Unterschätzter und unnahbarer Geselle: Piz digl Gurschus, 2844 m


Publiziert von mrz , 6. Oktober 2016 um 10:27.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Hinterrhein
Tour Datum:30 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 10:00
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Strecke:Ausserferrera - Alp Mos - P. ca. 2600 - Gurschussattel - P. 2844
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Kantonalstrasse ins Avers nach Ausserferrera

Egal auf welchem Berg man steht, der Piz digl Gurschus geht neben dem Grisch und dem Forbesch immer irgendwie im Panorama unter. Aus keinem Tal sieht man ihn so recht... ausser von Sufers und vom Sufnersee aus. Da thront er zwischen Nolla und Settember wie ein Wächter über dem Talausgang, so scheint es, auch wenn er zwei Täler weiter, über dem unteren Avers steht. Und der Gurschus ist der Grund, warum ich nach Jahre langem, treuem Nur-Lesen nun einen Account eröffnet habe. Denn auch hier fristet er ein karges Dasein, mit seit Jahren nur rokos Bericht. Dabei lacht der Berg mich seit Jahren an, und keiner schreibt was, ob rokos grausame Schilderung der Geröllhalde nicht vielleicht doch übertrieben ist.

Also hilft gegen Saisonende, bei Traumwetter, nur ein Selbstversuch, über den der Jungfernbericht berichten soll. Der Weg ist der naheliegende: von Ausserferrera (Parkplatz unterhalb der Kirche) über den Pfad am Bach im Ortskern hoch zur Forststrasse, dann nach Cresta und weiter Richtung Alp Mos stets auf gut signalisiertem Weg. Während der Blick immer mal nach Westen zur formschönen Pyramide des Piz Muttala zurückgeht und in die mächtigen Splügener Kalkberge mit den eindrücklichen Pizzas d'Anarosa, schlängelt sich der Weg gleichmässig bergan und quert den Hauptbach Aua da Mulegn und kurz darauf die von rechts einfliessende Aua la Vonna. An der letzteren geht's nach Gusto direkt und stellenweise recht steil oder in weiten Serpentinen weglos über die Geländestufen des Tschangla dil Mos hinauf gegen P. 2539. Im Aufstieg wirkt der Gurschus gar nicht so unnahbar, wie ihn roko beschreibt und wie er sich später erweisen wird. In dem zerklüfteten Gipfelaufbau dort oben werden sich doch ein machbares Couloir oder ein paar Stufen finden lassen...

Das Herz sank mir bei der ersten Rast unterhalb des markanten Schrofenkegels nordwestl. von P. 2539, der direkt in den Fels übergeht. Nirgendwo, ausser auf diesem Kegel, findet sich ein Zustieg, der nicht über eine ausgedehnte und steile Geröllhalde geht; alles, was von unten wie ein Couloir aussah, das man angehen könnte, endet an einem der zahllosen Sporne, die den Riegel zwischen P. 2753 und P. 2844 ausmachen und die ohne Ausrüstung nicht gehen. Ausserdem scheinen die Sporne auch keinen Grat zu formen, auf dem man gehen könnte, sondern dauerndes Auf und Ab zu erfordern. Also doch Richtung der Geröllhalde, die zu dem Einschnitt hochzieht, für den roko den Namen Gurschussattel gefunden hat. Hinauf auf den Schrofenkegel, der bei ca. 2600 m kulminiert und direkt in den Fels, in der Hoffnung, dass es in der Ostwand von P. 2844 irgendwie weitergeht, um möglichst viel Höhe ohne Geröll zu machen. Geht es auch zunächst, aber keine 60 hm später ist ohne Ausrüstung wieder Ende, und es heisst ab auf ca. 2630 m wo es ins Geröll geht. Oben auf dem Sattel ist dann die Aussicht toll, Richtung Piz Curvér, Ringelspitz, Tödi und (wieder) Piz Beverin. Aber auch mit rokos Tipp – danke! –, die dunkleren Bänder zu nehmen, will die Vista hart erkämpft sein. Das Geröll gibt wirklich bei fast jedem Schritt nach, und irgendwann entwickelt man eine Abneigung gegen den Geruch von Kalk- und Steinstaub.

Auf dem Sattel entschied ich mich dann für P. 2844, weil Richtung P. 2880 ein 8 m-Aufschwung im Weg steht, der sich auf den ersten Blick nicht ohne weiteres umsteigen lässt. Die Aussicht bleibt toll, und auch Sufers und der Sufnersee rücken in den Blick – da wurde das Projekt ja ausgebrütet. Aber nach der Fronarbeit auf dem Geröll wollte sich keine rechte Gipfelhochstimmung einstellen.

Abstieg wie Aufstieg – und nicht, wie mich der Teufel ritt, vom Gurschussattel nach Nord auf der Schamser Seite ab. Da ist das Geröll zwar nicht ganz so mobil wie auf der Oberhalbsteiner Seite, aber nach 80 m Höhenverlust stand fest, die Stufe zwischen der Halde ab vom Sattel und dem Geröllfeld zwischen Gurschus und Nolla ist mal wieder ohne Ausrüstung nicht zu machen. Also retour zum Gurschussattel, auf der Aufstiegsseite geröllsurfend ab Richtung dem kleinen See und alternativ den Tschangla dil Mos östlich auf dem Weg – na ja, Wegspuren – vom Pass da Schmorras zur Alp Mos umsteigen und zur Querung von Aua la Vonna und Aua da Mulegn. Gut 10 Stunden auch wegen der beiden Versteiger, auf und ab.

Fazit: Man bewegt sich in grandioser und sehr, sehr einsamer Bergwelt zu Füssen des dominanten Piz Grisch, aber der Piz digl Gurschus, so sehr er von fern auch im Panorama untergehen mag, will als echte Bergtour vorbereitet sein, nicht als Wandertour auf einen Aussichtsgipfel. Auch ohne Versteiger war ich deutlich länger als gerechnet unterwegs; und die 1500 hm ist der Wert ohne die Versteiger. Auch der Zuweg aus Ausserferrera ist sehr lang. Aus dem Oberhalbstein ab Radons via Pass da Schmorras könnte sinnvoller sein, wenn man dort oben noch Wege und Steige, vielleicht auch zu P. 2880, dem Hauptgipfel, suchen will, ggf. auch mit Ausrüstung.

Fotos gibt's leider keine. Als ich im Aufstieg die ersten schiessen wollte, war die Natelbatterie schon bei 30 %. Die bei rokos Bericht reichen; es sieht wirklich so aus dort oben :-)

Tourengänger: mrz


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