Torkofel 2967m und Odla di Valdussa 2942m - Graue Lichtgestalten

Neben Sas Rigais und Gran Furchetta, den beiden prominenten Gestalten der Geislergruppe erheben sich weitere graue Eminenzen. Wer sich ihnen von der Wasserscharte aus nähert, dem leuchten sie ihn verschiedenen Tönen und im Gegensatz zum Sas Rigais werden sie kaum besucht. Der Torkofel ist eine dieser Lichtgestalten in Grau und endlich finde ich Zeit und Gesellschaft für die lange aufgeschobene Tour.
Es begleitet mich eine weitere Lichtgestalt, Menek ist zu Besuch und gemeinsam nehmen wir den Torkofel in Angriff. Von Campill aus ist es ein langer Marsch, aber die gewaltige Landschaft und die traumhaften Wälder um Medalges machen es uns leichter. Wir zockeln an wunderschönen Hütten vorbei, treffen auf allerlei Wildtiere und frischen unsere Freundschaft auf.
Am Dolomitenhöhenweg bekommen wir menschliche Gesellschaft, aber schon zweigen wir wieder ab zur Wasserscharte. Dort bewegen sich nur wenige Wanderer und an der Scharte öffnet sich ein herrlicher Blick auf die unbekannten grauen Eminenzen Torkofel, Kleine Furchetta, Odla di Valdussa und Wasserkofel. Die hohen Wolken tauchen sie in diffuses Licht und heute leuchten sie nur schüchtern. Wir scheuchen eine ganze Horde Schneehühner auf, unsere Kompaktkameras haben Mühe, die Eindrücke zu fokusieren.
Nach dem unsympathischen Abstieg ins Wassertal haben wir noch viele Höhenmeter in Geröll vor uns und an der Forcella La Porta spüren wir den langen Zustieg. Es sind aber nur noch 100 Höhenmeter und Domenico folgt mir mit leichtem Zögern. Es gibt ein paar Steinmänner und Begehungsspuren, mit ein wenig Orientierungssinn finden wir eine Linie zum Vorgipfel. Ein paar Kletterpassagen (I-II) stellen kein Problem dar, aber der Untergrund ist von Schutt übersäht und das rutschige Geläuf ist nicht jedermanns Sache!? Am Vorgipfel hat Domenico genug und verzichtet trotz guten Zuredens auf den Sprung zum Hauptgipfel, das ausgesetzte Schärtchen behagt ihm nicht, auch wenn es klettertechnisch im unteren Zweierbereich bleibt. Im Geiste sieht er wohl schon den Abstieg und den langen Weg zurück!?
Bald sind wir wieder vereint, schleichen uns durch den Schotter hinab zur Torscharte und blicken zur nahen Odla di Valdussa. Auf meinen fragenden Blick antwortet Domenico "Ti seguo!" und so nehmen wir auch diese graue Lichtgestalt mit, wenn wir schonmal hier sind!? Wir folgen dem unschwierigen Geröllsteig zum Gipfel und genießen den herrlichen Blick auf die beiden Furchette. Valeva la pena!
Trotzdem sind wir langsam am Ende unserer Kräfte und schließlich braucht es noch einen langen Abstieg einschließlich 100 Meter hinauf zur Wasserscharte. Endlich sichten wir auch die ersten Gämsen, unsere Augen leuchten und mit letzter Energie quälen wir uns zum Übergang ins Campiller Tal. Wir sind beeindruckt von der grandiosen Umgebung, die Dolomiten strahlen für uns. Den Einkehrschwung zur Medalgesalm lassen wir aus und suchen uns eine Direttissima zurück zum Parkplatz. Aus der Abkürzung wird eine Verlängerung, denn der ehemals markierte Steig ist lange verfallen, nur ein paar angedeutete Spuren führen uns durch das Geröll. Dafür zeigt sich eine ganze Herde Gämsen und wir trotten mit müden Beinen, aber glücklich zum Auto. Mit leerem Blick schaukeln wir zurück und erst nach der Pizza in Reischach beginnen auch wir beiden Gestalten langsam wieder zu leuchten ;-)