Cima Brenta durch die Südwand
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Die majestätische Cima Brenta, mittlerweile (nach dem Abschmelzen der Cima Tosa-Eiskappe) wohl der höchste Gipfel der Brenta-Gruppe, kann über mehrere Wege bestiegen werden, die heutzutage allesamt herausfordernder werden. Vor 16 Jahren erstieg ich sie noch vom Bocchette-Weg aus — heute ist das offenbar nicht mehr so gängig, wie sich noch herausstellen soll. Eine andere Route führt von Norden über den (stets schwindenden) Gletscher hinauf. Der heutige Normalweg führt offenbar von Süden durch ein langes System von Bändern, ist jedoch ebenfalls kaum begangen. Der alte AV-Führer aus dem Jahre 1988 legt noch eine Variante nahe, die mich sehr interessiert: Eine Überschreitung des Gesamtmassivs von der westlichen Punte di Campigilio über die Cima Mandron und die Cima Brenta bis zum Bocchette-Weg! Diesem Monster möchte ich mich gerne zuerst widmen, mal schauen...
Ich habe einen Tag Zeit auf der Alimonta-Hütte geschenkt bekommen, und diesen Tag möchte ich nutzen. Frühmorgens starte ich von der Hütte auf dem SOSAT-Weg wie im Führer beschrieben bis auf die Westseite der Punte di Campiglio, bis dort, wo ein langes horizontales Wegstück das Ende der Seilsicherungen darstellt. Man befindet sich vor einem begrasten Rücken. Darauf hält man sich ostw. ohne Schwierigkeiten, bis man auf einen Felsrücken stößt, der eine markante Schluchtrinne begrenzt. Auf dem Rücken, leicht links haltend, empor (I). ... Na, klingt doch toll! Auf besagtem horizontalen Wegstück glaube ich tatsächlich so etwas wie einen kurzen begrasten Rücken zu erkennen. Schluchtrinnen gibt es zuhauf, auch einen begrenzenden Felsrücken könnte ich in der verwirrenden Wand ausmachen... Na, ich versuche mein Glück, steige den grasig-felsigen Hang empor und suche in den Felsen darüber nach verschiedenen Möglichkeiten, im ersten Schwierigkeitsgrad (oder was man früher dafür hielt) in die Nähe einer der Rinnen zu kommen. Das Gelände ist aber schon verdammt steil! Kurz gesagt, nach knapp zwei Stunden Probierens gebe ich auf, hier seilfrei noch irgendwie weiter zu kommen -- und widme mich stattdessen Alternativplänen: Zurück auf dem SOSAT-Weg und bis zu dem Punkt, wo der Anstieg von der Brentei-Hütte zur Alimonta-Hütte am Grunde der Schlucht eine starke Rechtskurve macht. Die Stelle ist mit einem Steinmann markiert: Hier startet der Weg durch die Südwand.
Ich bleibe weit über eine Stunde und genieße das fantastische Wetter, die weiten Blicke und -- die absolute Stille. Selbst an diesem Prachtwetter-Samstag verirrt sich niemand Weiteres mehr hier hinauf! Fast bin ich ein bisschen traurig darüber, denn nach einer solchen Bergfahrt mit solchem Panorama allein zu sein, mutet beinah ein wenig verschwenderisch an :)
Schließlich mache ich mich an den Abstieg, den ich entlang meiner früheren Route von vor 16 Jahren zu tun gedenke: Damals kam ich auf dem Bocchette-Weg entlang, sah an den Felsen den (heute fehlenden) Schriftzug "Cima Brenta" und folgte Steinmandln mit leichter Kletterei bis zum Gipfel. Also los, den deutlichen Steinmandln und Spuren folgend den Grat nach Nordosten hinunter. Vor der Scharte zum nächsten Gratturm (Vorgipfel) werden allerdings die Spuren undeutlicher, und plötzlich stehe ich in sehr unangenehmem Gelände an einer Abseilstelle, wenige Meter über der Scharte (T6). Fast könnte man springen! Kurz überlege ich, an meiner 10m-Reepschnur abzuseilen, um die Scharte weiter begutachten zu können -- aber das brüchige Gelände ist einfach zu unangenehm! Auf dem Rückweg zum Gipfel suche ich, ob ich einen Abzweig in die Ostseite verpasst habe, doch überall ist das Gelände abweisend. Ist meine Erinnerung so schlecht? Später sollte mir der Alimonta-Hüttenwirt die Auskunft erteilen, dass die Route zwar noch die gleiche sei wie vor 16 Jahren, aber die Felsqualität durch mangelnde Schnee- und Eisauflage sehr gelitten habe.
Also zur nächsten Alternative: Ein ganzes Stück folge ich der Aufstiegsroute zurück in den Trichter und beinahe bis zu dessen Ende hinunter, bis sich links (östlich) ein horizontales Schotterband öffnet. Auf diesem zu einem gut sichtbaren Steinmandl und weiter Mandln folgend bis zu einer Rinne. Hier hinein über ein kurzes, schmales und ausgesetztes Stück (T5), dann weiter einfach dem nun wieder breiten Band entlang, bis man auf den Bocchette-Weg stößt (Klettersteigset & Helm angeraten). Diesem folge ich nach rechts (Süden) in munterem Auf und Ab, bis ich schließlich vor der Bocca dei Armi wieder hinunter zur Alimonta-Hütte absteigen kann.
Fazit: Großartige, einsame, hochalpine, sehr lohnende Tour!
Stabiles Wetter ist Grundbedingung, da nirgendwo ein schneller Notabstieg möglich ist. Allein für den Abstieg am Bocchette-Weg sollte man -- je nach Frequentation und eigener Sicherungsphilosophie -- gute zwei Stunden einplanen. Das Zurückklettern auf der Aufstiegsroute würde ich ohne Seil schon ab der Einstiegswand, viel mehr noch von oberhalb der Rampe nur äußerst ungern versuchen!
Anmerkung zur Schwierigkeitsbewertung: Beschränkt man sich auf den Weg durch die Südwand inkl. der beschriebenen Abstiegsversion (nicht des Abstiegs zum Garbariband!) und bewertet allein das Gehgelände, kommt man wohl mit T5 aus. Ich bewerte die Tour dennoch vorerst mit T6, um keine falschen Vorstellungen bzgl. der Seriosität der Unternehmung aufkommen zu lassen. Die Kletterei ist free solo anspruchsvoll genug... mögen mich zukünftige Begeher korrigieren.
Tourengänger:
rele
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