Cima Brenta 3150m: Alleingang über den Westgrat


Publiziert von Cubemaster , 3. September 2017 um 12:46.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:24 August 2017
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 1100 m

Schon lange hatte ich meinen ersten Besuch der Brenta-Gruppe immer wieder aufgeschoben. Als Marie und ich diesen Sommer Urlaub in Ponte di Legno machten, war es endlich soweit. Natürlich interessierte mich besonders eine Besteigung der beiden Hauptgipfel: Cima Brenta und Cima Tosa. Der Normalanstieg auf die Cima Tosa ist klar, aber wie gelangt man auf die Cima Brenta?

Der Ostanstieg ist der heutige Normalweg (siehe z.B. hier), mich störte daran aber die Tatsache, dass man den Klettersteig Via delle Bocchette dort als wesentliches Hilfsmittel benutzt, um den Gipfel zu erreichen. Es gibt eine Kletterroute durch die Südwand, diese erschien mir allerdings zu schwierig für einen Alleingang. Und schließlich gibt es noch die Route der Erstbesteiger über den Westgrat, über die man heute fast gar nichts mehr findet. Gerade diese Unbekanntheit weckte dann meine Neugier, es einfach mal über diesen Weg zu versuchen.

Marie und ich kamen pünktlich um 8 Uhr 30 bei der Groste-Seilbahn an. Bis wir allerdings unser Auto abstellen konnten (für Mehrtagestouren nur im Parkhaus gegenüber welches eigentlich geschlossen aussah, dort stand auch noch allerhand Krempel wie Schneemobile und Bauschrott rum, alles irgendwie seltsam...) war es 8 Uhr 45 geworden.

So starteten wir erst um kurz nach 9 Uhr bei der Bergstation der Seilbahn und folgten dem sehr schönen aber leider völlig überlaufenen Höhenweg zum Rifugio Tuckett, welches wir um 10 Uhr 45 erreichten. Nach einer kurzen Pause ging es um 11 Uhr weiter Richtung Bocca del Tuckett.  Nach ca. 15 Minuten zweigt hier der Sentiero SOSAT ab, den wir auch an diesem Tag komplett begehen wollten.

Nach weiteren 5 bis 10 Minuten kommt man zum Einstieg des Klettersteigs, eine etwa 3 Meter hohe Leiter. Während Marie die Leiter nahm, fand ich ein paar Meter weiter links eine gute Möglichkeit ohne Hilfsmittel hinaufzusteigen (II, nicht ausgesetzt). Auch die (wenigen) versicherten Passagen im weiteren Verlauf ließen sich erstmal gut ohne Hilfe des Stahlseiles bewältigen. Um ca. 12 Uhr befanden wir uns direkt unterhalb des steilen Taleinschnitts zwischen Punta Massari und Cima Mandron. Hier verließ ich allein den Weg und stieg durch Blockwerk und Geröllfelder aufwärts, immer auf die große Geländestufe (die aus vielen kleineren Stufen besteht) zuhaltend, die das Tal nach unten begrenzt.

Der Einstieg ist eindeutig ganz rechts der Stufenformation. Hier gelange ich ohne große Probleme auf die erste Stufe, ein paar Meter weiter links klettere ich durch einen etwas nassen Kamin ca. 2 bis 3 Meter hinauf auf die zweite Stufe. Jetzt wird es knifflig, denn die nächste Stufe ist sehr hoch, vielleicht 5 bis 6 Meter. Wieder etwas weiter links mache ich die wohl schwächste Stelle aus: Ich traue mir zu, hier von rechts unten nach links oben durch die Stufe zu klettern (Schlüsselstelle Fels). Ich habe das durchaus noch mit II bewertet, es ist nirgends ganz senkrecht und es hat überall sehr gute Griffe und Tritte (im Vergleich ist die Schlüsselstelle an der Cima Tosa deutlich schwieriger!)

Danach wird es leichter, ich kraxele eine kleine Stufe nach der anderen hinauf, einige lassen sich auch rechts bequem durch ein kleines Geröllband umgehen. Oberhalb muss ich etwas durch Geröll nach links traversieren. Hier hat man dann die Wahl, links durch Geröll aufzusteigen oder über einfache Stufen zu klettern. Ich entscheide mich für die Stufen, die Genusskletterei in schönstem Dolomitgestein bieten.

Oben angelangt sieht man nun den Fluss, der vom Gletscher kommt, über viele Stufen hinunterstürzen. (Interessanterweise ist der untere Teil des Tals im Wesentlichen trocken, das Wasser verschwindet irgendwo in einer Felsspalte...) Ich steige an der linken Talseite über Stufen hinauf, traversiere dabei aber immer weiter nach rechts Richtung Fluss. An einer Engstelle kraxele ich halb im Fluss nach oben, weil es mir am einfachsten erscheint. Dann klettere ich wieder links vom Fluss weiter und erreiche schließlich ein kleines Plateau unterhalb des Gletschers Vedretta di Brenta Superiore.

Der Gletscher ist vollständig blank. Ich lege die Steigeisen an, nehme den Pickel zur Hand und mache mich auf den Weg nach oben. Die Steilheit hält sich einigermaßen in Grenzen (vielleicht 25 bis 30 Grad) aber auf dem Blankeis ist mir nicht 100prozentig wohl und ich konzentriere mich gut aufs Steigen. Der Gletscher hat zwei große Spalten über fast seine gesamte Breite. Die erste auf halber Höhe umgehe ich links über einen sehr schmalen Streifen Eis, die zweite kurz unter dem oberen Ende scheint links sehr groß zu sein, rechts ist sie mit Schnee gefüllt. Ich teste vorsichtig zuerst mit dem Pickel, dann mit dem Fuß die Qualität des Schnees, er ist pickelhart.

Weit an der rechten Seite des Gletschers überquere ich die zweite Spalte über den harten Schnee. Unmittelbar auf der anderen Seite der Spalte ist ein kleiner Aufschwung im Eis, der sich auch weit von rechts nach links zieht. Nur etwa einen Meter hoch ist die Steilheit hier etwa 45 Grad, gerade zu groß für einen Schritt (Schlüsselstelle Eis). Ich traue mich nicht, hier mit den Frontzacken hinaufzusteigen und schlage mir in mühevoller Arbeit zwei kleine Tritte ins Eis. Kurz danach erreiche ich den oberen Rand des Gletschers, der Ausstieg auf den Fels ist problemlos.

Weiter geht es über Geröll in Richtung Grat, der sich jetzt links oben befindet. Ich steige über Geröll bis zu einer kleinen Scharte an und kraxele weiter nach links oben zum Grat. (Hier gibt es aber auch sicher mehrere Möglichkeiten.) Der nächste Grataufschwung sieht recht schwierig aus und ich kraxele unten rechts daran vorbei. Durch etwas unangenehmes Gelände mit viel Schuttauflage klettere ich dahinter wieder auf den Grat zurück. Jetzt wird es immer einfacher und der Grat wird immer breiter. Über riesige Flächen strebe ich dem höchsten Punkt zu und erreiche um kurz nach 14 Uhr den Westgipfel der Cima Brenta.

Nun muss nochmal abgestiegen werden, um zum Hauptgipfel zu gelangen. Ich klettere zuerst am Grat und dann durch einen kleinen Kamin auf der rechten Seite in die Scharte hinunter. Ein Gratzacken wird nochmal rechts umgangen. Das letzte Stück ist dann Gehgelände und ich erreiche um 14 Uhr 30 den Hauptgipfel der Cima Brenta bei bestem Wetter und mit einem unglaublichen Hochgefühl. Die Aussicht ist herrlich, es weht ein angenehm kühler Wind und ich habe ein fantastisches Ziel über eine unglaublich schöne Route erreicht, die absolut zu unrecht in Vergessenheit geraten ist.

Eine halbe Stunde genieße ich diesen Moment, dann mache ich mich auf den Rückweg. Das Abklettern verläuft problemlos, aber am Gletscher wird es nochmal unangenehm. Der Abstieg ist erstmal wie üblich einfacher als der Aufstieg, aber die steile Stelle kostet mich Überwindung (auch wenn es nur ein Meter ist). Auf allen Zacken krücke ich mich zentimeterweise nach unten.

Als ich das gerade hinter mir habe, donnert ein ordentlicher Steinschlag die andere Seite des Gletschers hinunter. (Der Gletscher ist oben links in Aufstiegsrichtung mit Geröll bedeckt und mir war durchaus bewusst, dass es bei diesen Temperaturen nachmittags zu Steinschlag kommen kann.) Zügig gehe ich jetzt hinunter, leider muss ich auf der Seite, wo der Steinschlag war, die erste Spalte umgehen. Ich habe aber Glück, es kommt nichts weiter herunter. Der weitere Abstieg ist problemlos, ich finde die Schlüsselstelle von oben sofort wieder. (Unten ist ein markanter Pfeil, der zusätzlich bei der Orientierung hilft.

Um 17 Uhr sammelte ich Marie wieder ein und wir gingen über den Sentiero SOSAT Richtung Rifugio Brentai. Im weiteren Verlauf zur Hütte benötigt man dann schon ein Klettersteigset, da es doch einige senkrechte Leitern und steile Stellen gibt. (Ich würde die Schwierigkeit mit B bis C bewerten.) Da wir relativ gemütlich gingen, erreichten wir die Hütte erst um 19 Uhr 45, bekamen also gerade noch Abendessen. Hier verbrachten wir eine interessante Nacht in einer Art Abstellkammer, die nur von außen zugänglich ist. Das war aber in Ordnung, ich habe schon deutlich schlechter auf Hütten geschlafen!

Am nächsten Tag wollte ich die Cima Tosa besteigen. Fortsetzung folgt...

Bemerkungen:
Ausrüstung: Helm, Steigeisen und Pickel für die Cima Brenta. Für den ersten Teil des Sentiero SOSAT ist (für jemanden mit Ziel Cima Brenta) kein Klettersteigset notwendig. Für den zweiten Teil ist es durchaus sehr sinnvoll.
Felskletterei: Für jemanden, der sicher im zweiten Grad klettert ist meiner Ansicht nach alles ungesichert machbar. Abgesehen von der Schlüsselstelle gibt es noch ausgesetzte (aber leichtere) Stellen oben am Grat.
Der Gletscher: Wegen zweier großer Spalten nur im aperen Zustand ohne Seil begehen! Dann hat man allerdings die Steinschlaggefahr, die über den Tag stetig zunimmt. Eine Variante wäre eine Übernachtung im Rifugio Tuckett, dann könnte man früh morgens starten und mittags wieder unten sein.

Die Cima Brenta war Gipfel Nr. 132 / 163 meines großen Projekts "Alle 3000er der Ostalpen mit mindestens 400m Schartenhöhe". Mehr Infos auf meiner Homepage.

Tourengänger: Cubemaster


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Kommentare (2)


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ADI hat gesagt:
Gesendet am 4. September 2017 um 09:12
Zu dieser schönen Tour kann man nur gratulieren....und auch noch ohne die berüchtigten Brentanebel.....KLASSE!

VLG!

ADI

Cubemaster hat gesagt: RE:
Gesendet am 4. September 2017 um 10:26
Danke schön!
Ich habe natürlich auf einen sehr guten Wetterbericht gewartet. Trotzdem war es auf dem Weg nach unten schon mal etwas neblig. (Siehe besonders das letzte Bild...)


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