Zuestoll (2234m)


Publiziert von Chrichen , 8. November 2016 um 08:16.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:24 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T4- - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Churfirsten   CH-SG 
Zeitbedarf: 7:30
Aufstieg: 900 m
Abstieg: 900 m
Strecke:ca. 9 km
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Mit dem ÖV: Mit Zug und Postauto nach Alt St. Johann, Dorf (verschiedene Verbindungen) / ca. 300m zu Fuss bis zur Talstation / Seilbahn bis Selamatt
Zufahrt zum Ankunftspunkt:(Gleicher Weg umgekehrt)

Spätestens seit der *Schneeschuhtour zum Brisi in diesem Frühling wollte ich einmal auch den Zuestoll besteigen. Der von Norden her steil aufragende Zustoll gilt als der Churfirst mit dem anspruchsvollsten Normalweg. Gegen Süden bricht er quasi senkrecht gegen den Walensee ab, wie auch die anderen Churfirsten. Am bequemsten zu erreichen ist der Zustoll ab der Alp Sellamatt, die durch eine Sessel-/Gondelbahn erschlossen ist. Zu meinem Erfreuen konnten Aichen und ich diese Wanderung zu zweit machen.

Wir wählten also eine eher kurze Route mit Start und Ziel bei der Alp Sellamatt. Die effizienteste Variante würde hin und zurück über dieselben Wanderwege führen. Wir haben uns aber entschieden, auf dem Plateau unterhalb der Churfirsten einen leicht anderen, längeren Weg zurück zur Bergstation der Alp Sellamatt zu nehmen. Möglichkeiten gibt es dort viele.. so viele sogar, dass die Orientierung aufgrund der zahlreichen Wege und Strässchen nicht ganz einfach ist. Ich habe vorgängig manuell eine entsprechende Linie für's GPS aufgezeichnet, die sich als ziemlich gut erwies.

Alp Sellamatt - Zinggen - Hinderlücheren - Rüggli Weggabelung (P.1737) (T2)
Nach einer recht komplexen ÖV-Anreise lassen wir uns um 8:30, kurz nach Inbetriebnahme der Bahn, zur Alp Sellamatt hochgondeln. Da es noch kalt und schattig ist wählen wir eine Gondelkabine (die Bahn hat auf jeweils zwei Sessel eine Gondel montiert). Oben angekommen begrüsst uns schon ein blauer Wegweiser mit der Aufschrift "Zuestoll". Diesem und weiteren Exemplaren davon folgen wir nun via Zinggen und Hinderlücheren bis zum P.1737, wo sich die Wege zum Schibenstoll und Zuestoll scheiden. Bis zu dieser Gabelung ist der Weg weissrot markiert und einfach. Es geht vorwiegend durch Alpgelände, ein Stück weit sogar auf einem breiten Schottersträsschen. Erst später kurz vor dem P.1737 wird die Landschaft wilder. Wir finden ein schönes Plätzchen für eine Pause nahe bei der Verzweigung.

Rüggli Weggabelung (P.1737) - Zuestoll (T4-)
Während der Weg zum Schibenstoll wrw markiert ist, folgen wir dem nun wbw gepinselten Weg zum Zuestoll. Kurz nach der Weggabelung wird ein Felsriegel in "anregender" Kraxelei überwunden (ca. T4). Die Passage ist mit einigen künstlichen Tritten und ein oder zwei Stiften ausgestattet, jedoch ohne Seile. Nach diesem rassigen Teilstück erreicht man schon bald den flachen Sattel zwischen Zuestoll und Rüggli.

Von hier aus geht es nun ein langes Stück steil hinauf über den Rücken des Zuestoll - zuerst noch im Schatten durch allerlei Gemüse, dann übernimmt schönes Gras die Oberhand, und wir erreichen wieder die Sonne. Die Tritte sind erdig und aufgrund der Nordausrichtung vielerorts recht feucht und schmierig. Insbesondere der vegetarische Teil weiter unten zeichnet sich durch eher hohe, dreckige und rutschige Tritte aus, was sich später beim Abstieg unangenehm bemerkbar machen wird.

Schön sind die Ausblicke zu beiden Seiten, rechts zum Brisi und links zum Schibenstoll. Im Rücken liegt der Alpstein, und immer tiefer unten die sanfte Ebene mit der Alp Sellamatt. Nach oben hin wird unser Aufstiegshang immer schmaler, bis er sich zu einem kurzen Grat verjüngt. Auf der Brisi-Seite gibt es eine beeindruckend grosse Karstplatte zu bestaunen. An der Stelle, wo der schmale Gratabschnitt beginnt, setzen wir uns nochmals kurz ins Gras.

Die bevorstehende Gratpassage ist ziemlich exponiert, wobei ein dünnes Fixseil das Gemüt beruhigt. Etwas Vorsicht ist geboten wegen den z.T. speckigen Steinen. Eine kurze geneigte Felsplatte (ca. 2m) begehen wir besonders behutsam, vor allem später beim Abstieg. Ansonsten ist die Stelle aber eher unproblematisch dank guter Wegspur. Vom Mini-Grat geht es schliesslich steil hinunter in eine kleine Scharte. Der erste Teil ist mit einem etwas losen dünnen Drahtseil versehen. Der zweite Teil hatte vermutlich irgendwann einmal ein Seil, dieses ist jedoch nicht mehr vorhanden. Die Stelle ist immer noch etwas ausgesetzt, weshalb wir vorsichtig hinunterkraxeln. Zur besagten Scharte könnte man übrigens auch gelangen indem man den Rücken umgeht und ganz am Rand der markanten Karstplatte auf-/absteigt. In der Karte ist sogar eine Wegspur eingezeichnet. Die Winterroute führt meines Wissens nach ebenfalls dort hoch.

Der Gipfel ist nun schon ziemlich in die Nähe gerückt und nur noch gut 100 Höhenmeter entfernt. Über eine Wiese führt der Weg dem Gipfelaufbau entgegen. Im Gipfelbereich wirkt die Wegführung wagemutig bis spektakulär - wir beobachten andere Wanderer beim Aufstieg. Aus der Nähe ist es aber wie so oft halb so wild. Nach einer Querung auf breitem Weg und einer kurzen Passage über eine steile Wiese führen Drahtseile durch eine schwach ausgeprägte Rinne zum Gipfel hoch. Nach zahlreichen Fotos vom Gipfelpanorama richten wir uns beim Gipfelsteinmann ein und machen eine gemütliche Rast. Der Gipfel ist passend für ein Wochenendtag recht gut bevölkert.

Intermezzo am Gipfel
Gerade während wir am Essen sind, kommt ein Rega Helikopter und schwebt ein Stück weit unter uns mit geöffneter Tür in der Umgebung der Zuestoll Südwand. Wir ahnen wenig Gutes, doch nach einem Weilchen entfernt sich der Helikopter wieder. Gerade als ich angefangen habe, unsere Sachen zusammenzupacken, kommt er nochmals zur Südwand, steigt schliesslich hoch und steuert direkt den Gipfel an. Ein Winkzeichen gibt klar zu verstehen, dass das Feld geräumt werden soll. Die anderen pausierenden Wanderer kommen uns halb rennend entgegen während wir (per Zufall schon am "richtigen" Ort) hastig unsere restlichen Sachen in den Rucksack verstauen, damit diese nicht dem eventuellen Wind der Rotorblätter zum Opfer fallen würden (Bem: es gab schliesslich kaum Wind). Der Heli setzt kurz auf, eine Notärztin springt heraus, und schon wieder ist der er weg. Die Notärtzin erklärt uns, dass es einen Kletterunfall in der Südwand gegeben hat. Glücklicherweise scheinbar ohne schwere Verletzung. Die Rettung würde aufwändig werden, da die Seilwinde vom Heli aufgrund der Topographie nicht eingesetzt werden kann. Der Gipfel müsse in den nächsten 15 Minuten verlassen werden, damit die Rettungsarbeiten beginnen können. Dem leisten natürlich alle sogleich Folge.
(Bemerkung: Das ging alles ziemlich schnell. Ich hoffe, dass die Schilderungen korrekt sind, möchte aber nicht dafür garantieren. Umso mehr wünschen wir ganzem von Herzen, dass der Unfall glimplich verlaufen ist, und es den Betroffenen gut geht!)

Zuestoll - Rüggli - Rüggli Weggabelung (P.1737) (T4-)
Da Aichen und ich konzentriert in unserem eigenen Tempo absteigen wollen, lassen wir den meisten Leuten den Vortritt und verlassen anschliessend ebenfalls unverzüglich den Gipfel. Danach steigen wir ab bis zum kurzen Gratabschnitt. Teilweise läuft es sich im Gras etwas besser als auf der erdigen Wegspur. Einige entegenkommende Wanderer sind verständlicherweise etwas darüber enttäuscht, dass der Gipfel nicht mehr betreten werden soll. Über den kurzen Gratrücken geht es gleich wie auf dem Hinweg zurück, und dann die lange Flanke hinunter. Im Gras geht es sich recht angenehm, der untere Teil ist aber eher mühsam. Vorsichtig muss jeder Tritt gesetzt werden, um nicht auf dem schlammig-feuchten Untergrund abzurutschen. Zwar ist es hier nicht ausgesetzt, aber ein Strauchler ist ja eigentlich nie willkommen.

Im Flachen angekommen suchen wir uns einen Ort für eine kurze Pause. Dabei folgen wir einer verlockenden Pfadspur und landen auf dem Rüggli. In der Tat ein schönes Plätzchen! Immer noch sehen wir den Rega Heli hin und herfliegen. Nach einem Weilchen nehmen wir schliesslich den steilen Abstieg vom Sattel über die Felsstufe zur Weggabelung in Angriff. Damit sind die Schwierigkeiten definitiv hinter uns.

Rüggli Weggabelung (P.1737) - Mittelstofel - Lämboden - Sellamatt (T2, später T1)
Noch ein Stück gehen wir gleich wie beim Hinweg, dann halten wir links auf ein schmales Natursträsschen. Über dieses und einen längeren Abschnitt auf der Teerstrasse erreichen wir den P.1477 beim Mittelstofel. Hier verlassen wir die Strasse und folgen dem "Sagenweg" via Lämboden zurück zur Sellamatt. Dieser Abschnitt ist nochmals landschaftlich sehr lohnend.


So steil wie der Zuestoll heraufragt, so schön ist auch sein Panorama. Der Weg bis zum Gipfel ist eher anspruchsvoll, zählt aber immer noch zu den leichteren alpinen Routen. Bei Nässe sollte von einer Begehung nach Möglichkeit abgesehen werden. Dann dürfte der Weg wirklich glitschig werden. Die Rega aus nächster Nähe im Einsatz zu erleben hat bleibende Eindrücke hinterlassen und zugleich auch nachdenklich gestimmt...

Tourengänger: Chrichen, Aichen


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Kommentare (3)


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markus1982 hat gesagt: zur Info
Gesendet am 8. November 2016 um 13:19
http://www.gipfelbuch.ch/gipfelbuch/detail/id/82764/Klettertour/Zuestoll

Kaj hat gesagt: RE:zur Info
Gesendet am 8. November 2016 um 20:25
Da habt ihr ja schönes Wetter erwischt - ein paar Wochen zuvor am 6.8. hatte ich den Gipfel ganz für mich alleine, aber auch eingeschränkte Sicht.
Wegen dem Rega-Einsatz - unter Bergunglücke & Todesopfer der Schweizer Polizei war nichts zu finden.
Hier ist jedoch ein Bericht, wonach 2 Kletterer nach Unfall wegen Steinschlag am Zuestoll ihre Tour abgebrochen haben (markus1982 hatte es schon vor mir entdeckt)
ciao Kaj

Chrichen hat gesagt: RE:zur Info
Gesendet am 9. November 2016 um 07:52
Vielen Dank Markus und Kaj für die Links! Die Polizeimeldungen habe ich damals auch angeschaut, aber (glücklicherweise) nichts gefunden. Eine Pressemeldung der Rega gab es nicht. Der Eintrag auf Gipfelbuch.ch hingegen könnte sehr gut zutreffen.
Viele Grüsse, Chrisian


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