Kurzbericht 

Zurück am Ort des Geschehens...


Publiziert von lorenzo , 27. April 2020 um 21:04.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Simmental
Tour Datum:21 März 2020
Ski Schwierigkeit: SS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: Niesenkette   CH-BE 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 1510 m
Abstieg: 1510 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:gebührenpflichtiger Parkplatz (Fr. 6.-) Vordere Fildrich (ca. 1340m)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Kartennummer:LK 1247 Adelboden; Bundesamt für Landestopografie/swissski, 50 Jahre Skitourenkarten, Muri/BE und Wabern 2001

Nach langem Abwägen fasste ich den Entschluss, mich nach meinem Lawinenunfall bei günstigen und sicheren Verhältnissen wieder mit der Schattigi Schibe zu versöhnen und einen Schlusspunkt unter mein Lawinentrauma zu setzen. Diesmal wollte ich aber nicht über die W-Flanke aufsteigen, sondern zuerst der Männliflue einen Besuch abstatten, über deren WSW-Flanke und die S-Flanke auf die Schattigi Schibe gelangen, und erst zuletzt über deren W-Flanke abfahren. Fast genau auf den zweiten Jahrestag schienen - ausser dass wenig Schnee lag - sowohl das Wetter als auch die Schnee- und Lawinensituation für das Vorhaben gut zu passen, und so machte ich mich auf den Weg.

Bei wolkenlosen Null Grad folgte ich zuerst gefrorenen Spuren bis unterhalb Mittelberg und legte dann in unverspurtem Pulver meine Linie entlang der vertrauten Normalroute auf die Männliflue. Bei der Abfahrt über die WSW-Flanke rutschte und schritt ich mit Ski über das obere Couloir und die Querung ab, dafür schwelgte ich darüber und darunter in höchstem Pulvergenuss. Der Testlauf an der Männliflue WSW-Flanke war geglückt, und damit gut vorbereitet war ich jetzt gespannt auf die Fortsetzung in der Schattigi Schibe W-Flanke. 

Nach einem kurzen Wiederaufstieg zur Schattigi Schibe und der Abfahrt entlang dem Gipfelgrat fuhr ich von Süden in die z.T. apere Gipfelflanke. Hervortretende Steine und Felsen liessen sich gut umfahren, und mit berauschenden 
Schwüngen in ebenfalls schönstem Pulver gelangte ich rasch zur Anrisshöhe vom 24.3.2018 auf ca. 2500m  und durch das Zentralcouloir zum Eisabbruch auf ca. 2350m, wo ich damals von der Lawine darüber gespült worden war. Diesmal wollte ich aus eigener Kraft und unverletzt über die Stufe absteigen, und so montierte ich die Steigeisen, band die Ski auf und nahm den Pickel zur Hand. Konzentriert kletterte ich südlich des Abbruchs hinab und überwand unterhalb mit Ski und Pickel noch eine weitere kleine Stufe.

Endlich konnte ich aufatmen! Nun war die Bahn wieder frei, und ich querte mit Ski nach Süden zum Parallelcouloir, wo ich vor zwei Jahren in bestem Trittschnee aufgestiegen war, dessen Flaschenhals jetzt aber auch z.T. aper war und nicht befahrbar gewesen wäre. Trotz einigen Lockerschneezügen gelangte ich problemlos durch das Parallelcouloir und die untere W-Flanke bis ca. 2000m, wo mich damals die Lawine freigegeben hatte. Wieder ein kurzes Innehalten und grosse Dankbarkeit, dass ich damals nur leicht verletzt überlebt hatte und heute unbeschadet bis hierher gelangen durfte. Leichten Herzens und mit schwebenden Schwüngen auf samtweichem Sulz glitt ich dann durch das Chirgeli und zu den ersten Alphütten hinunter. Und "es Lied uf de Lippe" nahm ich die letzten Meter zurück zum Vordere Fildrich unter die Füsse. Das Glücksgefühl, unverletzt wieder beim Parkplatz ankommen zu dürfen, statt von der REGA ins Spital Thun geflogen werden zu müssen, war unbeschreiblich. Nun waren die letzten Dämonen ausgetrieben, ich hatte mich mit der Schattigi Schibe wieder versöhnt und war von ihrem nagenden Fluch befreit!


Männliflue
Aufstieg von S: vom Parkplatz Vordere Fildrich (ca. 1340m) entlang der Alpstrasse bis Steibode (1558m), auf dem Bergweg über den Fildrichbach und nach ENE an der Alp 1721 vorbei zur Brücke 1764. N vom Bach nach E bis ca. 1900m und nach NE und N hinauf ins Obertal. N der Senke nach E und N an P. 2361 vorbei zur S-Flanke. In einer S-Schlaufe über diese und den S-Rücken (bis 40 Grad) auf den Gipfel (2652m), 3-4h, ZS-.

Abfahrt über die WSW-Flanke: über die Gipfelflanke und das obere Couloir (ev. Abrutschen) hinunter zu einem kleinen Absatz (bis 45 Grad). Diagonale Querung (ev. Abrutschen) nach S zum unteren Zentralcouloir und durch dieses und die untere WSW-Flanke (30-35 Grad) zur Mulde ca. 2400m NW P. 2416 , 250Hm, 15-30min, S+.

Schattigi Schibe
Aufstieg über die S-Flanke: von der Mulde ca. 2400m NW P. 2416 über die S-Flanke (Engstelle bis 40 Grad) auf den Gipfel (2598m), 30min, WS+.

Abfahrt: entlang dem Gipfelgrat zum W-Gipfel ca. 2570m (Vorsicht: Wächten). Über die Gipfelflanke und ab ca. 2470m durch das Zentralcouloir (bis 45 Grad) bis vor einen ca. 10m hohen senkrechten Abbruch (Fels bzw. Eisfall) auf ca. 2350m. Zu Fuss auf einem Felsband leicht absteigend nach S, dann über Stufen abkletternd wieder nach N zurück unter den Abbruch (I-II, kombiniert). Kurz mit Ski zu einer weiteren ca. 3m hohen Stufe (vereist), über die ggf. mit Ski und Pickel abgeschritten werden. Darunter Querung nach S zum Parallelcouloir, durch dieses (ca. 45 Grad) bis ca. 2300m und über die untere W-Flanke (bis 40 Grad) zum Flankenfuss bei ca. 2000m, 600Hm. Ausfahrt durch das sanft geneigte Tälchen zum Obers Chrigeli (1712m bzw. 1620m) und entlang der Alpstrasse oder querfeldein über Unders Chirgeli (1441m) zurück, 1h 30min-2h, SS-.

Insgesamt 5h 15min-7h.

Verhältnisse: bei leichter Bise sonnig mit einigen Quellwolken und mild. Mangels Schnee Portage bis nach P. 1390m unterhalb Steibode, kurz nach dem Bach unterhalb Mittelberg und ab ca. 1580m unterhalb Obers Chirgeli. Schnee unterhalb Mittelberg vom Regen hart oder vereist, oberhalb ca. 1800m 5-10cm angezogener oder noch lockerer Pulver auf angefrorener und griffiger Unterlage. In den beiden S-Flanken spontane, in der WSW- und W-Flanke selber ausgelöste harmlose Lockerschneerutsche. Im Chirgeli schöner Sulz oder noch hart bzw. gefroren. Gemäss SLF Stufe 1 für Trocken- und Stufe 2 an Sonnenhängen für Nass- und Gleitschneelawinen. Auf der ganzen Tour begegnete ich keinem Bodenwild.

Material: Helm, Steigeisen und Pickel zusätzlich zu üblicher Skitourenausrüstung.

Fahrplan: 6.30 Start, 10.30 Männliflue, 11 Uhr Schattigi Schibe, 13.15 retour.

Nur bei sicheren Lawinenverhältnissen! Das Chirgeli ist zudem vom 1.11.-31.3. empfohlene Wildruhezone.

Tourengänger: lorenzo


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