Rote Flüh-Südwestwand


Publiziert von quacamozza , 9. Oktober 2017 um 19:24.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:23 September 2017
Wandern Schwierigkeit: T3 - anspruchsvolles Bergwandern
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 960 m
Strecke:P Materialseilbahn Gimpelhaus-Gimpelhaus-Rote Flüh-Judenscharte-Gimpelhaus-P Materialseilbahn Gimpelhaus (7 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 5 1:25 000 Tannheimer Berge Köllenspitze, Gaishorn

Anspruchsvolle, höher gelegene Bergtouren sind seit dem massiven Wintereinbruch nicht mehr ohne erhebliches Risiko durchführbar. Selbst die ursprünglich vorgesehene Tour in den nicht allzu hohen Ammergauern müssen wir wegen der heiklen Schneeauflage verschieben.

Klettern in den Tannheimer Südwänden kann man allerdings fast immer. Daher ist es kein Wunder, wenn sich hier am Wochenende das halbe Allgäu versammelt. Neben der Parkplatzproblematik ist dann auch Steinschlaggefahr ein Thema, insbesondere in den wenigen leichteren Routen, also die IV und V er-Routen). Wenigstens ist heute mal stabiles Bergwetter. 

Mehrere Seilschaften steigen durch die Alte Südwand der Roten Flüh, eine Tour, die neben einigen netten Kletterstellen auch viele Geröllabschnitte besitzt.

Die Südwestwand ist ebenfalls ein Klassiker, 1919 erstbegangen und vielen durch den Seilschaftsabsturz vom März 1997 in Erinnerung, als mutmaßlich ein Standhaken brach, woraufhin eine große Sanierungswelle in Gang gesetzt wurde.
Die Route ist eine nach wie vor beliebte Klettertour, die im Vergleich zur Alten Südwand allerdings deutlich schwieriger ist. In alten Führern werden zwar beide mit IV bewertet. In den 7 Seillängen der Südwestwand warten allerdings kurze Fünfer und mehrere längere Abschnitte zwischen IV und V. Zwischendurch gibt es kaum mal leichtere Passagen zum Auslockern. Es geht meist sehr steil in Wänden und Verschneidungen oder auf plattigen Querungen nach oben. Das Ganze lässt sich dann nochmals anspruchsvoller gestalten, wenn man, wie wir, den Direkteinstieg wählt und in Bergschuhen klettert. Insgesamt hatte ich mir den Weg weniger schwierig vorgestellt.


Die Route ist gut, aber nicht komplett abgesichert. Standhaken (AV-Ringhaken) sind zwar vorhanden, doch einige Zwischensicherungen müssen selber gelegt werden. 



Zur Schwierigkeit:

V/A 1 (frei VII), eine Stelle V, Direkteinstieg V, meist IV+ und IV, selten leichter
Gipfelwand: 1 SL IV- und II 



Zum Zeitbedarf:

Zustieg zum Wandfuß: 1 Std 15 min
Kletterzeit: ca. 3 Std
Abstieg: 1 Std 30 min



Ein gutes Topo findet sich auf klettern-allgaeu.de www.klettern-allgaeu.de/rote-flueh-suedverschneidung, auch wenn dort die Tour fehlerhaft als "Südverschneidung" bezeichnet wird.

Los geht's links neben der Gedenktafel mit dem Zustieg über den südwestlichen Vorbau zum ersten SH: 30 Meter, T 5 und I-II

1.SL (anfangs V-, dann IV und III, 40m): Vom SH kurz nach links und dann die steile Verschneidung hoch (ohne Benutzung der linken Seitenwand V+) und weiter gerade hinauf.

2.SL (IV+, 25m): Durch den steilen Kamin aufwärts bis in eine Nische unter einem Überhang.

3.SL (V und IV, 30m): Über die abgespeckte Platte (evtl. an rechter Wand abstützen, finde ich persönlich einen Tick leichter) und die steile Verschneidung. Oben über die Kante zu einer sehr ausgesetzten Plattenquerung mit Hangelgriffen (III-IV), die schwerer aussieht als sie ist. An deren Ende einige Meter rechts hinauf auf ein breites Band mit zwei Sanduhrschlingen. Standplatz ist an der zweiten Schlinge, wo sich auch ein Standhaken befindet.  

4.SL (V/A 1 oder VII, 20m): Kurz auf dem Band weiter zur überhängenden Stufe. Über diese sehr anstrengend mit Trittschlingen oder Trittleiter hinauf. Weiter schräg rechts zum Stand. Da diese SL sehr kurz ist, kann gleich die 5.SL angehängt werden.

5.SL (III+, 30m): Auf ein ausgesetztes Band nach rechts queren (eine Stelle III+ am Übergang), dann in leichterem Gelände (III-) weiter zum SH.  

6.SL (IV+, 30m): Über die pfeilerartige Rampe sehr steil aufwärts. Rechts an der Kante ist es anfangs etwas leichter als über die Platten.

7.SL (IV+, 30m): Über die senkrechten Absätze gerade hoch. Sobald es stufig wird, kurz nach links zum letzten Standplatz am Ausstieg. 

8.SL Gipfelwand (IV- und II, 40m, muss selber abgesichert werden): Vom Ausstieg an die gegenüberliegende Seite und über brüchige Stufen (II) zu einem steilen Aufschwung. Über eine Stufe und einen senkrechten Kamin zum Ausstieg. Weiter über den Wanderweg zum nahen Gipfel. 

Auf dem Normalweg taut gerade der Schnee ab. So ist der normalerweise leichte Weg eine ganz schön schmierige Angelegenheit. 


Tourengänger: Stefan, Babsi, Ulf

Tourengänger: quacamozza


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Kommentare (2)


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montanus hat gesagt: Nachtrag
Gesendet am 13. Mai 2019 um 17:54
Ursächlich für den Absturz war die Tatsache, dass die Seilschaft einen Zwischenhaken als Standhaken verwendete und der Seilerste in der folgenden Seillänge stürzte.
Übrigens, wir sind in den 60er-Jahren mit steigeisenfesten Schuhen diese Tour (und all die anderen, wesentlich schwierigeren Anstiege in den Tannheimern) geklettert. Die Schlüsselstelle wurde mit Ao passiert.
Übrigens, ich finde das "Feilschen" um minimale Schwierigkeitsunterschiede in den Tourenberichten zuweilen lächerlich. Vor 50 Jahren waren die Beschreibungen in der Literatur zumeist sehr dürftig oder fehlerhaft. Unter Kollegen gab es zumeist nur die Hinweise - schwer - gscheit schwer - sauschwer ; der Rest war das alpine Abenteuer (auch mit ein Grund warum ich auf die Berge steige).
Wolfhard

quacamozza hat gesagt: RE:Nachtrag
Gesendet am 16. Mai 2019 um 21:50
Hallo Wolfhard,

die Leistungen der Kletterer (insbesondere der Erschließer neuer Routen) waren schon außergewöhnlich, wenn man sich die heutige Ausrüstung, Literatur, Routenmarkierung usw. anschaut.

Trotzdem sind gerade die Tannheimer Klassiker nach wie vor nicht zu unterschätzen. Die Routen sind fast alle stark abgespeckt und deshalb mit Bergschuhen (so wie wir es gemacht haben) recht anspruchsvoll.

Die Bewertung der Schwierigkeit ist ein Thema, über das man ewig diskutieren kann. Da ich mich dazu in anderen Berichten schon ausführlich geäußert habe, hier nur meine Meinung zu den von Dir angesprochenen Punkten:

Früher gab es ja offiziell maximal sechs Schwierigkeitsgrade, heute sind es elf. Das ermöglicht eine größere Differenzierung, aber es wird eben viel "gefeilscht", was auch meiner Meinung nach wenig Sinn macht, da die Bewertungen immer einen subjektiven Einschlag haben und zudem die objektiven Bedingungen bei jeder Begehung anders sein können. Wie auch immer: Wir leben in einer Zeit der vielseitigen Information(squellen), und das hat durchaus auch seine Vorteile.

Womit wir beim Beweggrund fürs Bergsteigen sind. Ich gehe, anders als Du, nicht in die Berge, weil ich das "alpine Abenteuer" suche (bei Anlegen dieses Maßstabs ist das Bergsteigen heutzutage zumindest im Allgäu kaum noch möglich), sondern weil für mich das Naturerlebnis, der Abstand vom Job, die persönliche Freiheit und Selbstverantwortung und manchmal auch die Funktion als Trainingsgelände im Vordergrund stehen. Außerdem fühle ich mich gelegentlich selbst in Anwesenheit anderer Menschen wohl, wenn die sich vernünftig verhalten.

Ich habe übrigens selber noch die Zeiten miterlebt, in denen Touren, die heute 50mal jährlich mit Text und Bildern gepostet werden, etwa die Mythen-Überschreitung, kaum vernünftig zu recherchieren waren. Es war eine spannende Zeit, passend zu meinem frühen Erwachsenendasein, aber ich habe mich ganz gut an die "Neuzeit" angepasst.

Sportliche Grüße
Ulf


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