Z'üssrischt vam Inners Aletschi


Publiziert von lorenzo , 6. Juli 2019 um 21:11.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:31 März 2019
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: ZS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 8:45
Aufstieg: 2615 m
Abstieg: 2615 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Bettmeralp
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Fusshornbiwak, Biwak auf Driest oder Ze Bächu
Kartennummer:LK 264 S Jungfrau, 1269 Aletschgletscher; D. Anker, R. Schnegg, Skitouren Berner Alpen Ost, SAC 2004

Wie eine unerreichbare Märcheninsel liegt das Inners Aletschi inmitten der drei "reissenden Gletscherströme" von Ober- und Mittelaletschgletscher sowie Grossem Aletschgletscher. Zwischen den Fusshörnern im Westen und dem Kamm der Zenbächenhörner im Osten entfaltet sich seine vielgestaltige Traumlandschaft aus Schafweiden, Geröllfeldern und dem Driest- und Zenbächengletscher, die vom Geissgrat getrennt werden. Kulminationspunkt der drei Grate und der beiden Gletscher ist das unscheinbare, dafür umso stolzere Geisshorn. Während der Zustieg im Sommer und Herbst von der Belalp oder der Oberaletschhütte auf markierten Berg- und Alpinwanderwegen unproblematisch ist, wird im Winter und Frühling mit dem zunehmenden Rückgang des Aletschgletschers inzwischen nur noch der Zugang über dessen spaltenreiche Zunge und Ze Bächu empfohlen.

Seit Jahren träumte ich davon, mit Ski ins gelobte Land des Inners Aletschi zu gelangen und auf das Geisshorn zu steigen. Die verschiedenen Routen sind nicht besonders schwierig, dafür sehr lang, v.a. wenn sie ohne Biwak in einem Tag ab der Rieder- oder Bettmeralp angegangen werden. Aber wie ohne Seilsicherung über den Jordan: sprich den, grosse Spalten aufweisenden Aletschgletscher gelangen? Als ich bereits Ende Januar diese Jahres in einem Bericht zum Geisshorn auf Gipfelbuch las, dass die "Spalten gut zugeschneit" seien, begann ich endlich mit der konkreten Planung und startete schon einen knappen Monat später um 8 Uhr auf der Bettmeralp. Auf Biel angelangt, gewahrte ich zwar Abfahrtsspuren und eine Aufstiegsspur von den Chatzulechern, konnte aber auf dem Spaltenmeer, an dessen Oberfläche sich tiefe Wellentäler abzeichneten, keine Spuren erkennen, so dass ich entmutigt und trotz der Empfehlung eines Pistenpatrouilleurs, als Ausweichtour doch das Bettmerhorn zu versuchen und durch eines seiner SE-Couloirs abzufahren, kehrt machte, auf der Piste zurück nach Bettermalp und von dort nach Hause fuhr.

Schon hatte ich das Geisshorn fast abgeschrieben, als es sich mir bei der Fahrt auf den Simplon Ende März erneut Sehnsucht weckend in Erinnerung rief. Ich telefonierte mit dem Hüttenchef des Fusshornbiwaks, Bergführer Peter Schwitter - der in jungen Jahren die Fusshörner im Alleingang überschritten hatte - und der mir bestätigte, dass der beste Zugang mit Ski zum Fusshornbiwak von den Chatzulechern aus erfolge. Der Aletschgletscher lasse sich in der Regel gut überschreiten, auch hätten kürzlich Leute die Tour schon gemacht, über eine allfällige Seilsicherung müsse man aber vor Ort entscheiden. O
bwohl ich mich sowieso nicht selbst würde sichern können, stimmten mich seine Worte zuversichtlich, zumal ich am nächsten Sonntag, dem 31. März, für den ich den nächsten Versuch plante, mit der Umstellung auf die Sommerzeit eine Stunde gewinnen würde.

Wieder schaute ich von Biel hinunter zum Aletschgletscher, der genau gleich aussah wie vor einem guten Monat, und auf dem ich noch immer keine Spuren erkennen konnte. Dieses Mal gab ich aber nicht auf, sondern fuhr Spuren entlang zum Gletscher hinunter, und siehe da, sie führten über diesen weiter, wohl vom Konkordiaplatz oder dem Mittelaletschgletscher kommend. Zwischen anfänglich tiefen Spalten balancierte ich hindurch, bis der Gletscher in der Mitte ebenmässiger wurde. Von dort musste ich mir dann den weiteren Weg Richtung Ze Bächu wieder selber suchen, da womöglich vorhanden gewesene Spuren vermutlich schon wieder weggeschmolzen waren. Mit etwas mulmigem Gefühl ritt ich wie ein Surfer zwischen Wellenkämmen- und tälern einige Male auf ab, bis ich am "sicheren Ufer" endlich aufatmen konnte. Schon bald traf ich wieder auf eine Spur, die mich über Ze Bächu bis zur Abzweigung zum Fusshornbiwak führte. Für die nächsten 1000Hm bis zum SW-Grat war jetzt konstanter Schub im richtigen Gang, d.h. Rhythmus gefragt. Bis Unnerbäch und zur Lücke ca. 3100m spurte ich z.T. selber, als ich hoch oben auf dem Zenbächengletscher eine 4er-Gruppe im Aufstieg erblickte, die wahrscheinlich vom Fusshornbiwak gestartet war. Trotz ihrer verlockenden Spur hielt ich an meinem Plan fest und stieg nach dem Durchgang durch die Lücke über den Driestgletscher auf, wo ich wieder selber spuren durfte. Von dort aus sah ich Leute, die sich bereits auf dem Gipfel tummelten, was meine Motivation nochmals anstachelte, und nach dem Fussaufstieg über den z.T. gespurten und einfachen SW-Grat stand ich nach rund einer Stunde selber zuoberst: Viertel nach zwei, aber eigentlich ja erst Viertel nach eins...Die anderen waren natürlich inzwischen schon längst über alle Berge, die prächtige Aussicht hatten sie aber zum Glück nicht mitgenommen!

Nach einem lohnenden Abstecher zum Sattelhorn, wo ich fast direkt gegenüber dem überragenden Aletschhorn stand, folgte eine unendlich lange und schöne Abfahrt auf überreifem Sulz über den Zenbächengletscher, Unnerbäch und Ze Bächu hinunter zum Aletschgletscher, wo die Schneeauflage inzwischen aufgeweicht und meine Aufstiegsspur nicht mehr auffindbar war, und ich zudem auch keine frischen Abfahrtsspuren entdecken konnte...Wohin waren wohl die anderen verschwunden? Villeicht hatten sie sich zur Riederfurka davongemacht...Nach einem kurzen Eiertanz bis zur Hauptspur und einem nochmaligen Balanceakt am östlichen Gletscherrand war aber auch diese Hürde geschafft, und der Wiederaufstieg nach Biel nur noch Formsache bzw. vielmehr ein entspannender Ausklang. Nach der Abfahrt über die Piste als ca. Zweitletzter und durch das Dorf, wo mir zwei freundliche Serviertöchter ein Cola über die Gasse verkauften, ohne dass ich die Ski abziehen musste, reichte es gerade nach auf die, mit letzten PistenfahrerInnen gefüllte Gondel um 16.55. Aber überglücklich und zufrieden mit dem gelungenen zweiten Versuch fiel es mir, obwohl eingezwängt wie in eine Sardinenbüchse, 
nicht schwer, mich nach der Rückkehr aus dem Paradies wieder im menschlichen Alltag zurecht zu finden...

Bettmeralp-Biel-Aletschgletscher
Von der Seilbahnstation Bettmeralp (1924m) auf der Dorfstrasse zur Talstation des Blauseelifts, nach N auf der Skipiste zur Talstation von 3 kurzen Skiliften (Läger I u. II, Trainer) und über Chuealpa auf eine erste Anhöhe. Kurze Abfahrt in die Senke W vom Bettmersee (2009m), nach N und NE und in einer S-Schlaufe zwischen Felsriegeln hinauf und weiter nach N auf die vom Bettmerhorn (2647m) hinunter kommende Piste. Über diese in einer Rechtsschlaufe nach Biel (2286m), 45min, 360Hm, WS. Abfahrt nach N zu den Chatzulechern (2010m) und an den E Rand des Aletschgletschers (ca. 1910m) hinunter, 15min, 375Hm, WS-.

Aletschgletscher-Geisshorn-Sattelhorn
Vom E Rand des Aletschgletschers (ca. 1910m) in einem weiten Linksbogen zuerst nach NNW, dann nach W abdrehend (Vorsicht: grosse Querspalten in den beiden Randbereichen und Längspalten im Bereich der Mittelmoräne) zum W-Rand am Fuss einer von P. 2104 herunter kommenden NE-Rinne. Durch diese hinauf nach Ze Bächu (2123m), nach W zum Zusammenfluss der beiden Bäche und entlang dem W Bach und weiter oben zwischen diesem und den Felsen von P. 2705 hinauf nach Unnerbäch. E der Moräne und zuletzt über diese hoch zur Lücke ca. 3100m im Geissgrat. Auf der anderen Seite SW von diesem über den Driestgletscher (Vorsicht: Querspalten) zum Sattel 3581m und zu Fuss über den z.T. felsigen SW-Grat (Schnee, Pfadspuren, Stellen I-II) auf das Geisshorn (3740m), 4h 45min, 1830Hm, WS. Abfahrt über den NE-Grat und die E-Flanke (bis 35 Grad) in den Sattel ca. 3675m, 15min, 65Hm, ZS-, und Wiederaufstieg über die S-Flanke einfach auf das Sattelhorn (3723m), 15min, 50Hm, WS.

Sattelhorn-Aletschgletscher-Biel-Bettmeralp
Abfahrt vom Sattelhorn (3723m) nach SE über den Zenbächengletscher (Vorsicht: Querspalten) bis unter die Lücke ca. 3100m, entlang der Aufstiegsroute über Unner Bäch, Ze Bächu zurück zum W-Rand des Aletschgletschers und über diesen kurz ansteigend und abfahrend an den E-Rand, 1h 15min, 1815Hm, WS. Wiederaufstieg über die Chatzulecher (2010m) nach Biel (2286m), 1h, 375Hm, WS-, und Abfahrt über Piste und Dorfstrasse zurück zur Seilbahnstation Bettmeralp (1924m), 15min, 360Hm, L.

Verhältnisse: bei leichter Bise sonnig und mild. Schnee sonnseitig hart, Harsch oder Sulz, schattseitig Pulver. Alle 3 Gletscher gut eingeschneit. Kurze Tragpassage unter den Felsriegeln über dem Bettmersee, Aufstiegsspuren über den Aletschgletscher bis Abzweigung Fusshornbiwak, auf Unnerbäch, am SW-Grat, auf dem Zenbächengletscher und nach Biel, Abfahrtsspuren von Biel zum Aletschgletscher und vom Geisshorn über den Zenbächengletscher bis hinunter und über den Aletschgletscher.

Material: übliche Skihochtourenausrüstung, ev. etwas flexibles Sicherungsmaterial für den Geisshorn SW-Grat.

Fahrplan: 8 Uhr Start, 8.45 Biel, 9 Uhr Aletschgletscher, 13.45 Geisshorn, 14.15 Sattelhorn, 15 Uhr Aletschgletscher, 16.30 Biel, 16.45 retour.

Tourengänger: lorenzo


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Kommentare (2)


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Alpin_Rise hat gesagt: Chapeau zum Aletsch-Wellenreiten!
Gesendet am 8. Juli 2019 um 11:13
> hätten kürzlich Leute die Tour schon gemacht
In der Tat konnte ich den Traum "Geisshorn mit Ski" diese Saison endlich erfüllen, eine Woche vor deiner Begehung. Das Wellenreiten auf dem Aletschgletscher ist mir eindrücklich in Erinnerung. Wenn man die sommerlichen Schlünde des Hades ebendort erinnert...

> beste Zugang mit Ski zum Fusshornbiwak von den Chatzulechern aus
Kürzer, aber kaum schneller ist offenbar, via Sommerweg ab Belalp aufzusteigen, siehe z'bärg.ch --> aktuell --> 22.-24.3.19. Genaue Kenntnisse der Verhältnisse in der Lochegga sind wohl der Schlüssel.

Deine Variante über den SW-Grat ist sicher die eleganteste, so ergibt sich (mit dem für Konditionsschwache obligaten) Schlenker übers Fusshornbiwak eine "Geisshorn-8". Deine "9" ist als Tagesleistung jedenfalls imposant!

G, Rise

PS: Einen b(r)öckelnden Nachgeschmack hinterliess die Gletscherquerung: Ewig währt das imposante surfen Chazulecher - Bächu
> zwischen Wellenkämmen- und tälern einige Male auf ab
wohl nicht mehr, die düsteren Prognosen der Wissenschaft schleckt keine Geiss weg.
Wer weiss, vielleicht hat die Tour in Zukunft 2000 hm+ Abfahrt? So denn die Geologie gnädig, sprich die Seitenhänge stabil. Alternativ gibts in naher Zukunft einen Lac d'Al-etsch und in ferner vielleicht das Wadi Massa?

lorenzo hat gesagt: RE:Chapeau zum Aletsch-Wellenreiten!
Gesendet am 8. Juli 2019 um 21:42
Hallo Rise

so schlimm wie am Wellenspiel der Aare ist es auf dem Aletschgleschter zum Glück noch nicht...

Die auf www.z'bärg.ch beschriebenen Touren sind sehr verlockend, natürlich auch die Kombination von Gross Fusshorn, Rotstock und Geisshorn.

Den Zustieg von Belalp über Lochegga hatte ich mir auch angeschaut, er scheint aber nur bei absolut sicheren Lawinenverhältnissen oder in aperem Zustand - und ev. mit einem Umweg über die Tällihitta - empfehlenswert zu sein. Da wäre ev. der z.T. eingezeichnete Weg von der Riederfurka nach Driest - abhängig vom Zustand der Moränen und der Gletscherzunge - sogar (noch) geeigneter. Beides müsste man aber vorher abklären bzw. vor Ort prüfen.

Wenn sich der Aletschgletscher, wie von Delta prognostiziert, bis Ende Jahrhundert ca. bis zum Eggishorn zurückzieht, wird man wohl nur noch von der Belalp zum Inners Aletschi gelangen können. Ob 2000+ möglich sein wird, bezweifle ich, die Hänge unter der Moosfluh sind ja schon jetzt instabil und die dortigen Bergwege z.T. gesperrt.

Dafür können wir - bzw. die dann lebenden Generationen - dann villeicht "Am Wellenspiel des Lac d'Aletsch oder des Wadi Massa" anstimmen...

Beste Grüsse

lorenzo




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