Überschreitung Caciadur - Scälin - Cima dal Cantun: Bergeller Granit à discretion


Publiziert von Alpin_Rise , 15. September 2017 um 16:28.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Bregaglia
Tour Datum:14 Juli 2017
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: ZS+
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Albigna
Unterkunftmöglichkeiten:Capanna Albigna SAC

Das Bergell ist zur Zeit in aller Munde, insbesondere ein einzelner Gipfel im Bondascatal. Dieser Bericht portraitiert drei weniger bekannte Gipfel weiter östlich, zwischen Forno- und Albignatal. Die Granitberge dieser Kette sind im  Gegensatz zum Pizzo Cengalo noch mit vollem Volumen erhalten - obwohl gerade die Eispanzer in den Nordwänden rapide abschmelzen. Von der einst gerühmten Nordwand der Cima dal Cantun ist nicht viel mehr übrig als ein Permafrost-Eisflecken Gemisch und die Gletscher rundherum hinterlassen bei Ihrem Rückzug viel brüchiges Schuttgelände...
Da bleibt man am besten möglichst lange auf den Graten: genau das gelingt mit der Überschreitung Caciadur - Scälin - Cantun über gute 2,5 km Kletterlänge. Nach einem mittelmässig interessanten Zustieg reihen sich unzählige interessante Kletterstellen im II. und III. Grad aneinander. Dies mehrheitlich in hervorragendem Fels mit guten Absicherungsmöglichkeiten. Zusammen mit dem landschaftlich schönen Abstieg zählt die Tour zu den lohnendsten Hochtouren im Bergell.


Lange, überraschend schöne Hochgebirgskletterei zwischen Forno und Albigna

Die Tour wurde auf hikr bislang nur vom unverwüstlichen Delta in der Gegenrichtung beschrieben. Ergänzend zu den Beschreibungen im Silbernagel-Topoführer und in der SAC-Literatur hier unsere Beschreibung der Tour von Nord nach Süd:

Albigna - Caciadur
Von der Capanna Albigna SAC Aufbruch um 3:45, erst entlang dem markierten Wanderweg (neu Rundweg), diesen auf 2520m geradeaus verlassend und in zunehmend blockigem Gelände unter dem bei Kletternden bekannten Biopfeiler P. 2843 hindurch. Weiter nordostwärts ausholend gegen den Pass di Caciadur, auf etwa 2800m südwärts in die Nordwestflanke  abbiegen und über eine Steilstufe (T4-T5) auf die Westflanke. Nun einfach  in Platten- und Blockgelände zum Caciadur, zuletzt kurz über den Nordgrat.
Anmerkung: Die direkte Anstiegslinie via Westflanke wie im Silbernagel-Topoführer eingezeichnet ist steil und brüchig: Nur bei guter Firnlage empfehlenswert!

Caciadur - Scälin
Einfach über den blockigen Südgrat bzw. leicht westlich davon an ein erstes Turmsystem. Dieses kann auf der Fornoseite komplett umgangen* oder in schöner Kletterei (II-III) überklettert werden, der Abstieg stellt dann die erste Schlüsselstelle dar: Man würgt sich am besten den kurzen und engen, linken (östlichen) Kamin hinunter und umgeht die nächste scharfe Gratpassage auf einem fussbreiten, exponierten Band auf der Albingaseite. Am Ende ein Normalhaken, etwas weiter unten ein Borhaken. An diesem seilt man 20m auf die Fornoseite ab (oder Abklettern III). Danach wieder hoch in die Scharte nach dem Turmsystem (ein Borhaken) und dem Grat entlang weiter in schöner Kletterei II-III bis unter den markanten, senkrechten Aufschwung. Dort folgt man einem Bändersystem, ** später einem markanten Band diagonal duch die Ostflanke des Scälin, exponiert, aber unschwierig, II. Dann auf dem Grat mit etwas auf und ab zum Gipfel des Scälin.
* ab hier bis ** hier kann das Turmsystem auch auf Bändern der Fornoseite umgangen werden, Zeitersparnis eine halbe bis eine Stude.

Scälin - Vorgipfel Cima del Cantun
Der Abstieg vom Scälin ist die zweite Schlüsselstelle des Grates und kann bei optimaler Routenwahl ohne abseilen gemacht werden: Dazu geht man vom Gipfel zuerst einige Meter gegen Osten dem Grat entlang und steigt nach rechts (Westen) exponiert diagonal über Stufen (II-III) durch die Süwand bis fast zum SW-Grat. Hier kann alternativ an Schlingen 20m abgeseilt werden. Ohne Abseilen wieder einige Meter nach Osten und exponiert über Bänder zurück zum Fuss des SW-Grat.
Hier beginnt ein ästhetisches, scharf-kompaktes Gratstück, welches vollends in die Furcela da Scälin führt. Es steckt ein Borhaken, einige Normalhaken und Schlingen. Je nach Gusto kann der Grat gehend balanciert oder geritten werden.
Nach der Furcela kurz in schöner Kletterei weiter, bis eine Rinne mit etwas minderer Felsqualität in der Fornoflanke hinauf auf ein grosses Schutt- bzw. Schneefeld führt. Über dieses wieder zum Grat hinauf und mit Auf- und Ab in schönem Fels (I-II) zum Vorgpifel der Cima dal Cantun, P.  3312m.

Vorgipfel - Hauptgipfel Cima dal Cantun
Erst in der Südostflanke über Bänder und Stüfchen (II) in gutem Fels absteigend, dann dem Grat entlang bzw. etwas unterhalb auf der Fornoseite. Die markanten Türme werden am besten allesamt in der Ostflanke auf überraschend gut gängigen Bändern traversiert, II-III.
Nun bringt ein ästhetischer Firngrat etwas Abwechslung, er führt nur mässig steil (max. 40°) über den resten der Cantun Nordwand in die Gipfelfelsen. Über diese final hoch zur Cima dal Cantun.

Cima dal Cantun Südgrat
Der Silbernagel-Führer und auch der SAC-Führer empfehlen den Abstieg direkt über die Westflanke hinunter  auf den Vadrec dal Castel Nord. Der Hüttenwart der Albignahütte rät spät in der Saison zum Südgrat, die Westflanke sei arg brüchig und durch den Gletscherrückgang sehr steinschlägig geworden. Erkundungen ergeben, dass sie - etwas nordwärts ausholend - immer noch möglich ist (final abseilen zum Gletscher, diverse Schlinenbündel), aber sehr lose und wenig empfehlenswert ist.
Wir entscheiden uns darum für den Südgrat, der zuerst blockig-einfach, dann genüsslich-kompakt aufwartet, bis ein Turmsystem (Borhaken fast zuoberst) den Weg versperrt. Dieses wird über ein verstecktes Band auf der Ostseite (!) umgangen, wir seilten am Borhaken gegen Westen diagonal ab, was auch funktioniert. Danach wird der Grat immer einfacher, bis auf die Westseite ausgewichen werden kann (Schnee- oder Schuttfelder). Die Steilstufe gegen die Bochetta dal Cantun überwindet man auf Bändern von West nach Ost (Steinmänner, einfach), die letzten Meter auf Firn in den Gletschersattel. Hier ist auch ein Abstieg zur Fornohütte möglich, zeitlich etwa gleich lang, siehe z.B. hier.

Passo dal Cantun - Capanna Albigna
Dank trittig-weichem Schnee gelangen wir in einer halben Stunde ans Gletscherende, wobei die Spaltenzonen auf etwa 3200m und 3000m berücksichtigt werden müssen. Vom Gletscherende auf ca. 2700m traversiert man in unangenehmen Blockgelände mit wenig Höhenverlust auf die markante Moräne und weiter unter die Südwand der Punta da l'Albinga. Auf ca. 2500m stösst man mit dem ersten Gras auf die Wegspur, die entlang der Punta da l'Albina Westwand bald steil zum Bach hinunterführt. Die knapp 200 Höhenmeter Gegensteigung in der Nachmittagssonne werden alsbald mit einem grossen, kühlen Getränk auf der Capanna Albigna, Ankunft 15:00, entschädigt.


Material: mindestens 40m Einfachseil, einige Express, Schlingen, kleinere Friends/Keile, Steigeisen, Pickel, Helm, Gletschermaterial.

Schwierigkeit: Die Tour hat keine Kletterstellen schwieriger als III, jedoch müssen auch Stellen im III. Grad abgeklettert werden. Die Herausforderung liegt mehr in der Länge und dem Finden des optimalen Weges und Sicherungsmodus. ZS+ III als Gesamtbewertung trifft die Sache wohl am besten.

Zeitbedarf: Dieser variiert sehr stark und ist abhängig von den Umgehungen, der Wegfindung, dem Sicherungsmodus und der Routine, vor allem im Abklettern. Die Vermdeidung des ersten Turmsystems auf der Fornoseite spart etwa eine Stunde. Zeiten für durchschnittliche Seilschaften ohne Umgehungen:
Albignahütte - Caciadur: 1:30 - 2:30, Caciadur - Cima dal Cantun: 5-7 Stunden, Cima dal Cantun Südgrat 1:00-1:30, Passo dal Cantun - Albignahütte: 2-3 Stunden.
Total ca. 9:30-14:00 Stunden.



Referenz Hochtouren Topoführer Büdner Alpen Kropac / Silbernagel / Wullschleger, Tour 33, ZS+/3c/E3, Gesamtzeit 10-14 Stunden. Die Zeitangabe 1h Caciadur- Scälin trifft nur mit Umgehung des Turmsystems zu.

Referenzen und Zeiten SAC Alpinführer Südliches Bergell - Disgrazia: Direktzustieg Caciadur Westflanke (ohne Referenz, WS-, ca. 2 Std. ab Cap. Albigna) -  Caciadur Südgrat  (417, 3a, im Abstieg ca.  0.5 Std.) -  Scälin N-Grat (418, 2b, 1 Std.), Scälin SW-Grat (419, 2c, 0.5 Std.) - Cima dal Cantun NE-Grat, (431, ZS, 4 Std) - Cima dal Cantun Südgrat (434, 2b, 0.5 Std.) - Passo del Cantun von der Cap. Albigna (444, WS+, 2 Std. im Abstieg)
Summe: 10.5 Std.

Tourengänger: Alpin_Rise, bartli


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