Träume vom Sommer: Zwölferkante - die Schönste in den Waxensteinen


Publiziert von alpensucht , 3. Januar 2017 um 23:32.

Region: Welt » Deutschland » Alpen » Wetterstein-Gebirge
Tour Datum: 4 August 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: IV (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 
Zeitbedarf: 15:15
Aufstieg: 1000 m
Abstieg: 1000 m
Strecke:Waxensteinhütte-Zwölferkopf-Scharte-Normalweg Gr. Waxentein-Höllentalanger-Stangensteig-Waxensteinhütte - ca. 6km

Für heute Nachmittag sind Gewitter oder mindestens Regenschauer vorhergesagt. Den Abstiegsweg (1. Durch Mittagsschlucht Abseilen, 2. Ins Höllental auf Waxenstein-Normalweg) unserer heutigen Tour habe ich am Vortag erkundet. Welche der beiden Möglichkeiten wir wählen, zeigt sich im Verlauf der Tour.

Die Höllentalangerhütte bietet uns im Notfall auch Unterkunft. So oft und schnell klettern wir nicht alpin, so gut kennen wir uns in der Gebirgsgruppe noch nicht aus und so einfach wird der richtige Einstieg nicht zu finden sein.

 

Zustieg T6, III 1h 30min (unsere Variante)

Bei diesen Erwägungen baut sich eine ordentliche Spannung auf, als wir um 5:50 Uhr vor die Hütte treten und uns oberhalb zur Mittagsreise durch die Latschen drücken. Wir nehmen die kleinere westlichere Schuttrinne zum Aufstieg. Am Vortag in der richtigen Mittagreiße war der Aufstieg deutlich weniger mühsam. Wir schottern zügig hinauf, queren irgendwann links über den festeren Rücken in die richtige Rinne und steigen dort bis zum Schneefeld auf. Mich zieht es auf bekannter Route links vom Schneefeld höher (I-II), Jonas bleibt weiter rechts. Oberhalb ziehe ich zu ihm herüber. Weiter oben rechts sehen wir eine Gedenktafel und vermuten deshalb dort den Einstieg.

 

Gefühlte zwei Seillängen gehen wir noch ohne Seil, wobei wir zwei Normalhaken passieren (Stellen III). Dann erst finden wir einen richtigen Standplatz. Weit links an der Kante sehen wir Reepschnüre in einer Sanduhr und vermuten deshalb dort den weiteren Verlauf. Die Beschreibung passt noch nicht zum Gelände, glauben wir uns ja bereits mindestens in der 2. oder 3. SL. Nach einer ziemlich heiklen Querung 6m nach links erreiche ich die Sanduhr und muss nun extrem ausgesetzt an der Kante weiter links queren. Direkt hinauf würde klettertechnisch deutlich schwieriger sein.

Nach weiteren 8m wird das Gelände derart brüchig, dass ich wieder drei Meter zurück komme und es einige Meter (III, sehr brüchig) direkt hinauf über die Nase probiere. Dabei bekomme ich schon zittrige Füße und schweißnasse Hände, weil ich soweit neben der Sanduhr im Bruch gehe - und entschließe mich bald zur Umkehr. Diese verläuft nicht weniger heikel, einige Steinchen schmeiße ich aus Versehen.

 

1. bis 7. Seillänge II bis IV, Zeit nicht mehr nachvollziehbar

Plötzlich ruft's knapp unter mir: „Hey – schmeißt's moal net so viele Steine oder wos!“ Ein Freesolist kraxelt fröhlich unter mir herum und weiß sich im Zustieg zur ersten (!) Seillänge, deren Standplatz wir drüben benutzen. Den schickt wahrlich der Himmel! Zurück am Standplatz erklärt er uns den genauen weiteren Verlauf und einige Minuten können wir ihn auch noch sehen. So gewandt habe ich in solchem Gelände nie zuvor jemanden klettern sehen! Mit der Expertenerklärung zusammen macht die Beschreibung nun total Sinn.

 

Jonas steigt die erste (richtige) SL vor (IV-, 45m). Erst 10m schräg rechts etwas brüchig durch eine Rinne, dann einen Quergang rechts. Auch in der 2. SL (IV, 40m) bleibt Jonas vorn. Die besteht aus einer abfallenden Querung rechts, ein Stück Wand bis zu einer Verschneidung und oberhalb davon in gestuftem Gelände zum nächsten Stand.

 

 

Die 3. und 4. (II, 80m) gehen wir am am langen Seil gleichzeitig. Bei der 5. (II, 40m) steige ich vor und gehe noch die Hälfte der 6. (II, ca. 20 von 35m) an und baue mittendrin einen rein alpinen Stand aus Köpfel, Friend und Keil. Dann ist wieder Jonas an der Reihe, vollendet die 6. und hängt direkt die schöne 7. (IV) über Platten mit Wasserrillen dran.

 

7. bis 12. Seillänge und der Gipfel II bis IV, Zeit nicht mehr nachvollziehbar

Den höchsten Klettergenuss erleben wir dann in der 8. SL (IV, 35m). Über rissdurchzogene Platten geht es wunderschön mit unzählbaren Placements zum Sichern hinauf. Das gleiche gilt für die 9. SL (IV-, 35m), wobei hier noch kurze Verschneidungen die Kletterei abwechslungsreicher gestalten. Außerdem befinden sich hier einige Haken zum Zwischensichern. Die letzten 15m dieser Länge geht es richtig rechts hinaus an die Kante und dann wieder links zum Stand, den ich einige Zeit suchen muss.

 

Die 10. Länge (III, 35m) nimmt Jonas wieder in Angriff, lässt sich schön für den Überhang (III)Zeit. Im Nachstieg erinnert die Stelle sehr ans Elbsandsteingebirge, etwas hochschummeln funktioniert hier noch ganz gut (ausspreizen und oben über die Kante daneben treten – Überhang kaum gespürt).

 

Für die letzten beiden Längen binden wir uns aus und steigen vorsichtig durch den Bruch raus auf den Gifelgrat. Dieser bietet schön luftig den Höhepunkt des Genusses.

 

Abstieg über Normalwege

Nach kaum 15min am Gipfel gehen wir über den Normalweg zur Mittagsscharte runter, was etwa 30min in Anspruch nimmt, während denen wir uns noch bei jedem Schritt sehr konzentrieren müssen (Schrofen, II). In der Mittagsscharte kann ich Jonas überreden trotz seiner Turnschuhe lange in die Höllentalseite nach Südwesten abzusteigen. In diese Schlucht, die ich am Vortag noch heraufkletterte möchte ich ungern zurück, auch weil die Abseilstände nicht sicher überall zu finden wären.

 

Auf den steilen schottrig-splittrigen Querungen beginnt nun die Zitterpartie für den guten Freund. Doch irgendwie gelangen wir schlussendlich gut bis zum Normalweg des Großen Waxensteins und steigen dort genussvoll weiter ab. Weiter unten spüren wir den Durst. Wasser haben wir längst keines mehr. Die Quelle am Einstieg unten lässt mein Tempo höher werden. Die Hitze wird inzwischen ziemlich groß.

 

So wird die Erfrischung mit dem Quellwasser unten zu einer unfassbar angenehmen Labsal, die wir lange genießen. Ich trinke direkt bei Ankunft einen Liter langsam weg. Jonas trifft einige Minuten nach mir ein und legt sich zu einem Schläfchen, nachdem er seinen Durst gestillt hat. Er schläft richtig ein. In dieser Zeit gehe ich einige Zeit hinunter zur Hütte und genieße ein kühles Radler.

 

Einige Tagesgäste fragen mich aus, woher ich käme und nicken nach meiner Antwort („Waxensteinmassiv“) nur beeindruckt. Die Zwölferkante ist selbst einem Angestellten der Hütte unbekannt, der mich nach meiner heutigen Tour fragt. Bald begebe ich mich wieder zurück zu unserem schottrigen Lagerplatz an der Quelle und wecke Jonas nach einiger Zeit.

 

Der Abstieg wird sich noch ziemlich hinziehen, da wir ja bis zur Waxensteinhütte zurück wollen. Wir gehen zunächst auf dem Hüttenzustieg bis zum Beginn des Stangensteigs hinab und biegen dann rechts ab. Die Schönheit dieses Wegs lässt mich jeden bisher zurückgelegten Gang durch die überfüllte Klamm bedauern. An den Höhlen links am Wegrand pausieren wir nochmal einige Zeit und suchen kurz danach den richtigen Abzweig auf fast sichtbaren Wegspuren hinüber zum Waxensteinhüttenzustieg.

 

Als wir den gefunden haben, sind wir kaum 30min später an der Hütte. Es ist bereits sehr spät - -

und die Hütte ist verschlossen!

Aufgrund der Prognose für heute Nacht, ist die Familie abgereist und hat unsere Sachen vor die Hütte gestellt. Jonas hat ein einfaches Zelt. Er ist am Folgetag an einen gebuchten Zug gebunden.

 

Nach sehr vielen umständlichen Anrufen, kann ich eine Rückfahrt (die letztmögliche diese Nacht!) zu meiner Unterkunft bei München organisieren und steige nach einigem Hin und Her ab. Der Regen setzt bereits im Tal ein und schon beim hektischen Abstieg bekomme ich ein schlechtes Gewissen nicht bei dem guten Freund geblieben zu sein. Zu allem Überfluss fährt auch noch ein Ersatzverkehr über weite Strecken. Als der nach einigem Warten im Starkregen endlich auftaucht, lasse ich wieder einmal meine Trekkingstöcke liegen. Außerdem schlafe ich in der letzten S-Bahn in München ein und verpasse meine Haltestelle Ismaning. So verbringe ich hocherfreut 3 wunderschöne Stunden auf einem verlassenen Bahnsteig, bis mich die erste S-Bahn gegen 4:30Uhr zum Zielort bringt und ich eine Schlüsselhüterin aus dem Bett klingeln muss um in die Wohnung zu kommen.

 

Am übernächsten Tag muss ich schon wieder mitten in der Nacht los, um Freunde in Zams pünktlich zu treffen. Wir werden einige Etappen des E5 gemeinsam gehen.

 

 

Trotz unschönen Abschlusses war das alles in allem eine bärige Tour, die vor allem eigentlich mit viel Glück (durch den vom Himmel geschickten Solisten) für uns durchführbar war. Die Kante gehört zu den schönsten Klettereien, die ich je erleben durfte, obwohl das bisher ja noch nicht gerade unermesslich viele waren.

 

Vielleicht kann uns ein Gebietskenner mitteilen, ob das Abseilen und Absteigen durch die Mittagsschlucht eine sinnvolle Abstiegsvariante ist, oder ob es sogar noch andere schöne Varianten gibt (Kleiner Waxenstein, Großer Waxenstein Nord o.ä.)

 

Vielen Dank an Jonas für die schöne Tour! Und ein riesiges Dankeschön dem Solisten aus Garmisch!!!


Tourengänger: alpensucht


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Kommentare (3)


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fatrock hat gesagt:
Gesendet am 2. September 2018 um 16:26
Oliver und ich haben im Juni 2014 nach einigen Klettertouren im Wilden Kaiser nach einem konditionell recht fordernden und langwierigen Zustieg auch die Nord Kante des Zwölferkopfes erklettert.Beim Blick in die schwindelerregenden Abgründe des Höllentals zogen wir es vor,unseren Abstieg über die von Absturz-bereit hängenden Zimmer-grossen Felsplatten bedrohten Mittagsschlucht fortzusetzen.

alpensucht hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. September 2018 um 16:33
Hi fatrock,

danke für deine Anmerkung.
herzliche Einladung einen Tourenbericht zu schreiben. Würde mich sehr interessieren! Besonders die Art und Weise eures Abstiegs: an welchen Stellen abgeseilt, alles frei abgestiegen, welche Begehungszeiten usw. Der Mehrwert für Leser ergibt sich vor allem aus solchen Infos. Und Bilder von den fast abstürzenden Felsplatten wären natürlich atemberaubend :)

fatrock hat gesagt: RE:
Gesendet am 2. September 2018 um 18:14
Sind vom Gipfel bis zur Mittagsscharte abgestiegen und von da aus noch ein Stück weiter Richtung Höllental.Je weiter wir kamen,umso steiler und abschüssiger wurde das Gelände,so dass wir dann wieder bis zur Scharte aufgestiegen und dann fast durchgehend abseilenderweise mit einem aufgrund der links oberhalb hängenden ''Munition'' sehr flauen Gefühl im Magen durch die Mittagsschlucht abgestiegen sind.


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