Rothaarsteig


Publiziert von frmat , 24. April 2017 um 00:37.

Region: Welt » Deutschland » Westliche Mittelgebirge » Sauerland
Tour Datum:18 April 2017
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   Rothaargebirge 
Zeitbedarf: 4 Tage
Aufstieg: 3200 m
Abstieg: 3000 m
Strecke:154km

Der 2001 eröffnete Rothaarsteig verbindet auf einer Strecke von 154km das westfälische Brilon mit dem hessischen Dillenburg. In den letzten 16 Jahren ist der Fernwanderweg durchaus ein kleiner Touristenmagnet geworden und lockt jährlich von Frühjahr bis Herbst die Wanderer an. Zu Fuß werden die gut 3000Hm meistens in 6-8 Etappen zurückgelegt. Man kann es aufgrund der geringen Vertikaldistanz aber auch recht stressfrei in weniger Tagen schaffen oder aber man macht sich das Motto des Steiges, „Der Weg der Sinne“, zu Eigen und nimmt sich mehr Zeit. Der absolut überwiegende Teil der Fernwanderer geht in Nord-Süd-Richtung, also klassisch von Brilon nach Dillenburg.
Der Weg ist bis auf ganz wenige Stellen grundsätzlich gut bis sehr gut beschildert. Markierungszeichen ist ein liegendes, stilisiertes, weißes „R“ auf rotem Grund. Die mehr als 30 Zugangswege sind mit einem schwarzen „R“ auf gelben Grund gekennzeichnet. Neben dem Hauptweg („Dillvariante“ und „Kammvariante“) kann man sich noch die gut 50km lange „Westerwaldvariante“ und die 13km lange „Hochsauerland- oder Talvariante“ gönnen. Aufgrund der gepflegten Markierung kann die Karte daheim bleiben. Die Infos auf der offiziellen Internetpräsenz (www.rothaarsteig.de) lassen jedoch an einigen Stellen zu wünschen übrig [Stand April 2017]. Hier wäre es wünschenswert, wenn die die Dokumente auch den tatsächlichen Steigverlauf wiedergeben und nicht so häufig von der markierten Route abweichen würden.
Noch ein Wort zur Infrastruktur: Alle paar Kilometer findet man Gasthöfe oder Hotels vor. Diese gelten als topgepflegt, bieten neben Übernachtung auch Verpflegung, Lunchpakete und Gepäcktransport an, und sind aus meiner Sicht wirklich empfehlenswert (zumindest die drei Unterkünfte, die ich genutzt habe). Problematischer ist die Versorgung in Lebensmittelläden. Außer Winterberg wird keine Stadt direkt durchwandert, insofern sollte das Lunchpaket groß genug sein.
So, genug geschwätzt. Da sich für mich als gebürtiger Briloner meine westfälischen Wurzeln quasi am Ausgangspunkt befinden ist es eine Sache der Ehre diesen Steig selbst zu erwandern. Leider hatte ich nur vier Tage Zeit und musste daher recht lange Etappen planen. Trotzdem war es ein super Erlebnis und keine Durchrennerei. Einige Eindrücke von unterwegs:
 
Dienstag, 18.04.17: Dillenburg – Siegquelle
Für meinen „Thruhike“ habe ich bewusst die umgekehrte Richtung gewählt. Also von Dillenburg nordwärts. Ist doch ganz nett nach Hause zu laufen. Wettertechnisch sollte sich dies zudem als glücklicher Zufall erweisen. Da mich mein bewährter Bergfreund Thomas auf den ersten beiden Etappen begleiten wollte lag der tatsächliche Ausgangpunkt am Dillenburger Bahnhof, wo ich frühmorgens mit dem Familientaxi hinchauffiert wurde. Unterwegs fuhren wir bei Winterberg durch 20cm (!) Neuschnee. Bei den Bedingungen würden wir keine Chance haben, 40km-Etappen zu wandern. Egal, kommt ja erst übermorgen die Strecke. Nach dem üblichen „Hallo“ am Bahnhof gings dann zum offiziellen Ausgangspunkt in den Hofgarten. Dort steht der Stein „Km 154“, der den Start markiert. Nach dem Foto brechen wir gut gelaunt auf. In der Altstadt ist noch nicht viel los an diesem ungemütlichen Morgen, an dem der Wind uns gleich zu einer Tempoverschärfung zwecks Aufwärmen zwingt. Mit dem Weg hinauf in ein Wäldchen steigt auch die Stimmung. Erste kleine Hügel werden überschritten, ehe sich das Gelände bei Mandersbach in offene Feldflur verwandelt. Sonne und Schauer wechseln sich ab. Wie das Wetter ist auch die Landschaft heute einem ständigen Wechsel unterworfen. Mal überqueren wir Wiesen, mal lichten Laubwald, dann folgt wieder der klassische Nadelwald, wie man ihn aus dem deutschen Mittelgebirgsraum kennt. Bei Rodenbach füllen wir zum ersten Mal unsere Energiespeicher auf und wandern vorbei am Naturdenkmal Lucaseiche auf den Hauptkamm hinauf. Diesen erreichen wir bei Kalteiche, von wo aus man ins nahe Wilgersdorf zum übernachten absteigen kann. Hier trifft der Hauptweg die Westerwaldvariante. Auf der nahen Tiefenrother Höhe können wir zum ersten Mal den prächtigen Fernblick genießen,wobei der scharfe Wind uns nur einen kurzen Moment Pause gewährt. Von nun führt der Steig bis zum Etappenziel fast ausschließlich über den bewaldeten Kamm, der zwar kaum Steigungen abverlangt, aber eben auch wenig Abwechslung bietet. Interessant ist die Tatsache, dass wir etliche Quellen passieren: Ilse, Dill, Lahn und Sieg entspringen beispielsweise auf unserem heutigen Streckenabschnitt. Weitere zwei Pausen später, mittlerweile sind wir in Nordrhein-Westfalen, treffen wir am Lahnhof besagte Lahnquelle, die hier in einem großen Quelltopf ihren Lauf zum Rhein hin beginnt. Für uns stehen die letzten 4 der heutigen 45km auf dem Programm. Geplant waren nur 42, aber diverse freiwillige und unfreiwillige Abstecher haben den Tag noch etwas verlängert. Als wir gegen 20h die Siegquelle passieren gehen Sonne und Motivation für heute unter. Es sind noch wenige hundert Meter zum Quartier im Gasthof zur Siegquelle, wo wir nicht nur sehr gut bewirtet werden sondern bald den Schlaf der Gerechten schlafen (45km, T1, 10:30h).
 
Mittwoch, 19.04.2017: Siegquelle – Rhein-Weser-Turm
Es bedarf eigentlich keiner Erwähnung, dass der Muskelkater nicht gerade gering ausfiel. Haben wir ja weder anders gewollt noch anders erwartet. Dennoch mahnt mich die Realität den glorreichen Plan dieser Aktion zu hinterfragen. Ehrenvoll ertrage ich den Schmerz und beschließe, dass er bestimmt am Ende einem Trainingseffekt weicht (hat sogar funktioniert). Großspurig haben wir gestern Abend dem Bier gefröhnt, stand ja heute die kürzeste Etappe an. Zweiter Fehler. Diesen kurieren wir mit einem opulenten Frühstück in Form von Brötchen, Wurstvarianten in allen Formen und Eiern. Zudem Kaffee reichlich und jede erdenkliche Kalorie, die irgendwie aufzutreiben war. Schon interessant, was man an so einem Wandertag durchbringt. Selbst wenn ich mich pappsatt esse, nach spätestens zwei Stunden muss ich nachlegen, sonst kommt der Hungerast. Letzterem beugen wir vor und rollen gegen halb zehn zurück auf den Steig. Netterweise geht dieser gleich bergab. Blöderweise ist es heute morgen aber saukalt, sodass wir uns bald wünschen, wieder hinaufzusteigen, damit die Muskeln auftauen. Nach Durchquerung des Örtchens Benfe tut der Weg uns den Gefallen und bringt uns hinauf zur Ederquelle, einem weiteren nicht unbedeutenden Flusslauf, der hier seinen Ursprung hat. Entlang der jungen Eder führt die Route nach Lützel und bei beißendem Wind rasch hinauf zum Aussichtsturm auf dem Gillergipfel. Irgendwie laufen wir heute nicht wirklich rund, da kommt die Einkehr im Gasthof auf der nahen Ginsburg gerade recht. Riesenreibekuchen, sehr sehr geil! Mit vollem Tank gehen die nachfolgenden Hügel gleich besser, Aussichten hats hier kaum, sodass wir zur nächsten Wegmarke durchmarschieren. Pause ist im Hüttchen am Dreiherrenstein. Überhaupt gibt es am Weg zahlreiche kleine Schutzhütten, oft sogar mit Feuerstelle, die eine Biwaktour ohne Zelt problemlos ermöglichen würden. Feuer wäre ohnehin herrlich, es bleibt den ganzen Tag zapfig kalt. Gut, dass es bis zum Tagesziel nur noch 7,9km sind. Auf diesen durchwandern wir das Naturschutzgebiet Haberg und das Schwarzbachtal ehe wir die Wanderschuhe um 17h am Rhein-Weser-Turm an die Garderobe hängen (30km, T1, 7:30h).
 
Donnerstag, 20.04.2017: Rhein-Weser-Turm – Winterberg
Heute muss mich Thomas leider wieder in Richtung rheinische Heimat verlassen. Daher geht’s für mich gegen viertel vor Zehn in eine lange Etappe und zudem in „größere“ Höhen, gespannt ob der Schnee inzwischen weitgehend verschwunden ist. Heute nehmen die technischen Schwierigkeiten etwas zu, wenn man es denn so nennen mag. Lagen die Anforderungen bislang konsequent im T1-Bereich sind heute auch mal wenige etwas schwierige Schritte zu wagen. Die Bewertung „mittelschwierig“ würde ich im Ganzen jedoch nicht teilen. Technisch ist der Weg wirklich von jedermann zu schaffen, der Grunderfahrung im Wandern mitbringt. An dieser Stelle vielleicht noch ein Satz zur Streckenführung: Geschätzt verlaufen ca. 75% der Route auf befestigten Wald- und Forstwegen, 20% auf Pfaden und kleinen Wegen und etwa 5% auf Asphalt. Die Forstwege sind zwar immer mal wieder langweilig, dennoch kann man nicht von einer eintönigen Wanderung sprechen, wozu auch die zahlreichen Wegpunkte beitragen, die immer wieder Aufschluss über Geographie, Geschichte und aktuelle Nutzung geben. Für mich geht es heute zunächst in den Wald. Dort erreiche ich am Margaretenstein den Mittelpunkt des Weges, was mit dem ersten Teil des üppigen Lunchpaketes würdig gefeiert wird. Danach folgt eine kleine Wegschleife bei Jagdhaus und wenig abseits der Strecke eine hübsche, kleine Marienkapelle. Zurück auf dem Hauptkamm kann ich zwischen Berg- und Talvariante wählen. Der Hauptweg führt nun recht eintönig immer auf der Kammlinie, die hier Territorial-, Sprach- und Konfessionsgrenze in einem ist. Im nördlichen Sauerland ist man katholisch und sprach plattdeutsch. Südlich bekennen sich die Menschen eher zur evangelischen Kirche und sprechen mitteldeutsche Dialekte. Der Rothaarkamm als natürliche Siedlungsgrenze hat hier früh zu einer Separierung der Bevölkerungsgruppen geführt. Am Heidenstock kommen beide Routen wieder zusammen und treffen am Albrechtsplatz auf die B236. Für die nächsten Kilometer ist endlich mal tolle Aussicht angesagt, zudem spielt heute das Wetter mit. Unterwegs passiere ich unzählige Weihnachtsbaumkulturen. Über Hohenleye erreiche ich Langewiese, vorgestern noch im tiefsten Winter. Lenneplätze und Neuastenberg bleiben links und rechts liegen, ehe der Schlussanstieg auf den Kahlen Asten führt. Dieser Berg ist sowas wie das sauerländer Pendant zum Feldberg, touristisch erschlossen, also komplett zugebaut und mit entsprechend viel Publikum versehen. Kein Platz zum Bleiben, wenngleich sich der Steig hier noch eine Extraschleife gönnt. Landschaftlich folgt nach dem Abstieg zum Nordhang der hässlichste Part der gesamten Route: Das Winterberger Skigebiet. Wo in der kalten Jahreszeit der Anton aus Tirol den Massen zum Skigaudi jodelt, steht heute ein toter Wald aus Schneelanzen. Ich flüchte. Und bin genervt, dass es zur Georgsschanze noch mal hoch geht. Endlich bin ich in Winterberg, kaufe ordentlich ein, durchquere das gepflegte Zentrum und bewältige noch den ersten Kilometer der letzten Tagestour. Im Hotel Forsthaus finde ich zum letzten Mal Quartier und das wie üblich wirklich exzellent (42km, T2, 8:00h).
 
Freitag, 21.04.2017: Winterberg – Brilon
Nachdem man mich gestern Abend ganz ordentlich gemästet hat ist davon heute Morgen nicht mehr viel zu spüren. Nur ein Loch in Magen, welchem ich mit allem begegne, was das Frühstückbüffet bietet. So gestärkt fliege ich die ersten 2,6km zur Ruhrquelle. Dort treffe ich meine Eltern (und auch noch mehr Essen :) :) :) ). Mein Vater wird mich nun für 23km begleiten. Zunächst wandern wir nach Küstelberg, ein kleines Dorf zwischen Winterberg und Medebach. Hier vereint sich der Rothaarsteig für einige Kilometer mit dem Sauerland-Höhenflug, einem weiteren Fernwanderweg im Rothaargebirge. Einige Abschnitte kenne ich bereits von meinen Kurztrips auf die 800er (siehe *hier und *hier) der Region. Über die Niedersfelder Hochheide steigen wir auf den Langenberg, höchster Punkt des Fernwanderweges und auch von ganz Nordrhein-Westfalen. Die Überschreitung des 843m hohen Gipfels ist heute eine einzige Schlammschlacht, zudem immer wieder eisig, sodass uns das Vorwärtskommen Mühe bereitet. Erst am Richtplatz treffen wir wieder bessere Verhältnisse an, wodurch der Abschnitt hinab nach Bruchhausen recht angenehm zu begehen ist. Während sich mein Vater nun in den Ort verabschiedet geht es für mich noch einmal hinauf zum Kamm. Noch fehlen gut 15km. Von der Feuereiche steigt die Route stramm im Wald bergan. Die Passage über den Ginsterkopf ist nicht nur eine der aussichtsreichsten sondern auch die technische Schlüsselstelle: Ca. 5m muss eine kurze Schrofenpassage abgeklettert werden (ganz kurz T3, umgehbar). Im steten auf und ab treffe ich am Schusterknapp wieder auf Forstwege und zum ersten Mal auf schlechte Beschilderung. Trotzdem, alle Schwierigkeiten liegen hinter mir. Von der Borbergskapelle bietet sich noch mal ein schöner Blick hinab in den Olsberger Talkessel, ehe es durch das Tal der Hillbringse zum Kyrill-Pfad bei Petersborn und hinauf zur Möhnequelle geht. Nun folgt der Endspurt: Der Kurpark, das Drübelwäldchen und diverse andere Spielplätze der Kindheit werden noch passiert, dann erreiche ich den Stadtrand von Brilon. Schon ein bissl komisch, hier wandernd anzukommen, aber auch ein cooles Gefühl, diesen kleinen Trip geschafft zu haben. Dementsprechend gut schmeckt das Bier bei „Km 0“ auf dem Briloner Marktplatz (42km, T2, 10:00h).
 
Was bleibt? Auf jeden Fall das Gefühl die alte Heimat mal wieder wertgeschätzt zu haben, indem sie auf Wanderschuhen erkundet wurde; gute Gespräche mit lieben Menschen; schöne Landschaftserlebnisse, wenn auch nicht immer bei tollem Wetter und nicht zuletzt die Zufriedenheit das sportliche Ziel geschafft zu haben. Unter dem Strich eine wirklich schöne Wandertour, die ich gern weiterempfehle.

Tourengänger: frmat


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