Aschergraben - Mit allen Wassern (Zinn) gewaschen


Publiziert von lainari , 23. Dezember 2016 um 17:30.

Region: Welt » Deutschland » Östliche Mittelgebirge » Erzgebirge
Tour Datum:17 Dezember 2016
Wandern Schwierigkeit: T2 - Bergwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   CZ 
Zeitbedarf: 4:45
Aufstieg: 240 m
Abstieg: 240 m
Strecke:15 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto bis Zinnwald oder Bus Linie 360 Dresden-Zinnwald
Kartennummer:1:33.000, SK Nr. 03 Osterzgebirge oder 1:50.000, KČT Nr. 6 Krušné hory - Teplicko

Bergmännische Wasserbauwerke III
 
Bei dem erwarteten trockenen und kalten Wetter bot es sich an, eine weitere historische Spurensuche zu absolvieren. Natürlich sollte der Bergbau das beherrschende Thema der Tour sein, dessen Tradition und Symbolik besonders jetzt in der Weihnachtszeit im Erzgebirge vielfach in Erscheinung tritt.
In Altenberg begann um 1440 ein intensiver Bergbau auf Zinn. Zur Verarbeitung des Erzes waren umfangreiche Aufwände erforderlich. So gab es zu Hochzeiten der Förderung im Tiefenbachtal über ein Dutzend Pochwäschen mit über 1000 Stempeln. Für den Antrieb und das Waschen bei der nassmechanischen Aufbereitung, die auf dem Dichteunterschied von Gestein und Erz basiert, brauchte es Wasser. Da Altenberg relativ hoch auf dem Berg gelegen ist, war ein ausgeklügeltes System an Wassersammlern und Speichern notwendig. Als eines der ersten künstlichen Wasserbauwerke wurde 1452-1458 der so genannte Aschergraben gebaut. Dieser leitete Wasser aus dem Zinnwalder Häuerwasser/Heerwasser um die Scharspitze herum in das Altenberger Tiefenbachtal, wo einst diverse Verbraucher ansässig waren. Ergänzt wurde dieses System durch einen Graben, der auf böhmischem Gebiet Wasser vom Nordhang des Cinovecký hřbet (Zinnwalder Berg) sammelte. Dieser wurde wegen seines Verlaufes Grenzgraben (Hraniční příkop) genannt und leitete das Wasser in den Zinnwaldgrundbach ein, der seinerseits in der Tallage des Rosengrundes zwei Pochwäschen bediente. Im unteren Talabschnitt wurde das Wasser aus dem natürlichen Bachlauf über einen Aufschlaggraben zur einstigen Reich Troster Wäsche, dem Standort der späteren Zinnwalder Zentralwäsche abgezweigt. Dort wurde es wiederum an das Heerwasser abgegeben, so dass sich eine Verbindung zum Aschergraben ergab. Deshalb wird vielfach das heute noch etwa 6 km lange Gesamtsystem bis zum Tiefenbach-Wasserfall als Aschergraben bezeichnet, was aus vorgenannten Gründen nicht ganz zutreffend ist.
 
Zur Betrachtung des Gesamtkomplexes begab ich mich nach Zinnwald und parkte an der Hauptstraße. Zu Fuß in den kalten Tag gestartet, lief ich durch eine herrliche Raureiflandschaft hinüber ins Böhmische nach Cinovec (Böhmisch Zinnwald) und passierte den zugefrorenen Dlouhý rybník (Langer Teich), der einst dem böhmischen Bergbau als Wasserspeicher diente. Am Ende der auf der linken Seite des Sträßchens befindlichen Offenfläche bog ich an der Waldkante nach links ab, und folgte der Kontur der Waldgrenze bis zur Staatsgrenze. Dort traf ich am Grenzstein 11 auf den Grenzgraben. Die Grenze knickt an dieser Stelle rechtwinklig ab und der Graben verläuft auf böhmischer Seite in augenscheinlich unbegehbarem Moorgelände weiter, wo er laut Karte nach etwa 300 m seinen Ausgang nehmen soll. Eine weitere Erkundung schien an dieser Stelle nicht angezeigt. So wandte ich mich talwärts und lief am Rand des trockenen Grabens durch den Wald. Unterwegs wurde er vom östlichen Abfluss des Dlouhý rybník gespeist. Ein Teil des Wassers gab er an der Waldkante an das Pfarrwasser ab. Nun verlief der Graben durch Wiesenland. Nach dem er sich vom Grenzverlauf gelöst hatte, nahm er mit größerem Gefälle den Weg in den Zinnwalder Rosengrund, wo er sich mit dem Lauf des Zinnwaldgrundbaches vereinigte. Vorbei am Gelände der einstigen Pelswäsche ging ich talwärts. Im unteren Teil des Grundes befand sich früher eine weitere Zinnwäsche. Aus dem natürlichen Bachlauf wurde nun der Aufschlaggraben zur einstigen Reich Troster Wäsche/spätere Zentralwäsche der Becker AG abgezweigt. Dieser Grabenlauf liegt heute trocken. Auf dem einst umfangreich bebauten Betriebsgelände haben sich bis heute der Turm der Erzwäsche II, das Verwaltungsgebäude und das Bergmagazin erhalten. Das in der Wäsche verarbeitete Wasser wurde an das Heerwasser abgegeben, wo nach wenigen Metern der Aschergraben seinen Ausgang nahm. Der den Graben heute auf dem ersten Stück begleitende breite Weg geht auf die Haldenbahntrasse der unteren Sandhalde zurück. Entlang des Talhanges wurden hier die fein gemahlenen, ausgewaschenen Gesteinsmassen deponiert. Etwas ursprünglicher, umläuft der Graben schließlich die Scharspitze nördlich. Nordöstlich des Berges wird der Graben mit dem Schwarzwasser(bach) vereinigt. Das Wasser wird, da heute nicht mehr benötigt, an den Hanggraben abgegeben. Die alte Grabentrasse des Aschergrabens verliert sich an der Flanke des Tiefenbach-Tales. Ich lenkte meine Schritte zunächst zum Gelände der einstigen IV. Wäsche, die bereits 1577 urkundlich erwähnt wurde und in der heute in Nachbarschaft zum Besucherbergwerk Neubeschert-Glück-Stolln ein Bergbaumuseum untergebracht ist.
 
Der Bergbau in Altenberg ist charakterisiert vom riesigen Einsturztrichter der Altenberger Pinge. Das relativ begrenzte Areal des Altenberger Zwitterstockes wurde von Anbeginn an intensiv bebaut, so dass das entstandene Berggebäude sprichwörtlich einem Schweizer Käse zur Ehre gereicht hätte. Bereits am 15. November 1545 kam es zu einem ersten Verbruch, bei dem die Bruchsohle etwa bis 100 m unter Geländeoberkante reichte. Trotzdem wirtschafteten dort um 1575 über 35 Zechen im Zinnbergbau. Hatten einige traditionelle Namen wie Erasmus, St. Christoph, Bergmeister oder Herrenzeche, kamen andere recht unkonventionell daher: Biermaul samt St. Andreas, Hosewetter, Haderung samt dem Scheißer, Fauler Weg samt Fleischers Zeche oder Saustall, so die kuriosesten. Am 24. Januar 1620 kam es dann zum Hauptbruch der Pinge bis auf eine Bruchsohle von 200 m unter Geländeoberkante. Der Festgesteinsabbau kam in der Folgezeit zum Erliegen. Später fuhr man Bruchkessel und Bruchmasse seitlich an, um das lose erzhaltige Gestein im Bruchortabbau, Rollortabbau oder im Schubortabbau zu gewinnen. In der letzten Phase des industriellen Bergbaus wurde die Bruchmasse von unten aus dem Festgestein im Teilsohlen(block)bruchbau mit einem Netz von trichterförmigen Ladeörtern abgebaut. Mit der politischen Wende wurde der Zinnbergbau wegen tiefer Weltmarktpreise und hoher Kosten eingestellt. Das entwickelte Verfahren war jedoch in seiner Form ausgereift und könnte bei steigenden Preisen wieder aufgenommen werden, die Restmenge erzhaltigen Gesteins wird auf etwa 27 Mio. t mit einer Ausbeute von ca. 72.000 t Zinn geschätzt. Bergbau in besiedeltem Gebiet und unter Berücksichtigung von Umweltaspekten ist freilich konkurrenzmäßig gegenüber einem Abbau im Nirgendwo per se benachteiligt.
Nach Zentralisierung der Erzaufbereitung in der Schwarzwasseraufbereitung und der Römeraufbereitung wurden die alten Pochwäschen im Tal aufgegeben und der Abfluss des Tiefenbaches verrohrt. Dann wurde das Areal von der Tiefenbach-Spülsandhalde überformt. Ein unentdeckt gebliebener Bruch des Betonrohres verwandelte das feinkörnige Material in eine Art Wackelpudding, so dass es nach Abriss der Haftreibung am 9. Oktober 1966 zu einem verheerenden Böschungsbruch kam, bei dem der Ort Geising von 200.000 m³ Schlamm überflutet wurde. Als Konsequenz wurden der Tiefenbach und das Schwarzwasser seit dieser Zeit über den Hanggraben um das Areal herumgeleitet sowie ein Überleitstollen zu einer neuen Spülsandhalde im Bielatal gebaut. Durch Nutzung eines alten Steinbruchgeländes entstand im unteren Teil des Hanggrabens der sehenswerte künstliche Tiefenbach-Wasserfall.
 
Dorthin lenkte ich nun meine Schritte. Spritzwasser hatte eine schöne Vereisung gebildet. Am herrlich besonnten Hang legte ich eine Rast ein. Nach Altenberg zurückgelaufen, ging ich im Gewerbegebiet Europark durch das teilweise rückgebaute Zinnerz-Betriebsgelände vorbei am Arno-Lippmann-Schacht. Am Rand der Bebauung nutzte ich einen Flurweg mit einer roten Wanderwegmarkierung hinunter ins Tal des Schwarzwassers. Am Gegenanstieg passierte ich das Gelände der 1937 in Betrieb gegangenen gemeinsamen Schwarzwasseraufbereitung des Zinnwälder und Altenberger Bergbaus, deren nassmechanische Aufbereitung erstmals auch mit einer Zinn und Wolfram-Flotation erweitert war. Auf der dazugehörigen Sandhalde war es schon 1944 zu einem Böschungsbruch von etwa 150.000 m³ Haldenmaterial gekommen, der jedoch vom Wald gestoppt wurde und keine größeren Schäden verursachte. Das erzhaltige Gestein wurde mit Transportseilbahnen herangeführt. Die Zinnwälder Sektion nahm dabei am dortigen Albertschacht ihren Ausgang und wurde (möglicherweise als Reparationsleistung) nach Kriegsende abgebaut. Auf dem Weg über den Höhenrücken waren noch einige Seilbahnfundamente zu entdecken. Auf dem Höhenrücken bog ich zunächst nach links ab und machte einen Abstecher zur Scharspitze. 1908 wurde zwischen dem Bahnhof Geising und dem Aschergraben eine Natur-Bobbahn mit Holzkurven gebaut, die dann 1910 bis zur Scharspitze verlängert sowie mit Steinkurven ausgestattet wurde und damit bis 2,2 km lang war. Sie war technisch gut ausgestattet, relativ schneesicher und wurde bis in die 1930er Jahre benutzt. Die Trasse kann heute noch begangen werden. Ich ging zurück, überquerte den Hauptweg und machte noch einen Abstecher zur nahen BIWAK-Kuppe. Anschließend kehrte ich zum Hauptweg zurück und lief vorbei am Besucherbergwerk „Vereinigt Zwitterfeld“ und am Albertschacht zum Parkplatz in Zinnwald zurück.
 
Die pausenbereinigte Gehzeit betrug 4 h 45 min.
Die Begehung des Grenzgrabens und der Zugang zum Tiefenbach-Wasserfall sind mit T2 zu bewerten, die restliche Strecke mit T1.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein herzliches „Glück Auf!“ für das Jahr 2017

Tourengänger: lainari


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Kommentare (2)


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PStraub hat gesagt: Danke ..
Gesendet am 24. Dezember 2016 um 07:46
.. für diesen interessanten Bericht über den Erzgebirge-Bergbau!

Gruss Peter

lainari hat gesagt: RE: Wandern,
Gesendet am 24. Dezember 2016 um 10:16
die/das Wissen-schaf(f)t ;-)

Vielen Dank für die nette Rückmeldung!

Dinge, die im Alltag meist unbeachtet bleiben auf ihren Ursprung zurückzuverfolgen und in Zusammenhang zu setzen macht mir riesigen Spaß. Und wenn man sich dabei noch bewegen muss, ist's perfekt.

Viele Grüße Holger


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