Verakopf und Rossberg - Vom Rellstal zum Lünersee
An landschaftlichen Reizen mangelt es beim Übergang vom Rellstal zum Lünersee via Schweizertor und Verajoch wahrlich nicht. Zu Füßen von Drusenfluh und Kirchlispitzen wandelt man im Frühsommer durch einen blühenden Alpengarten und kommt ob der grandiosen Bergszenerie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Als besonders imposant erweisen sich die Einblicke zu den Kirchlispitzen, wenn man beim Verajoch den Rätikon-Höhenweg-Nord verlässt und sich an die weglose Überschreitung von Verakopf und Rossberg heranwagt. Ist der Verakopf (T3) noch einfach zu ersteigen, so sind am Rossberg (T4, I) Qualitäten im Steilgras und beim Kraxeln gefragt.
In das abgelegene Rellstal gelangt man bequem mit dem Wanderbus, der ab 8. Juli 2017 viermal täglich zwischen Vandans, Bahnhof, und dem Alpengasthof Rellstal verkehrt. Die Wunden, die der 2016 abgeschlossene Pipelinebau für das neue Rellstal Pumpspeicherwerk, in die Alplandschaft zu Füßen von Zimba und Saulakopf gerissen hat, sind – trotz der getroffenen Renaturierungsmaßnahmen – nicht zu übersehen. Es wird wohl noch ein paar Jahre dauern bis man wieder über blühende Alpweiden entlang des Zaluandabachs zur Unteren Zaluandaalpe wandern kann. Daher sollte man sich derzeit auf dem etwas eintönigen Anmarsch zur Unteren Zaluandaalpe seine Aufmerksamkeit vermehrt der über dem Talschluss dominierenden Wänden von Drusenfluh und Drei Türmen widmen. Auch ein Blick talaus zur Zimba ist nicht verkehrt.
Der Fahrweg von der Unteren zur Oberen Zaluandaalpe lässt sich abkürzen, indem man nach Querung des jungen Zaluandabachs bei der darauffolgenden Linkskurve auf einen markierten Steig wechselt. Dieser leitet zwischen Gebüsch über die Steilstufe hoch zur Oberen Zaluandaalpe. Ab hier verbleiben als einzige Geräuschkulisse nur noch das Plätschern des Zaluandabachs und die Pfiffe der Murmeltiere.
Bei der Alphütte einem alten Ziehweg folgend gelangt man schließlich hinauf zu einem Weideboden. Über diesen hinweg beginnt der Anstieg über die bunt blühenden Bergmatten der Alpa Vera zum Schweizertor. In Stufen führt der Weg durch kupiertes Gelände angenehm diesem eindrucksvollen von Drusenfluh und Kirchlispitzen begrenzten Einschnitt entgegen.
Am Schweizertor angelangt geht’s nun unterhalb der Kirchlispitzen auf dem Rätikon-Höhenweg-Nord zum Verajoch hinauf. Die Blütenpracht abseits des Weges lässt den etwas anstrengenderen unteren Teil des Anstiegs schnell vergessen. Oben hinaus verflacht der Weg wieder zusehends und führt bequem zum Joch hinauf. Beim Verajoch verlässt man nun den Rätikon-Höhenweg-Nord und wendet sich nach rechts dem Verakopf zu. Über einen Rücken auf diesen zuhaltend steigt man zum Schluss, eine kleine Felspassage links umgehend, steil zum schmalen von einer Eisenstange gezierten Gipfel hoch.
Der Abstieg zum benachbarten Rossberg erfolgt am Besten über den N-Grat des Verakopfs. Die ein oder andere „Gratwelle“ mitnehmend, weicht man vor der letzten Anhöhe nach links in die Flanke aus und steigt hinunter in den Sattel südlich des Rossbergs. Dort angelangt stellt sich aufgrund des aufsteilenden von kleinen Schrofen durchsetzten Steilgrashangs die Frage nach der idealen Aufstiegsroute. Eine Frage, die im neuen AV-Führer mit „beliebig hinauf“ beantwortet wird. Am Besten – auch wenn von mir so nicht gewählt – erscheint mir der Aufstieg entlang eines Schuttfeldes zur SO-Rippe und dann über diese steil hinauf zum Gipfel. Meine Variante fiel schlußendlich so aus, dass ich über steiles Gras bis unter ein paar Schrofen hinaufstieg und dann in steilem Gelände nach rechts hinaus traversierte um wieder in etwas einfacherem Steilgras zum Gipfelgrat hochsteigen zu können.
Am O-Gipfel des Rossbergs angelangt war angesichts des überwältigenden Anblicks von Schesaplana & Co eine Verschnaufpause angesagt. Wenn da nicht die herumziehenden Wolken und der starke Wind gewesen wären, hätte ich mich hier oben – beschallt von Alphornbläsern, die an der Douglasshütte ihr Stelldichein gaben – noch länger der Einsamkeit hingegeben. So aber machte ich mich nach einer Stärkung auf den Weg über den grasigen Gipfelgrat zum benachbarten etwas niedrigeren W-Gipfel des Rossbergs. In etwa der Mitte des Verbindungsgrats wird eine schrofige Anhöhe zunächst links im Gras und dann rechts in felsdurchsetztem Gelände umgangen. Danach geht’s ohne weitere Hindernisse auf und neben dem Grat hinauf zum W-Gipfel.
Der Abstieg vom W-Gipfel des Rossbergs zum Rätikon-Höhenweg-Nord erfolgt über einen blumenreichen Grasgrat, der zum Schluss mit einer kurzen Kletterpassage aufwartet. Wegen der steilen Graspleisen rechts und links hält man sich – bis auf Ausnahme von zwei etwas felsigen Passagen, die rechts umgangen werden – stets an den direkten Gratverlauf. Auf dem zusehends breiter werdenden Grat geht’s schließlich der Schlüsselstelle, eine wegsperrende Felsstufe (I), entgegen.
Nach Sondierung der Lage, ob dieser Felssporn auch umgangen werden könnte, erschien mir – angesichts des abschüssigen Geländes zur Rechten – der Abstieg durch eine mit Geröll und Blockwerk gefüllte Felsrinne (I) als die beste Option. Nach der kurzen Kraxeleinlage geht’s wieder über Gras zu einer Gratschulter hinunter. Von dort steigt man nach links durch ein Tälchen in eine kleine Mulde ab und hält sich nun rechts um auf etwa 2.170m auf den vom Verajoch herabziehenden Wanderweg zu treffen. Diesem talaus zur Lünerseealpe folgend, kann man umgeben von einer grandiosen Bergkulisse die Seele bereits baumeln lassen und sich der Vorfreude auf den verdienten Hopfenblütentee widmen.
Von der Lünerseealpe hat man nun die Wahl, ob links oder rechts herum. Zeitlich gibt’s zwischen den zwei Varianten keinen großen Unterschied, sehr wohl aber, was die zu bewältigenden Höhenmeter angeht. Auf eine längere Gegensteigung dankend verzichtend, spazierte ich deshalb links um den Lünersee herum zur Douglasshütte um dort dann feststellen zu müssen, dass bei der Warteschlange der Abstieg über den Bösen Tritt wohl die schnellere Variante ist um ins Seetal zu gelangen.
Der Steig über den Bösen Tritt führt zunächst in Kehren zu einer Felsstufe hinunter, welche mit Drahtseilen versichert von rechts nach links gequert wird. Wegen des vielen Hangwassers in dieser Passage ist bei Nässe durchaus Vorsicht gefragt, ansonsten sollte die Traverse den trittsicheren Wanderer keine großen Probleme bereiten. Nach der Felsstufe geht’s auf einem abschnittsweise grobschottrigen Weg in zahlreichen Kehren zwischen Latschen bergab zur Talstation der Lünerseebahn.
Gehzeiten:
Rellstal, Alpengasthof – Obere Zaluandaalpe (ca. 1' 00'') – Schweizertor (ca. 1' 00'') – Verajoch (ca. 25'') – Verakopf (ca. 15'') – Rossberg, O-Gipfel (ca. 30'') – Rossberg, W-Gipfel (ca. 15'') – Lünerseealpe (ca. 1' 10'') – Lünerseerundweg, West – Douglasshütte (ca. 45'') – Böser Tritt – Lünerseebahn, Talstation (ca. 30'')
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