Stoss 2111m

Für die aufwendige Suche nach den idealen Schneebedingungen fehlen mir momentan schlicht Zeit und Nerven. Im Vordergrund stehen deshalb eher das Gesamterlebnis und der landschaftliche Reiz. Und diesbezüglich kann im zentralen Alpstein praktisch nichts schiefgehen. So begeistert auch die Skitour zum Stoss mit ihrer Einsamkeit und dem wilden Ambiente. Und zurzeit findet man in den ideal geneigten Südhängen sogar schöne Sulzverhältnisse.

Kurz nach 8:30 laufe ich vom kostenpflichtigen Parkplatz in Laui (1072m) los. Über die Fahrstrasse erreicht man in wenigen Minuten das Alpeli. Man befindet sich hier bereits inmitten der Faszination Alpstein: Mächtig thronen Wildhuser Schafberg, Stoss und Säntis rund um den schattigen Kessel. Ich folge verwehten Spuren zur Alp Trosen (1329m). Gerade im untersten Bereich liegt der Schnee mehr schlecht als recht und auch weiter oben lauern versteckte Steine. Andererseits trifft man an den ausgeprägten Südhängen bereits früh auf Sonnenstrahlen, so bin ich bald nur noch im Shirt unterwegs.

Der Übergang durch einen Felsgürtel auf die nächsthöhere Ebene, Schrenit (1645m), markiert eine erste Schlüsselstelle der Tour. Wichtig: Man folgt hier nicht dem Sommerweg. Im Gegensatz zur offiziellen Skiroute steige ich bereits das erste Couloir hoch, eng und stellenweise >35°, aber nicht ausgesetzt. Auf der LK ist dieser Durchschlupf gut zu erkennen. Oben angekommen wähnt man sich einer anderen Welt: fernab der Zivilsation, umgeben von wilden Felstürmen wie dem Schwarz Chopf, dem Gamschopf oder eben dem Stoss mit seiner Mittagwand.

Ab Schrenit empfiehlt es sich, ungefähr dem Gratrücken zu folgen statt der Mulde westlich davon. Beim folgenden Ausstieg aus dem eindrücklichen Kessel zum Sattel hoch übersteigt man ganz kurz nochmals die 35°. Ebenfalls gilt es auf Wechten zu achten. Oben auf der Lauchwis empfängt mich der giftige Südwind, der mich bisher verschont hat. Er hat die gesamte Westflanke vom Stoss bearbeitet: Auf 20 Meter Pulverschneetaschen folgen 20 Meter blanker Hartschnee etc. Zu faul die Harscheisen hervorzuholen, hangle ich mich ersteren entlang den angenehm geneigten Hang hoch.

Dort, wo der Wanderweg zur Querung in den Stosssattel ansetzt, deponiere ich die Skier. Den felsigen Schlussaufstieg muss man zwingend zu Fuss absolvieren. Das ist heikler als erwartet: sehr steil und stellenweise ausgesetzt und mit Kraxelei verbunden. Steigeisen (und evtl. Pickel) sollten zur Sicherheit dabei sein. Im Aufstieg hab ich auf deren Gebrauch verzichtet - im Nachhinein unvernünftig. Beim Gipfelkreuz vom Stoss (2111m) angekommen öffnet sich ein herrlicher Blick nach Norden Richtung Säntis. Wer den Alpstein schon im Sommer liebt, wird sich im Winter vor Begeisterung kaum halten können. Ich packe mich dick ein, um die Szenerie möglichst lange geniessen zu können. Fast vergessen geht bei dieser Schwärmerei, dass von hier auch die Churfirsten und das verschneite Appenzellerland "ganz nett" anzuschauen sind... Auf den Eintrag im Gipfelbuch verzichte ich, gezwungenermassen: Alles rütteln und reissen hilft nicht, um die zugefrorene Metallbüchse aufzukriegen.

Der Fussabstieg geht, nun mit Steigeisen ausgerüstet, ganz angenehm vonstatten. Genau wie die folgende Abfahrt zur Lauchwis über die Schneeverwehungen. Die Südhänge zurück ins Alpeli weisen dann bereits Frühlingssulz auf (unten recht schwer). Die Handvoll Tourenfahrer, die mir unterwegs entgegenkommt, ist deshalb wohl etwas spät unterwegs. Ach ja, in der Abfahrt probiere ich doch noch, mich an die "offizielle" Routenführung durch den Felsgürtel zu halten. Das geht gehörig schief: Plötzlich steh ich oberhalb eines Felswändchen und muss zu Fuss zurücksteigen, um dann über Karst und Gestrüpp zurück zur Aufstiegsroute queren. Retour beim Parkplatz in Laui treffe ich auf allerhand Volk, welches die klassische Säntisabfahrt absolviert hat.


Zeiten
2:15  Stoss (teils gespurt)
0:45  Laui