Karkopf (2469 m) über Adlerklettersteig und Hohe Munde (2662 m)


Publiziert von Joesti , 21. März 2019 um 11:37.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Wetterstein-Gebirge und Mieminger Kette
Tour Datum:12 Juli 2018
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K4+ (S+)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 15:00
Aufstieg: 2850 m
Abstieg: 2850 m
Strecke:ca. 28 km

Endlich war mal wieder Zeit für eine schöne Solotour. Über den Adlerklettersteig soll es auf den Karkopf gehen. Abstieg über den Normalweg und wenn noch Luft ist, wollte ich die Hochwand noch „mitnehmen“.

In aller Früh noch vor der Dämmerung ging es am Parkplatz Salzbach los durchs Gaistal. Kurz nach passieren der Gaistalalm hält man sich dann links und folgt der Beschilderung Richtung Niedere Munde. Zügig und unproblematisch geht es nun aufwärts bis zur Niederen Munde. Von hier bis zur Abzweigung in den Klettersteig sind es bei leichtem bergab noch etwa 20 Minuten zu gehen. Der Zugang ist ausgeschildert und nicht zu verfehlen. Hier wird es nun wieder steiler und kurz vor den ersten Seilversicherungen zog ich das KS-Set an. Zunächst ist es noch recht einfach, der Anstieg geht durch Latschen in einer Rinne, Nebel waberte noch umher und die morgendliche Kälte dazu verlieh dem Ganzen durchaus etwas Mystisches.

Um halb Sieben stand ich am Klettersteigschild, ich war komplett allein, was nicht verwunderlich war um die Uhrzeit. Aber genau deshalb bin ich so früh los. Ich gebe zu, dass ich einem Klettersteig zur prime time nur wenig abgewinnen kann. Nicht sein eigenes Tempo gehen zu können, da andere hinten auflaufen oder man selbst auf andere aufläuft, stresst mich schnell und nimmt mir dann auch den Spaß am ganzen Unternehmen. Natürlich sprechen Sicherheitsaspekte dafür, so etwas nicht alleine zu machen, es ist halt immer ein Abwägen. Diesen Steig hatte ich nun komplett für mich alleine – traumhaft!

Auf die einzelnen Schwierigkeiten gehe ich nicht weiter ein, da sie doch recht ausführlich und detailliert in diversen KS-und Tourenseiten  beschrieben werden.  Im überwiegenden Teil bewegt man sich jedoch im Schwierigkeitsbereich C/D. Es beginnt gleich knackig über eine Felsrippe. Oben angekommen hörte ich mehrere kleine Steinschläge. Ich hatte ein paar Gämse aufgeschreckt, die sich davon machten. Im weiteren Aufstieg sind einige Platten komplett grifflos, so dass man gar keine Wahl hat, als sich am Seil emporzuziehen. Der Vorteil ist, dass einem schnell warm wird, auch wenn der Berg hier noch im morgendlich kühlen Schatten liegt.

Ich war etwa eine halbe Stunde am Aufsteigen, als eine bogenförmige Wandformation nahezu waagerecht zu durchklettern war. Das Seil hatte an dieser Stelle viel Spielraum, ob hier eine Versicherung ausgebrochen war oder es so gesetzt wurde, weiß ich im Nachhinein nicht mehr genau. Just in dem Moment, als ich dabei war, den Bogen zu klettern, hörte ich ein Geräusch über mir. Und bevor ich überhaupt reagieren konnte, streifte mich etwas am Kopf (bzw. Helm!) und schlug auf meine Schulter. Mir wurden dabei im wahrsten Sinne die Füße weggezogen. Ich konnte mich am Seil festhalten, ohne das KS-Set auszulösen, schlug nun aber ungebremst an die Felswand an. Mich hatte ein Stein erwischt, soviel war klar. Ohne wirklich drüber nachzudenken, sah ich zunächst zu, von der Stelle wegzukommen. Allerdings war es mehr ein wegstolpern als durchdachtes klettern. Ich ratschte mehrmals mit den Beinen am Fels entlang, in einem steilen Aufstieg über einer senkrecht zu übersteigende Platte vergaß ich, den zweiten Karabiner umzustecken und hing  zunächst etwas planlos oberhalb der Platte am Seil, während der Karabiner unterhalb des Felsvorsprungs nicht weitergezogen werden konnte, da ich mit meinem Gewicht im Seil selbst dafür sorgte, dass er verklemmte. Es kostete erhebliche Armkraft, den verkeilten Karabiner frei zu bekommen, ohne wieder abzusteigen. Ich war irgendwie von der Rolle, ob ich nun kopfmässig schlicht etwas benommen war oder einfach nur der Schock des Steinschlags der Grund ist, lässt sich hinterher nicht mehr sagen.  Zumindest kam mir alles nun sehr langwierig und behäbig vor.

Ich kam auf einen kleinen Grasrücken und dachte tatsächlich für einen Moment, ich bin oben angekommen, realisierte dann aber, dass ich etwa auf der Hälfte bin. Konnte auch gar nicht sein, weder das „Auge“ noch die“ gelbe Wand“ habe ich gesehen. Ich war ziemlich erschöpft und am Zweifeln, wie es weitergeht. Weiter hinauf oder Abstieg nach dem Erlebnis. Vom Kraftaufwand nimmt sich beides vermutlich nicht viel, wobei aufwärts klettern eher einfacher ist. Daneben verspürte ich keinen wirklich Drang, erneut an der Steinschlagstelle zu klettern.

Nach kurzer Rast ging es dann auch weiter. Der weitere Aufstieg verlief ohne weitere Zwischenfälle, einige ausgesetzte und anstrengende Abschnitte waren noch zu durchklettern. Hinter dem Auge des Adlers machte ich kurz Rast und nahm mir mal wieder Zeit für ein Foto. Die gelbe Wand empfand ich als vergleichsweise angenehm, man kann sich hier waagerecht fortbewegen, die künstlichen Tritte sind spärlich, aber ausreichend. Ich zählte die SOS-Punkte und fragte mich, wie viele es wohl gibt. Meine Arme waren schon mehrmals vor Anstrengung am Zittern und noch immer kein Ende in Sicht. Es ging nun wieder an einer kaminartigen Formation senkrecht hinauf. Unverhofft landete ich mit meinem Gesicht direkt vor der KS-Tafel! Und dann sah ich auch schon das Gipfelkreuz. Ich war oben.

So wirkliche Freude kam noch nicht auf, mehr eine erschöpfte Leere. In wenigen Gehminuten trottete ich zum Gipfelkreuz und lud erstmal mein Gepäck ab und machte Pause. Was war das denn bitte für ein merkwürdiger Aufstieg? Ich blickte an mir herab, das Knie war aufgeschlagen und die Beine völlig zerschrammt, an der Schulter war ein Druckgefühl zu spüren, aber keine ernsthafte Verletzung. Leider habe ich den Stein überhaupt nicht gesehen. Er war zumindest groß genug, um mir das Gleichgewicht zu nehmen, aber zum Glück nicht so groß, dass die Schulter ernsthaft Schaden nahm. Mit knapp 2 h bin ich doch relativ zügig durch den KS, es kam mir viel länger vor! Unter normalen Umständen hätte ich aber auch viel mehr Fotopausen gemacht! Das Wetter und der Ausblick waren genial und so langsam verzogen sich die dunklen Gedanken. Wozu hat man letztendlich Helm und KS-Set – genau für solche Situationen! Also, Glück gehabt!

Nach ausgiebiger Pause ging es über den Normalweg Richtung Wetterkreuz. Gegen 11 Uhr war ich da, noch immer recht früh. Aber der Anblick der Hochwand konnte mich nicht mehr motivieren, hier aufzusteigen. Ich fühlte mich zu kaputt! Es ging weiter abwärts zur Alplhütte und ein Weizensmoothie löschte den Durst. Im weiteren Aufstieg zur Niederen Munde wurde ich dann wieder fitter. Eigentlich ein guter Beleg, dass mehr der Kopf als die Beine heut Morgen ein down hatten. Oben an der Niederen Munde angekommen überlegte ich gar nicht lange, sondern Bog gleich gen Westen ab zur Hohen Munde. Jetzt bin ich schon hier, da kann ich die noch mitnehmen. Die Überquerung hatte ich bereits  schon Mal beschrieben, deshalb gehe ich hier nicht mehr ausführlich darauf ein. Am Einstieg ins Rauhe Tal zog ich wieder mein KS-Set über. Eine gewisse Faulheit übermannte mich zuvor, aber andererseits wäre es wohl ziemlich peinlich, wenn mir hier was passiert, die Bergwacht ausrücken muss und mein KS-Set im Rucksack liegt....

Am Gipfelkreuz des Westgipfels verharrte ich nur kurz, es zog sich langsam zu und außerdem neigten sich meine Trinkvorräte dem Ende. Aber hier oben liegen eigentlich ganzjährig Schneefelder. Im Überstieg zum Westgipfel füllte ich zwei Flaschen mit sauberem Schnee. Eine kam in den Rucksack, eine in die Hosentasche – die Körperwärme sorgte fürs Auftauen.

Der Abstieg vom Ostgipfel war wieder beschwerlich! Eine Mischung aus Geröll, durchfurchtem Rasen und ein paar blanken Steinabschnitten machen ihn so unangenehm. Man kommt nicht wirklich in einen Gehrythmus, da man auch immer wieder rutscht. Ab erreichen der Latschen wird es angenehmer, da hier auch wieder fester Fels unter die Füsse kommt. Gegen 19 Uhr kam ich an die Rauthütte, stieg aber gleich weiter Richtung Salzbachparkplatz.

Gegen 20 Uhr war ich am Ausgangspunkt am Parkplatz und eine merkwürdige Tour ging zu Ende.  

Tourengänger: Joesti


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