzte ich mich ins Gras und ass eine Tomate. Da hörte ich wieder eine Stimme, sie kam aus einem Stein. Die Stimme sagte: "Gehe nach Tetto Nuovo, du wirst es bereuen!" Ich schaute auf der Landeskarte nach, und in der Tat, da war ein Weg eingezeichnet, aber die Weglinie war da und dort unterbrochen. Ich dachte, das kann ja heiter werden und machte mich auf den Weg nach Tetto Nuovo. Ungefähr in der Mitte zwischen Monte Alto und Tetto Nuovo sah ich keinen Weg mehr und blieb stehen. Da hörte ich eine Stimme, sie kam aus meinem linken Schuh, sie fragte:  "Hast du dich verlaufen?" Und bevor ich antworten konnte, sagte die Stimme: "Vergiss Tetto Nuovo! Steige ab nach Osogna, du wirst es bereuen!" Ich sah mich um und glaubte einen Pfad zu sehen, der ins Tal hinunter führte. Nach ein paar Dutzend Höhenmetern Abstieg merkte ich, dass ich einem Wildwechsel auf den Leim gekrochen war. Der Pfad war verschwunden. Ich stieg weiter hinab in das steile, weglose Gelände, mich an Büschen und Stauden und Wurzeln und Steinen und an Nichts festkrallend, auf dem Bauch, auf dem Hintern, auf dem Rücken und auf dem Kopf (das mit dem Kopf ist ein Witz, imfall) und zerkratzte dabei meine Hände und Arme. Ich war von unten bis oben blutverschmiert (okay, das ist übertrieben). Irgendwie schaffte ich es bis auf den Talboden. In Osogna hörte ich wieder eine Stimme, sie kam von einem Blatt, das auf dem Asphalt herumlungerte. Die Stimme sagte: "Gehe in die Osteria da drüben und bestelle ein Mineralwasser, du wirst es bereuen!" Ich sagte nur: "Kaum!". Dann ging ich in die Osteria da drüben und bestellte ein 'boccalino di vino rosso'. Und weil der Wein gut war, bestellte ich kurz darauf ein zweites 'boccalino di vino rosso'. An einem Tisch sass ein Mann. Er schaute auf meine zerkratzten Arme und Hände mit den blutigen Striemen (ich habe eine milde Form von Hämophilie) und fragte mich: warum? weshalb? wieso? woher? wohin? wie lange? Ich erzählte ihm alles. Er war nicht beeindruckt. Im Gegenteil. Er fragte mich nach meiner Lieblingsfarbe. Violett, antwortete ich. Er sagte darauf, das sei zwar eine sehr schöne Farbe, aber er persönlich habe es lieber ein bisschen grüner als violett. Seine Lieblingsfarbe sei lila. Dann sagte er noch, wenn ich einmal in der Nähe von Albat sei, solle ich bei ihm vorbeikommen, er würde mir einen Grappa spendieren. Das liess ich mir nicht zweimal sagen. Albat kannte ich. Dort war ich schon oft. Eine Woche später wanderte ich von Biasca nach Albat hinauf. Auf Albat schaute ich mich um, sah aber niemanden. Also stieg ich wieder hinunter nach Biasca

Von dieser Tour habe ich keine Fotos gefunden. Damals wanderte ich entweder ohne Kamera, oder mit meiner alten Kodak ADVANTIX 1600Auto 23mm 6.6 EXTANAR LENS. Da musste ich die Filme noch im Fotogeschäft entwickeln lassen. Falls ich von dieser Tour Fotos gemacht habe, liegen sie irgendwo in meinem Keller. In meinem Keller hat sich aber über die Jahre hinweg das Chaos eingenistet. Das ist inzwischen ein gefährliches Labyrinth geworden. Da gehe ich nicht mehr hinein. Ich habe Angst
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Dass ich den Weg von Monte Alto nach Tetto Nuovo nicht gefungen hatte, nervte mich. Darum wollte ich es ein paar Jahre später noch einmal versuchen, bevor es soweit kam, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte. Diesmal versuchte ich es von der anderen Seite her, also von Tetto Nuovo nach Monte Alto. In Osogna machte ich mich "frohen Mutes" (wie ein berühmter Dichter aus dem 19. Jahrhundert schrieb) auf den Weg. Kurz vor Balasco, auf einem schmalen Weg, hörte ich plötzlich Motorenlärm, und kurz darauf kreuzte ich einen jungen Mann, der, sehr geschickt auf einem Töff balancierend, ins Tal hinunter raste. Ich grüsste ihn mit der Hand, er mich mit dem Kopf, und schon war er hinter der nächsten Kurve verschwunden. Ich setzte mich neben dem Wegrand auf einen Stein und ass einen Tessiner Salametto und einen Mocken Brot. Ich war gerade beim Dessert angelangt, eine Banane, da hörte ich wieder Motorenlärm. Es war der gleiche junge Mann, der wieder umgekehrt war. Er stoppte neben mir und sagte, er habe weiter oben ein Haus, und er würde mich gerne zu einem Caffè einladen, dann fuhr er weiter. Ich stieg weiter hinauf bis Balasco und kam zu einem wunderschönen Haus mit einem wunderschönen Vorplatz und einem wunderschönen Steintisch. Fabio, so hiess der junge Mann, hatte das Haus mit seiner Freundin zusammen gebaut. Er zeigte mir auch das Innere des Hauses. Ich staunte nur noch. Diese schweren Balken, die Natursteine, der Keller - einfach alles. Vor lauter Staunen habe ich leider vergessen, Fotos davon zu machen. Dann erklärte er mir noch den Weg, und ich verabschiedete mich von diesem talentierten, freundlichen jungen Mann. Ich stieg weiter hinauf, kam an Ciüsareta vorbei und erreichte P. 952. Der Weg von P. 952 nach Tetto Nuovo war einfach zu finden. Aber auf der Strecke zwischen Tetto Nuovo und Monte Alto stand ich plötzlich am Berg. Ich sah keinen Weg mehr, also kehrte ich um und stieg ab nach Osogna und nahm die nächste ÖV-Verbindung zurück nach Schattdorf, wo ich eine Stimme hörte. Die Stimme kam aus einer Flasche Wein und sagte: "Gehe nach...." Aber bevor die Stimme weiter reden konnte, machte ich die Weinflasche zu und ging ins Bett.

Tourengänger: mong


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Kommentare (5)


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rojosuiza hat gesagt:
Gesendet am 18. Mai 2020 um 20:34
Weinflaschen, die reden? - Natürlich bringt mong die leicht zum Schweigen.

Was würde ich wohl tun, wollte mich die Toilettenschüssel anreden?

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. Mai 2020 um 20:40
> Was würde ich wohl tun, wollte mich die Toilettenschüssel anreden?

Zuhören natürlich und den Anweisungen der Stimme Folge leisten. Was den sonst? ;-))

rojosuiza hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. Mai 2020 um 21:03
Chasch tänke!

mong hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Mai 2020 um 12:01
Niederländer geben endlich zu, dass...
/www.der-postillon.com/2018/05/niederlaendisch.html

Haha ;-))

rojosuiza hat gesagt: RE:
Gesendet am 19. Mai 2020 um 14:43
Precies! In Noord en Zuid hetzelfde: die Zwitserse grapjassen toch!


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