Zuestoll - Chico Mendez (7a)
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Chico Mendez ist eine moderne, alpine Sportklettertour durch die eindrücklich steile Zuestoll-Südwand: perfekter Fels, viel Luft unter den Füssen, eine Rotpunkt-Begehung und dazu auch noch wunderschönes Wetter sorgten für einen perfekten Tag.
Die Vorgeschichte - erster Akt
Meine erste Begehung von Chico Mendez datiert zurück auf den 31. Mai 1996. Sie erfolgte am Seil meines routinierten Kollegen Christoph. Der Anspruch der Route war damals eher etwas zu hoch für mich, kaum eine Seillänge konnte ich stilrein nachsteigen. Dennoch, mit viel Willen und der einen oder anderen Expressschlinge als Griff erreichte ich den Gipfel. Ich war beeindruckt von der Steilheit der Wand, von deren Kompaktheit und auch der Tatsache, dass man auf diesem Niveau frei klettern kann. Diese Begehung war für mich der Ansporn, noch regelmässiger zu klettern, und mein Kletterniveau ernsthaft steigern zu wollen.
Die Vorgeschichte - zweiter Akt
Meine zweite Begehung von Chico Mendez fand am 10. Mai 1998 erneut mit Christoph statt. Er hatte im ersten Versuch 1996 bis auf die Schlüsselstelle bereits alle Seillängen rotpunkt bzw. onsight geklettert. Dieses Manko wollte er ausmerzen und ich stellte mich, erneut als Nachsteiger, gerne zur Verfügung. Es war nämlich auch ein Test für mich selbst: dieses Mal bewältigte ich die Tour schon in deutlich saubererem Stil und konnte das meiste frei klettern. Immer noch war ich aber froh, als Seilzweiter unterwegs sein zu können.
Die Vorgeschichte - dritter Akt
Etliche Jahre kamen und gingen, ich war nicht untätig: viele tolle alpine Sportklettertouren konnte ich realisieren und es gelang mir in diesem Zeitraum auch, sämtliche sieben Churfirsten-Südwände zu durchsteigen. Nebst vielen weiteren Ideen blieb aber ein Projekt offen: Chico Mendez, eine meiner ersten Extremtouren, einmal noch komplett im Vorstieg zu machen.
Meine Frau war ob meinen Schilderungen längst dem Reiz der Zuestoll-Südwand generell und dieser Route speziell erlegen und nachdem ich mich auf einem Gleitschirmflug vom Zürcher Oberland nach Davos am Mittwoch zuvor selbst von passenden Verhältnissen hatte überzeugen können, war der Plan gemacht: Chico Mendez, third go.
Anfahrt, Zustieg und Logistik
Obwohl ich den Zuestoll bisher immer von Süden (Walenstadtberg/Schrina) angegangen war, wählten wir dieses Mal den kürzeren und bequemeren Zustieg von Norden. Per PW, 10 CHF Taxe bezahlend, erreicht man den Alpstall bei Langlitten (1580m). Obwohl die Zufahrt ganzjährig erlaubt ist, sollte man während der Alpzeit (Juni-September) unten an der "Hauptstrasse" bei Schribersboden P.1534 parkieren!
Am Ausgangspunkt dann der Schuhpoker: Turnschuhe, Bergschuhe oder sogar noch die Schneeschuhe mitnehmen? Vom Gleitschirm aus war klar geworden, dass noch Schnee liegt, die Schlüsselstellen aber bereits aper sind. Wir entschieden uns (auch im Nachhinein korrekterweise) für die Turnschuhe, welche wir durch die Wand mitzunehmen planten, um danach zu Fuss über den Zuestoll-Rücken abzusteigen.
Um 9.05 Uhr starten wir, auf dem Bergweg geht es hoch Richtung Rüggli, wobei wir schon bald auf die ersten Altschneefelder trafen. Diese waren aber kompakt und griffig, d.h. gut mit den Turnschuhen zu bewältigen. Zum Rüggli hinauf dann erst etwas steilerer Schnee und einige leichte Felsen (T3 oder sogar T4?). Dort angekommen, zogen wir die Kletterausrüstung an, packten einen leichten Rucksack und deponierten den zweiten.
Dann weiter, über Wegspuren, ein grosses Schneefeld und zuletzt erneut Wegspuren zur Palisnideri. Dort liegt immer noch ein eindrücklich grosser Schneemocken, der Übergang von/nach Süden ist aber machbar. Von der Palisnideri folgt die luftige, horizontale Querung in die Südwand hinein. Das Gelände verzeiht hier absolut keine Fehler. Mindestens alle 50m steckt jedoch ein Bohrhaken und die schwierigsten Kletterstellen sind mit Drahtseilen abgesichert. Mit all diesen Hilfsmitteln und bei Trockenheit ist dieser Zugang wohl als T5 zu werten. Ohne Drahtseilbenützung müsste eine kurze Stelle im Grad 4b bewältigt werden. Um ca. 10.50 Uhr steigen wir schliesslich in die Tour ein.
Beschreibung der einzelnen Seillängen
SL 1: Zuerst muss der 40m hohe, vorgelagerte Pfeiler erklettert werden. Offiziell mit 3b bewertet, T6 wäre wohl auch passend, da etwas grasig und nicht überall zuverlässiger Fels. Zur Absicherung ist auch nur gerade 1 NH und 1 BH vorhanden. Am Stand nach SL 1 verzweigen sich die meisten Südwandrouten.
SL 2: Mit der gemütlichen Einstimmung ist es nun abrupt vorbei. Ohne Kompromisse, gerade hoch durch erstklassigen, grauen und kompakten Fels zieht Chico Mendez. Nach einem NH, einer Sanduhr und einem ersten BH folgt bereits eine der Schlüsselstellen der ganzen Route. An feinen Seitgriffen und auf schlechten Reibungstritten gilt es sich, 2-3m über der letzten Sicherung, aufzurichten und dann nochmals 2-3m zum nächsten BH weiterzuklettern. Vergleicht man mit dem Rest der Route, so "fehlt" hier eindeutig ein BH, ausgerechnet an der Crux von SL 1. Zudem ist die offizielle Bewertung von 6a+ auch sehr hart, 6b ist hier mindestens passend. Auch der Rest der SL ist nicht viel einfacher, aber sehr schön und genussvoll. Unbequemer Stand nach etwa 30 Klettermetern.
SL 3: Vom Stand weg arbeitet man sich in steilem Gelände erst an Unter- und Seitgriffen höher, die Füsse sind stets auf mässigen Reibungstritten. Am Übergang, wo sich die Wand etwas zurücklegt, folgt die Crux: von Untergriffen wird ein Seitgriff gekrallt, plattig und hoch antreten, zu slopriger Leiste hochgreifen und mit Hilfe eines weiteren Seitgriffs auflösen, die offizielle Bewertung von 6c passt hier, zudem optimale Absicherung. Dann wird es für einige Meter etwas einfacher, doch die SL ist noch nicht gegessen. Es gilt nämlich, sich mit komplexen Bewegungen in einer kleinen Verschneidung zu etablieren und diese danach an Seit- und Untergriffen, nach rechts auf die Platte zu verlassen (6b/6b+). Dann zu gutem Stand nach erneut 30 Klettermetern.
SL 4: Die schwierigste Stelle dieser SL folgt gleich zu Beginn: an runden Griffen muss ein erster Wulst überwunden werden. Dies ist etwas heikel, da der erste BH sich etwa 5m über dem Stand befindet und bei einem Sturz potentiell die Sicherungsperson weggekegelt wird. Danach wunderhübsche, steile und gutgriffige Kletterei, gewürzt mit einer weiteren Knacknuss unmittelbar beim vierten Bolt. Als Bewertung ist hier sicher auch 6a+, vs. dem offiziellen 6a, zu veranschlagen, nach 30 Klettermetern erreicht man einen bequemen Stand auf einem Querband.
SL 5: Bouldrig gilt es gleich nach dem Stand das Überhänglein zu überwinden, hier ist wohl auch mehr Kraft gefordert, als dies in einem (wie offiziell angegebenen) 6a üblicherweise der Fall ist, deshalb auch hier eher 6a+. Danach in einfacherer, aber sehr schöner Kletterei schon nach 20 Klettermetern zu Stand auf dem nächsten Querband.
SL 6: Und nun folgt sie, ganz sicher eine der allerbesten Seillängen zwischen Walensee und Toggenburg. Auf den nächsten 35m wird eine leicht überhängende, kompakte, graue Mauer überwunden, die von unten beinahe unmöglich scheint. Die Kletterei fast durchwegs an kleinen Kratzern und auf Reibungstritten, dennoch ist auch Athletik gefordert. Hauptsächlich aber ist es eine technisch komplexe Bewegungsaufgabe, sich an den abschüssigen Strukturen immer korrekt zu positionieren und an Höhe zu gewinnen. Die Absicherung hier ist mit 9 BH auf 35m gut, es muss aber bei anhaltenden Schwierigkeiten mit den Füssen stets etwa 2m über den letzten BH gestiegen werden, bis der nächste Karabiner einschnappt. Insbesondere bewältigt man auch die Crux dieser SL, wenn die Füsse bereits auf Hakenhöhe sind. Noch zur Bewertung: 6b+ und sicher nicht leichter ist diese Traumseillänge auf jeden Fall.
SL 7: Nach oben ist der Weg durch ausladende Überhänge versperrt. Über eine sehr luftige Platte quert Chico Mendez deshalb nach rechts, wobei zuerst Fingerkraft und zuletzt technisch anspruchsvolle Moves (6b) gefragt sind, bevor der Schüttelpunkt zu Beginn der Schlüsselstelle (7a) erreicht wird. Diese ist mit 3 BH in kurzen Abständen gesichert, welche wohl meist auch zur Fortbewegung benützt werden. Auch ich machte bei meinen zwei bisherigen Begehungen jeweils gerne davon Gebrauch.
Doch heute geht's besser: mit rechts eine rundliche Vertiefung fassen und den Körper hochschieben, stabilisieren, links ein kleines Zäcklein fassen und schon kann der zweite der drei BH geklinkt werden. Nun rechts einen sehr schlechten Untergriffknubbel fassen, mit den Füssen auf beinahe inexistenten Dellen anlaufen, mit links einen glatten Aufleger pressen um rechts, weit aussen einen etwas besseren Schlitz zu fassen. Diesen blockieren, die Füsse umsortieren und den letzten BH klippen. Aus etwas instabiler Position streckt man sich und erreicht mit links das rettende Leistlein. Rasch sind die letzten 5 einfacheren Meter zum Stand bewältigt. 25m, den offiziellen Grad von 7a finde ich korrekt.
SL 8: Als nächstes folgt eine 6a-Verschneidung, die auf gut 30 Klettermetern nur mit 2 BH garniert ist. Hier muss also selbst abgesichert werden, was aber sowohl mit Klemmkeilen wie mit Friends reichlich und sehr gut möglich ist. Ich plaziere 3 Camalots und erreiche stemmend und piazend den bequemen Stand.
SL 9: Wir sind auf der Zielgeraden, die letzte 5c-SL bietet aber nochmals ein Highlight: vom Stand weg gerade hoch zu einem ersten, lottrig-unzuverlässigen NH. Etwas rechts auf gleicher Höhe aber eine gute Möglichkeit für einen Camalot 0.75. Nach einem BH erfolgt der Übergang von grauem Kalk zu braunem Sandstein. Die letzten 20m sind sehr steil, jedoch mit unzähligen Henkeln garniert, so dass hier mühelos an Höhe gewonnen wird. Nach 2 weiteren BH zu Stand etwa 10m unter dem Gipfel, welcher von dort über Steilgras (T5) erreicht wird.
Chillout und Abstieg
Um etwa 17.00 Uhr sind wir beide auf dem Gipfel. Kein Mensch weit und breit, strahlende Sonne, angenehme Wärme und fantastisches Panorama. Insbesondere ist das weiche, moosige und schon kühle Gras eine wahre Wohltat für die während Stunden in den engen Kletterfinken geschundenen Füsse. Über eine Stunde geniessen wir die Ambiance, baden in der Sonne und lesen im Gipfelbuch. Weit im Süden, etwa über dem Gotthardmassiv, ist eine eindrückliche Gewitterwolke mit Amboss sichtbar. Sie wird uns aber nicht wehtun.
Nach 18.00 Uhr nehmen wir den Abstieg über den rot-weiss-rot markierten Bergweg unter die Füsse (T3). In der Abendsonne ist dieser landschaftlich sehr schön. Gleich unter dem Gipfel eine Steilstufe mit Drahtseilen, diese sind aber teilweise unzuverlässig verankert. Komplett schneefrei retour zum Rüggli, von dort dann rassig die Schneefelder abrutschend in etwa 45 Minuten retour zum Auto. Dies ist sicher der schnellste Weg retour ins Toggenburg, ein Abseilen über die Tour oder die Westwand dauert insgesamt bestimmt deutlich länger.
In Unterwasser wird dann der knurrende Magen mit essbarem versorgt, mit (alkoholfreiem!) Getränk auf die erfolgreiche Rotpunktbegehung angestossen und der laue Sommerabend genossen.
Fazit und Materialempfehlung
Im Bericht wird es ja schon klar: Chico Mendez ist eine fantastische Route, die einem Vergleich zum Mekka Wendenstöcke auf jeden Fall standhalten kann. Die Absicherung ist mit Ausnahme der beiden Stellen zu Beginn der 2. und 4. SL durchgehend gut, auch wenn zwischen den Haken nichttrivial geklettert werden muss.
In den SL 1-7 kann kein zusätzliches Sicherungsmaterial eingesetzt werden. Für die SL 8 ist ein kleines Set BD Camalots (0.4, 0.5, 0.75, evtl. 1) ausreichend. Klemmkeile könnten dort auch gut eingesetzt werden. Mit 12 Expressschlingen ist man ausreichend ausgerüstet.
Ein gutes und genaues Routentopo findet man im SAC-Kletterführer Churfirsten-Alvierkette-Fläscherberg. Ebenfalls sehr gut, und frei verfügbar ist diese Skizze, welche fast alle Routen durch die Zuestoll-Südwand enthält. Chico Mendez ist Route Nr. 7.
Übersicht über die Südwandrouten am Zuestoll
Nachfolgend die nach Anspruch geordnete Hitliste und Kurzzusammenfassung der Touren, welche ich in der Zuestoll-Südwand bisher begehen konnte. Die Schönheits- (min. 1 bis max. 5 *) und Absicherungsbewertung (min. 1 bis max. 5 x) orientiert sich nach der Skala des Kletterführers Schweiz Extrem.

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