Piz Sesvenna


Publiziert von schimi , 28. Oktober 2018 um 22:36.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:30 Juni 2018
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS-
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Sesvenna-Gruppe   CH-GR   I   Lischana Gruppe 

29.6.2018
Morgen möchten wir mit einem örtlichen Bergführer auf den Piz Sesvenna steigen. Jetzt ist es Nachmittag, gerade kommen wir herunter vom Piz Rassas und hatten einen schönen Tag. Noch aber haben wir weder einen Namen noch eine Abmarschzeit vom Bergführerbüro erhalten. Hoffentlich klappt das noch, denke ich. Ich habe lediglich eine E-Mail, dass sie sich kurzfristig noch melden werden. Die machen es aber spannend!

Immer wieder verlasse ich die Hütte und gehe hinüber zum Materiallift. Einige Meter davor ist eine hübsche Holzterrasse mit styroporgefüllten Säcken, darauf kann man tagsüber die Sonne genießen. Hier ist auch der Empfang am besten, die Terrasse heißt bei uns Internetcafé.

Dann kurz vor dem Abendessen endlich eine Nachricht. Der Bergführer hätte kurzfristig abgesagt und das Büro musste erst einen neuen suchen. Robert Ciatti soll uns morgen führen. Ich rufe ihn gleich an und wir vereinbaren 6.30 Uhr als Abmarschzeit. Es scheint also doch noch zu klappen...


30.6.2018
Punkt sechs Uhr steht ein braungebrannter drahtiger Südtiroler vor der Hütte. Robert ist uns sofort sympathisch. Wir bitten ihn zum Frühstück und gleich sind wir angetan von seiner unaufgeregten und entspannten Art. So etwa kurz nach halb sieben brechen wir auf. Die Sonne scheint und Robert startet mit dem Tempo des erfahrenen Bergführers.

Langsam und stetig steigen wir den gepflegten Bergweg in westliche Richtung. Wir plaudern miteinander und wechseln auch immer in der Führung. Bisweilen geht Robert hinten. Er beobachtet seine Gäste, da bin ich mir sicher. Und ehe man an der ersten schwierigen Stelle ankommt, da weiß er schon, wer mehr und wer weniger Unterstützung benötigen könnte.

Die erste interessante Stelle kommt schnell. Knapp oberhalb 2500 Meter führt uns der Weg in eine engere Steilstufe. Dort liegt noch jede Menge Restschnee, wahrscheinlich auch der Rest von Lawinen. Den Schmelzbach unter dem Schnee hört man gut. Mit gebotener Vorsicht überqueren wir den Schnee und kommen auf einen steilen Schotteranstieg, der aber gut zu gehen ist. Im Sand rutschen wir bisweilen etwas zurück, der Schotter ist aber so reichlich vorhanden, dass man jederzeit festen Halt im Untergrund findet.

Am Furkelsee muss man innehalten! So schön liegt er hier in einer weiten Senke. Kaum ein Lufthauch kräuselt heute die Oberfläche. Besonders der Blick zum Föllakopf begeistert uns. Nach einer kleinen Rast steigen wir weiter. Es geht nun eher flach hinauf in die Sesvennascharte. Auch hier muss man erst einmal schauen! Denn jetzt erst sehen wir unser Tagesziel, den Piz Sesvenna in seiner ganzen Schönheit.

Wir wählen nicht die übliche Wegspur, die hier gleich links weg ins Gelände führt. Robert schlägt vor, hier nun weglos direkt in die Senke zu gehen, weil das Gelände weicher, also gehfreundlicher sei. Das war sicher ein guter Plan. Denn der Normalweg führt zunächst zwar ohne nennenswerten Höhenverlust weiter, aber es geht über grobes Gestein, und am Ende muss man dann doch hinunter in die Gletschersenke um den Anstieg im Gletscher zu beginnen.

Wir erreichen den Gletscher am tiefsten Punkt auf etwa 2750 Metern, also nur mit etwa 70 Metern Höhenverlust zur vorangegangenen Sesvennascharte. Wir betreten den Gletscher noch ohne Seil und Steigeisen ganz rechts und steigen im Zickzack empor wie auf einem Schneefeld. Die weiche Schneeauflage auf dem Gletscher erlaubt uns dies ohne weiteres. So bewältigen wir das erste steilere Stück des Gletschers spielend und versammeln uns rechterhand auf einem flachen Felsblock um uns anzuseilen.

Die angeblich große Steilheit, die uns in manchen Internetberichten zuvor Respekt eingeflöst hat, entpuppte sich hier also wirklich als nur durchschnittlich steil. Mögen es vielleicht 35 Grad Steilheit sein, mehr sicher aber nicht. Wir haben es nicht gemessen, aber selbst wir Flachlandtiroler hatten hier seilfrei keinerlei bange Minuten.

Nun folgt im Mittelteil des Gletschers eine längere flache Passage, die zum Ende ein klein wenig aufsteilt. Easy going, denken wir. Aber es kommt doch ein klein wenig anders. Die Oberfläche des Gletschers ist extrem ungleichmäßig und es ist sehr mühsam darauf zu gehen. Ein frisch gepflügter Acker ist dagegen glatt wie eine Babypopo denke ich. Wir arbeiten uns über den weißen Rübenacker hinauf bis in die Scharte, wo sich dann aber ein herrlicher Blick nach Süden eröffnet, der für die Mühsal entschädigt.

Rucksackdepot und eine kleine Pause; dann ohne die Steigeisen weiter in den Fels. Die rot-weißen Markierungen weisen in reichlicher Anzahl in Richtung Gipfel. Zunächst gleich steil hinauf auf einen hohen Felsen. Damit hat man auch schon eine der schwierigeren Stelle bewältigt (nun ja, schwierig für Wanderer nicht für Bergsteiger, also eher I+ als II- so genau wissen wir das nicht).

Blockwerk – ein sehr dehnbarer Begriff. Mal gehen die Blöcke bis ans Knie, mal sind sie übermenschlich groß. All das ist Blockwerk, wobei wir hier am Sesvenna überwiegend mit der großen Form von Blockwerk konfrontiert sind. Nicht schwierig, wenn man ein klein wenig klettergewand ist, oft gibt es mehrere Möglichkeiten, man kann mal rechts- oder linksrum am Ende ist es meist egal. Zur Not auch mal beide Seiten des Felsklotzes anschauen... Ein paar Stellen sind ein klein wenig ausgesetzt, das macht aber auch die Würze des Aufstiegs aus.

Die Größe des Blockwerks macht dann aber auch den Vorteil aus. Kaum einmal ein lockerer Stein, alles sieht sehr solide verkeilt aus, da fühlt man sich doch sehr wohl und sicher. Das haben wir auch schon anders erlebt; damals auf dem Piz Kesch, ich glaube ich schrieb danach vom Bröselberg.

Wir kommen gut oben an und das Wetter ist prächtig. Sonne mit einigen Wolken und fast kein Windhauch, leider etwas zu diesig für gute Fotos. Aber sehen kann man heute alles! Ortler, Bernina, Piz Kesch und Piz Linard. Watzespitz und Glockturm, dann die Weißkugel, Hintere Schwärze und Similaun. Selbst die Marmolada in den Dolomiten ist noch als Hauch durch den Dunst zu erkennen.

Ja, und dann kommt der Moment, an dem man solch einen schönen Platz wieder verlassen muss. Wir haben wieder die anregende kurze "Turnstunde" über die Felsen vor uns, bevor wir unsere Rucksäcke erreichen. Zuletzt, der große Felsklotz, den wir als erstes bestiegen haben, erweist sich von oben kommend als "künstliche Schikane". Man kann den Klotz locker und ohne jegliche Kletterei links umgehen. Also, wer es einfach liebt, im Aufstieg rechts um den Klotz herum und dann zur Wegmarkierung wieder links aufwärts haltend, so spart man das Schwierigste aus.

Der Gletscher ist nun im Abstieg deutlich leichter zu gehen. Er ist angetaut und die weich gewordenen Unebenheiten kann man von oben kommend nun leicht platt treten. Dafür brauchen wir im unteren Teil nun fast schon eine Badekappe so viel Wasser läuft in Bächen über den langsam sterbenden Gletscher. Mit klatschnassen Socken komme ich unten an. Eben hat sich bei mir der Beschluss verfestigt, dass die alten Stiefel nur noch für trockene Wanderungen benutzt werden. Dichte Schuhe kaufen ist mein nächstes "Projekt".

Der Gegenanstieg zur Sesvennascharte ist jetzt echt lästig. Die Sonne knallt uns auf die Köpfe, dabei haben wir unser UV-Konto für heute längst überstrapaziert. Dazu gibt es kein bisschen Frischluft in Form eines Windes von irgendwo her. Die Trinkflascheninhalte sind auch schon im Reservebetrieb. Wir sehnen, während des eigentlich lächerlich kurzen Aufstiegs die Scharte herbei. So verdammt lang können 70 Höhenmeter sein!

Als wir oben sind, ein kurzes Durchatmen. Dann hinab zum Furkelsee, der Fotografentraum!
Der Rest bis hinab zur Sesvennahütte ist bekannt, aber trotz allem landschaftlich erste Sahne! Wieder an der Hütte angekommen verabschieden wir unseren Robert, mit dem wir sehr gerne wieder unterwegs sein werden, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Tourengänger: schimi


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