Stoss Mittagswand (Mittagskante)


Publiziert von MarcelL , 17. Juni 2020 um 08:20.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:12 Juni 2020
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: VII- (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-SG 
Zeitbedarf: 1 Tage
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 900 m
Strecke:10 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Unterwasser - Alp Laui

Mittagskante (Kombiroute)

Zustieg:

Strasse hoch zur Alp Trosen (steil), hoch zum Klettergarten Stoss und weiter Richtung Alp Schrenit. Wo dort der Weg waagrecht wird steht rechts an einem größeren Felsen in blau ein Pfeil zum Stoss (ca. nach 50 m). Idealerweise dort nicht abbiegen, sondern 100 m waagrecht weiter und weglos hoch Richtung des meist vorstehenden Felsens (grauer Kalk) oben im Kar. Dort trifft man auf Steigspur von Schrenit her. Diese zieht ganz in den Ostteil des Kars, und dann in einer großen Quere (also die zweite) unter dem steileren Geländeabbruch ganz oben im Kar entlang nach Westen und über einen Sporn direkt zum Einstieg. Der Weg ist klein, aber so findet man ihn. Weiter unten existiert nichts klares, sind aber nur 10 min über die Wiese. (Aufstieg so ca. 1,5 h, 620 Hm).

Mittagskante
 
Allgemeines zur Kombiroute:
Der Name der Tour „Mittagskante“ und die genaue Definition finden sich nicht im SAC-Führer. Im Prinzip lassen sich viele Touren an der Mittagswand (des Stoss) kombinieren. Es ist aber wirklich Schade, dass es nicht wenigstens eine beschriebene Festkombination gibt. Dies würde die grossartige Tourenmöglichkeit besser herausstellen, und für Gebietsfremde auch klarer definieren. Trotz der relativ kleinen Wand, die kaum jemandem überhaupt bekannt sein dürfte, würden wir die von uns hier beschriebene Tour mit einer großen Unternehmung wie dem Schweizerpfeiler (Drusentürme, Rhätikon), oder den grossen Klassikern wie am Totenkirchl (Dülfer) oder der Schüsselkarspitze (S/SO-Wand) vergleichen. Im Alpstein kommt einem noch der Pauseklassiker Roter Turm-Hundstein in den Sinn, der aber eher kürzer und einfacher ist. Wir würden hoffen, dass irgendwann jemand Lust und Fähigkeiten mitbringt, 10 zusätzliche Bolts zu setzen um die Tour etwas an moderne (Sicherheits)-Ansprüche heranzubringen, oder ein paar mehr Bolts um eine rassige alpine Sportklettertour daraus zu machen (in Absprachen mit den Primärereschliessern).
 
Charakter: steile Kletterei in herrlich rauem Kalk. Ausserordentlich abwechslungsreich, aber auch komplex vom „lesen“ der Kletterstellen her. Praktisch keine Plattenschleicherstelle, dafür oft vertikale Trittstrukturen (Schlitze, Kanten, Risse). Einige recht athletische Passagen. Fels meist gut und sehr gut, aber manchmal etwas zweifelhaft aussehend (gefühlt) und selten (!) tatsächlich brüchig. Die komplexe Felsstruktur, und das Gefühl öfter sehr kontrolliert und vorsichtig belasten zu müssen, machte (zumindest für uns) das vorankommen eher langsam (im Vergleich mit Touren ähnlicher Schwierigkeit). Man sollte daher genügend Zeit einberechnen. Man sollte auch auf sichere Wetterverhältnisse achten. In unserem Fall wäre abseilen bei dem tobenden Föhnsturm unmöglich gewesen. Bei großer Sommerhitze ist die Wand vermutlich auch sehr sonnenbeschienen und schmerzhaft. Nebel/Wolken können die Orientierung sehr schwierig machen.
 
Wandstruktur: Die Tour folgt mehr oder weniger der SW-Kante, bzw. einer Art SW-Grat. Die Wandstruktur ist wild zerklüftet, mit etlichen Grattürmen und Absätzen verziert, die man so in der Draufsicht überhaupt nicht erkennt oder versteht. Deshalb ist eine durchgehende Beschreibung der Gesamttour nützlich. Es muss zweimal abgeseilt werden, und jeweils auf dem Zielgrasband die Fortsetzung gefunden werden. Insgesamt ergibt sich eine sehr logische natürliche Linie, die man intuitiv finden kann (auch deshalb schön als Gesamttour zu definieren). Aus einem einzigen Wandbild ist dies jedoch kaum ablesbar. Bei den Bildern finden sich deshalb mehrere Perspektiven.
 
Zustieg und Abstieg:
Strasse hoch zur Alp Trosen (steil), hoch zum Klettergarten Stoss und weiter Richtung Alp Schrenit. Wo dort der Weg waagrecht wird steht rechts an einem größeren Felsen in blau ein Pfeil zum Stoss (ca. nach 50 m). Idealerweise dort nicht abbiegen, sondern 100 m waagrecht weiter und weglos hoch Richtung des meist vorstehenden Felsens (grauer Kalk) oben im Kar. Dort trifft man auf Steigspur von Schrenit her. Diese zieht ganz in den Ostteil des Kars, und dann in einer großen Quere unter dem steileren Geländeabbruch ganz oben im Kar entlang nach Westen und über einen Sporn direkt zum Einstieg. Der Weg ist klein, aber so findet man ihn. Weiter unten existiert nichts klares, sind aber nur 10 min über die Wiese. (Aufstieg so ca. 1,5 h, 620 Hm). Am Einstieg ist ein BH klar sichtbar.
 
Abstieg: man läuft mehr oder weniger die Wiese runter und kommt wieder direkt an den Rucksäcken an, besehe sich das aber genau von der Route aus. Vom Ausstieg gehts erst mal aufwärts Richtung NW Seite des Bergs. Man quert auf kleinen Steigen, z.T. an steilen Rinnen bis knapp vor den N-Abbruch. Dort trifft mal auf den Gipfelweg (deutlicher Wanderweg), den man nach unten (Richtung Westen) auf den Sattel zu verfolgt. Im Sattel liegt eine verfallene Alm. Achtung, man biegt ca. 150 m davor nach links (Süden ab). Dort über Grashänge südlich runter und dann immer direkt unter den Felsen entlang bis zu den Rucksäcken,
 
 
Kletterroute (Textbeschreibung in Ergänzung zum SAC Topo (Küng)
 
SL1 (6): Genau in dem Winkel zwischen der eigentlichen Wand und dem westlichen Schrofenvorbau geht es los (an der Wandseite). Der Fels ist solide, es stecken 3 BH, gut platziert. Unten kann es bei Nässe etwas sandig, schmierig sein, insgesamt aber OK Kletterei zum aufwärmen. Nix besonderes, aber guter Stand. Der Alternativeinstieg über Showerpower ist nicht zu empfehlen (sehr botanisch) und der Direkteinstieg hat tollen Fels, passt aber eigentlich nicht zur Route (6c+,A0).
SL2 (6): Ein bischen nach rechts (BH) zu Schlinge (liegt rechts der weiteren Kletterlinie), und grad die Rissverschneidung hoch. Schöner Fels und oben auch schöne Platten (II) rechts querend über die Schulter (1 BH auf den Platten, wegen Seilverlauf für Nachsteiger) zu Stand von Showerpower (gut, weit rechts).
SL3 (6+): Das Riss-Verschneidungssystem gerade hoch. Beim Einstieg in die große Verschneidung ist viel Schlingengelumpe in einer Sanduhr. Stelle ist einfach, aber drüber kommt ein etwas wackliger Schritt links aus der Verschneidung raus zum Stand (nicht sichtbar aus der Verschneidung, direkt an der Kante). Bietet sich an, bevor man zum Stand quert, noch 1 m weiter in der Verschneidung zu klettern und den BH zu clippen. Dann ist der Quergang zum Stand gesichert, man braucht sich nicht auf die miesen Schlingen verlassen, und für die nächste SL ist auch schon der Start abgesichert.
SL4 (6+): Die Verschneidung hoch, 3BH (der erste schon vorgeclippt, der letzte mit loser Lasche). Auf der Höhe steckt an der rechten Begrenzung der Verschneidung auch noch ein guter NH. Eventuell kann man dort rechts aus der Verschneidung rausqueren? Direkter Weg führt aber die Verschneidung hoch (Risse werden über dem 3. Bolt stumpf und man muss recht kräftig zupacken, da wenig Tritte). Bevor die Verschneidung in einem Wulst endet, geht es rechts raus (Haken im Wulst) und rechts vom Haken einem riss entlang leichter nach oben zu Stand auf Pfeilerkopf. (Man kann auch im oberen Teil der Verschneidung ca. 3 m nach links queren (gelb-oranger Fels), wo man an eine sehr kühne, fast spektakuläre und cleane Risschuppe kommt (Riss nicht vom Verschneidung zu sehen), die direkt zum Stand führt (anscheinend 6+).
SL5 (3): vom Stand zum Hauptgipfelaufbau des kleinen Turms hinüber und links um den Turm herum (N-seitig). Achtung: auf keine Fall auf den Turm hoch (da führt eine ca. 5-6 m hohe Rampe/Verschneidung hoch), sondern auf Grasband (hübsche Blumen) queren, und leicht von oben an Abseilstand von Südwandrouten (no brains), und 2 m weiter (Richtung Osten) an den Abseilstand (2 BH, neuere Schlingen).
SL6: exakt 25 m nach Osten abseilen. Man könnte auch 50 m abseilen, aber die Chance, dass sich Seil dann beim abziehen verhängt ist fast 100% (wahnsinnig rauer und schuppiger Fels auf Zwischenschulter). Man kann dort Stand an 2 ordentlichen Cams machen (obwohl alles brüchig aussieht).
SL7 (T5+): die schrofige Grasrinne absteigen und etwas nach Osten queren. Dort ist am tiefsten Punkt ein Pfeiler mit solidem Fels und Stand (1 BH, 1 NH)
SL8 (6): Man steigt jetzt in die Route Albatros ein. Diese ist im Prinzip ordentlich gesichert, aber das Material ist von 1993. Man quert das Band entlang 5-10 m rüber zu der schrofigen SW Kante des Däumling (also da wo man direkt draufschaut, links von der Kante ist eine scharf abbrechende Schlucht). Die Kante geht es dann 30 m an immer fester, kompakter und steiler werdendem Fels hoch (gute Kletterei) zu Stand auf Kantenabsatz.
SL9 (7-): Vom Stand nach rechts zu BH in superkompakter Wand, und weiter rechts hoch zu BH. Um diesen recht rum und dann in etwas weniger kompaktem, etwas zerbrochenem Gelände hoch. Dort Graspolster und viele vertikale Schuppen. Eine davon ist durchbohrt und mit 25 Jahre alter Schlinge gefädelt (mit Messer und einer Kevlarschnur könnte man da verbessern). Von dort hoch zu SU (wieder mit Uraltschlinge, wo man nichts anderes durchbringt, da inzwischen Graspolster über die Schlinge gewachsen ist. Direkt 40 cm neben der Schlinge ist eine andere SU (diese lässt sich mit 6 mm Kevlar fädeln; Cam würde da vermutlich auch irgendwo sitzen). Danach geht‘s zur Sache auf die geschlossene Platte. Schlüsselmove (Quergang) ist mit BH gesichert. Kletterei ist eher athletisch, als typische Platte. Weiter hoch zu durchbohrter Schuppe (verrottete Schlinge) und leichter dem Riss entlang zu Stand (in dem Teil überall gut mit Cams absicherbar). Stand direkt am nächsten Steilaufschwung.
SL10 (6+): Vom Stand überhängend und sehr athletisch nach oben (2 BH), unter dem Wulst nach links in Rissverschneidung. Dort entlang, bis sich der Riss gabelt. Linker Arm des Y ist sehr schön, rechter etwas brachialer. Beide kommen nach 5 m wieder zusammen und von dort leicht rechts aufwärts (BH) zu Stand an Köpflschlinge (selber Bauen), oder direkt zum Gipfel des Däumling (III, 1 BH) in der gleichen Seillänge, Stand auf Gipfel an 2 BH mit Schlinge.
SL11 (2+): Von der Köpflschlinge, oder vom Gipfel in die Scharte Nordseitig vom Gipfel und zu Abseilstelle/Stand auf O-Seite der Scharte (10-15 m). Stand an einzelnem BH mit Maillon.
SL12 (T5+): 15 m die schrofige Grasrinne abklettern bis zu solidem Felsbrocken mit Abseilschlinge (die führt die S-Wand runter). Von der Schlinge schräg rechts (nach Osten) hochkrabbeln zur Felswand (der erste kann sich hier gut von oben sichern lassen: der zweite kann über die Abseilstelle gesichert werden. Man kann auch einfach abseilen und rüberqueren, aber wir mochten das nicht mit dem einzelnen 25 Jahre-alten BH.
SL13 (6+): Start der Route (Orient Express) in Mitte der geschlossenen Wand ist offensichtlich (3 BH sichtbar). 3 m weiter links geht ein Spalt (Schlucht) in die Wand. Irgendwo dort hinten startet Rotkäppchen. Man ersteigt einen 2 m hohen scharfen Felszapfen und spreizt von diesem zur Wand. Dann über anspruchsvolle Passage (1,5 m BH Abstände) hochkrallen und ca. 10 m weiter hoch (Cams) zu BH. An diesem rechts vorbei gerade nach oben zu BH und dann zu Stand unter überhängendem Riss.
SL14 (6+): Im sehr wasserzerfressenen Fels hoch zum Riss (alternativ Riss von leicht rechts anklettern), 1 BH unter Rissstart in der Wand. Sehr beherzt und athletisch in den breiten Riss und 2 m leicht überhängend hoch (BH). Nochmals 2-3 m dem nun Handriss entlang (BH) und dann nach oben zu Stand auf Pfeilerkopf (gut). (ca. 3-4 m weiter links (einguerbar) verläuft die Rotkäppchen über steile, raue Wandstrukturen und kommt zum gleichen Stand).
SL15 (I+): Der nächste Wandabschnitt ist ca. 20 m zurückgesetzt (nach N) und man erreicht ihn über einen stumpfen Grat, einmal rechts einen Rampe leicht absteigend und dann wieder links zur auffälligen braunen Verschneidung in der Wand ansteigend. Darunter guter Stand.
SL16 (6): in steilem, sehr rauem braunen Fels nach oben bis zu Absatz (2 BH), von dort etwas nach rechts und die Verschneidung weiter steil nach oben zum Ausstieg (2 BH). Genau am Absatz scheint der Fels nicht ganz so fest, aber es lässt sich dort sehr gut und bequem ein mittlerer Keil platzieren. Stand an 2 BH.
SL17 (I+): Man befindet sich auf einem waagrechten Grat, der 30 cm bis 2 m breit ist, und nach N 20 m abfällt, nach S 200 m. Man folgt dem Grat ca. 40 m nach O bis zur Wiese und dem Weg, der links (W) um die Gipfelaufbauten herum zieht.
 
 
Bewertung/Sicherung:
Die Route ist ein tolles Gesamtkunstwerk, über komplexen Grat logisch nach oben. Der Fels ist oft sehr rau, mit scharfen Schuppen. Fast jede SL hat klettertechnisch eine Besonderheit, so dass es abwechslungsreich bleibt – und spannend, was als nächstes kommt. Felsqualität ist meist gut-sehr gut, jedoch mit 2 Schrofenlängen und kleineren etwas weniger festen Passagen. Prüfung des Gesteins aber oft sinnvoll und daher zeitaufwändig. Graspolsterkletterei ist selten. Die Routen sind 20-27 Jahre alt und waren für die damalige Zeit eher gut bis sehr gut gesichert. Das Material ist z.T. gealtert (Schlingen in durchbohrten Schuppen; lose Plättchen), z.T. sind die Ansprüche gestiegen (Abseilen lieber nicht an einzelnem BH, Wunsch nach mehr Sicherung an wackligen Stellen). Insgesamt lässt sich das recht gut mit Cams abfangen, ist aber Zeit-aufwändig und macht Routenfindung anspruchsvoller. Etliche Stellen sind zwingend vom Haken wegzuklettern (auch die Cruxes SL9 und SL14), und man sollte sich sicher sein, den Grad zu beherrschen (es ist gebietsüblich streng bewertet, vom Stil her eher athletisch als Schleicherei, sogar auf der Cruxplatte). Abseilen über verschiedene S-Wandrouten ist theoretisch möglich, benötigt aber sicher einiges Glück, um in dem rauen Fels mit den vielen Schuppen nicht heftige Seilhänger zu haben. Ausstieg oben ist sicher schöner und Abstieg mit Turnschuhen problemlos.

Tourengänger: MarcelL


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