Turtmanntal, Schuttmanntal!


Publiziert von Zaza , 13. September 2016 um 20:40.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Oberwallis
Tour Datum:12 September 2016
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 5:30
Aufstieg: 1500 m
Abstieg: 1500 m
Kartennummer:1307, 1308

Das Turtmanntal ist lang und nicht gerade schuttarm...was leider durch die fortschreitende Gletscherschmelze noch verstärkt wird. Die gut ausgebaute Strasse bietet sich an für kombinierte Bike&Hike Touren, auch wenn derzeit noch gelegentlich ein Kleinbus bis Gruben fährt (bis 18. September). 

Nach dem Veloverlad mit der Seilbahn noch Oberems radle ich bis Vorders Sänntum, was dank der gleichmässigen Steigung recht angenehm ist und eine knappe Stunde dauert. Dann auf dem Höhen-Wanderweg zur Turtmannhütte bis Holestei. Hier geht es nun weglos zu einer schönen Ebene auf 2450 m, wo sich der Blick zu den schönen Zacken der Barrhorngruppe erstmals öffnet. Etwas links haltend geht es ins Verlorus Tälli und dann, nun zunehmend schuttig, ins Tälchen Richtung Brändjigletscher. Auch wenn der Gletscher durchaus noch da ist, ist hier der Rückgang doch sehr ansehnlich. Offenbar konnte man einst über Firn ins Brändjijoch spazieren, doch nun muss man links ausholen, wo das Eis durchgehend vom Schutt bedeckt ist. 

Vom Pass beeindrucken ganz besonders die wilden Zacken des Inneren und Äusseren Stellihornes, die wegen der schlimmen Felsqualität offenbar nur sehr selten besucht werden (auf die Projektliste damit!). Heute wende ich mich in die andere Richtung und kraxle über den einfachen Blockgrat zum Brändjihorn, wo sich nun auf der anderen Seite der Blick ins schöne Jungtal öffnet. Danach geht es noch etwas weiter übers Innere Rothorn bis zum Rothornjoch. Hier rutsche ich etwas über den feinen Schutt ab und quere dann hinüber, um mit dem Hungerlihorli einen weiteren unspektakulären Dreitausender (der aber immerhin einen originellen Namen trägt) zu besuchen. Danach geht es über den Grat weiter bis zum Brändjispitz - offensichtlich der Hausberg von schalb, denn im Gipfelbuch scheint fast jede zweite Besteigung von ihm geführt oder zumindest angeregt zu sein. 

Danach geht es weiter über den Grat, bis er sich in einem groben Blockfeld verliert. Dann zurück zur schönen Ebene auf 2450 m und auf dem Aufstiegsweg zum Velo. Weil sich der Himmel inzwischen ziemlich verdunkelt hat, mache ich mich rasch aus dem Staub und vertage den Boxenstopp auf Oberems. 

PS:
Falls zufällig die Person mitliest, die nichts Gescheiteres weiss, als auf der Ebene oberhalb Holestein vollgekackte Windeln liegen zu lassen: SHAME ON YOU!

Tourengänger: Zaza
Communities: New Stuff


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Kommentare (1)


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Zaza hat gesagt: Aus dem SAC-Jahrbuch von 1892
Gesendet am 13. September 2016 um 21:05
In den Bergen von St. Niklaus

Dr. W. Gröbli ( Sektion Uto ).

Von Wer kennt St. Niklaus? Welche Frage! wird 's mir entgegentönen, denn von Sommer zu Sommer zahlreicher werden ja die Scharen von Touristen, die Zermatt, das Mekka des Bergsteigers, aufsuchen. „ O, St. Niklaus, das kennen wir sehr gut, da haben wir zu Mittag gegessen und dann einen Wagen nach Zermatt genommen. " „ Und wir haben dort sogar die Nacht verbracht und sind dann in der Morgenfrische hinaus nach Visp spaziert. " So ungefähr würde vor wenigen Jahren noch die eingangs gestellte Frage beantwortet worden sein. Und heute würde man hören: „ Natürlich kennen wir St. Niklaus, das ist ja eine Station an der Eisenbahn von Visp nach Zermatt. " Und dann würde man noch etwa, aus dem Reisehandbuche geschöpft, vernehmen, daß der Ort früher durch Erdbeben stark gelitten habe und jetzt sehr gute Führer besitze.
Also alle Welt kennt St. Niklaus. Aber nun eine andere Frage! Wer kennt die Berge von St. Niklaus? „ Ich bin einmal auf dem Balfrin gewesen und dann über den Riedpaß nach Saas gegangen " wird einer sagen und ein anderer hinzufügen: „ Und ich bin über den Augstbordpaß ins Turtmannthal gereist und habe nebenbei noch das Schwarzhorn be sucht. " So mögen vereinzelte Stimmen sich vernehmen lassen, aber schon höre ich die geringschätzige Gegenfrage: „ Giebt's denn da überhaupt Berge, die wert sind, bestiegen zu werden ?"
Ich will mich nicht besser machen als ich bin und ganz ehrlich gestehen, daß ich gar manchen Sommer nach Zermatt gepilgert bin und mich in St. Niklaus auch nicht länger aufgehalten habe, als gerade nötig war, um den Hunger und Durst zu stillen, welche die Wanderung von Visp oder Stalden aus jeweilen zu erzeugen pflegte. So muß ich denn wohl mit einigen Worten auseinandersetzen, wie es kam, daß ich mich endlich auch mit den Bergen minderen Ranges abgab, deren sich die Umgebung von St. Niklaus erfreut. Zweimal hatte ich, in den Jahren 1883 und 1884, mit einem Freunde und zwei Führern das Weißhorn in Angriff genommen, und beide Male mußten wir, aus verschiedenen Gründen, in 's Thal zurückkehren, ohne das Ziel erreicht zu haben. Im folgenden Sommer kam ich dann mit Alois Pollinger als einzigem Führer glücklich hinauf und hatte dabei Gelegenheit, die vorzüglichen Eigenschaften Pollingers kennen zu lernen. Im Jahre 1886 war es mir vergönnt, einige Wochen mit Alois zu reisen, dann aber war er eine so gesuchte Persönlichkeit geworden, daß ich darauf verzichten mußte, im Sommer mit ihm zu wandern, und eine Zeit auszusuchen hatte, in der die Nachfrage nach Führern nicht mehr so stark ist. So kam es, daß ich mich im Oktober des Jahres 1887 nach St. Niklaus, dem Wohnorte Pollingers, begab, ohne bestimmten Plan, einfach getragen von dem Wunsche, mit Alois einige Touren auszuführen. Meine Gedanken gingen freilich nach größern Dingen, aber die Berge trugen schon so sehr das. Winterkleid, daß ich meine Anforderungen etwas einzuschränken für gut fand. Nur weniges gelang mir in den ungewöhnlich ungünstigen Tagen, aber es reichte hin, mir Interesse für die Gegend einzuflößen und den lebhaften Wunsch zu wecken, in folgenden Jahren mehr zu erreichen. Jedes Jahr seit 1887 habe ich nun in Pollingers Gesellschaft einige Oktobertage in der nähern und fernere Umgebung von St. Niklaus verlebt, und hoffentlich werde ich auch in kommenden Zeiten vergnügte Tage dort verbringen können. Und wenn auch die Mehrzahl der Besteigungen keine großartigen gewesen sind, so ist mir doch das Glück geworden, verschiedene Gipfel zu erreichen, die vorher keines Menschen Fuß betreten hat. Über diese Fahrten sollen die folgenden Blätter in schmuckloser Weise Bericht erstatten. Von zwei solchen Erstlingsbesteigungen ist bereits in der „ Alpenzeitung " erzählt worden ( Band VIII, pag. 215 und 223 ), der Vollständigkeit halber erlaube ich mir, auch hier mit einigen Worten darauf einzugehen.
Das Festihorn ( 3249 m ).
Freitag den Ì2. Oktober 1888 traf ich in St. Niklaus ein, und um nicht gar zu viel Zeit zu verlieren, wollten wir gleich nächsten Tages direkt vom Thal aus den Balfrin ersteigen. Wohl hatten wir einige Bedenken wegen des vielen frischen Schnees, der sich schon weit gegen das Thal hinunter erstreckte, aber bei dem schönen Wetter sollte der Versuch doch gemacht werden. Er schlug fehl; in einer Höhe von etwa 3100 m entschieden wir uns zur Umkehr, in der Erkenntnis, daß wir unser Ziel erst gegen Abend erreichen würden.
Mehr Aussicht auf Erfolg bot die westliche Thalseite, auf der der Schnee erst in relativ geringer Menge lag, und wenn auch die Gipfel dort wesentlich niedriger sind, so versprechen sie doch großen Genuß. Ohne ganz bestimmten Plan verließen wir noch vor 4 Uhr am 15. Oktober St. Niklaus, und stiegen auf gutem und rasch in die Hohe förderndem Wege zum kleinen Alpendörfchen Jungen hinan, von dessen Kapelle aus, 1948 m, die wir nach l8/4 Stunden erreichten, sich eine prächtige Fernsicht nach Osten und Nordosten bietet. Heute zogen wir ungesäumt weiter zu den geringen Hütten der Jungenalp, 2385 m, bei denen wir von halb 7 bis 7 Uhr verweilten. So wenig einladend die Hütten auch sind, wir freuen uns doch über den Schutz, den sie uns gewähren, denn im Freien bei einer Temperatur von —10° zu frühstücken, ist doch kein Vergnügen mehr. Eben sendet die Sonne den umliegenden Berggipfeln den Morgengruß und bald erfreut sie auch uns mit ihrem belebenden Strahl. Bis zur Alp hatten wir fast nie Schnee betreten müssen und auch bei der Fortsetzung des Marsches, der uns auf der linken Seite des Jungbaches in westlicher Richtung weiterführte, boten gelegentliche schneefreie Strecken eine erwünschte Abwechslung. Allmälig mußte nun aber ein bestimmter Plan gefaßt werden; ich schwankte noch zwischen dem im Westen liegenden Rothhorn ( 3262 m ) und dem Festihorn, entschied mich aber nach kurzem Besinnen für das letztere, da es wahrscheinlich noch unbestiegen war. Um halb 9 Uhr bogen wir nach Süden um, waren bald bei dem kleinen See ( 2615 m ), der offenbar auch im Sommer ein armseliges Dasein führt, und stiegen nun in die Höhe, erst recht anstrengend über steile Schneehänge, dann etwas angenehmer über die Felsen, welche den kleinen Gletscher östlich des Festihornes auf der linken Seite ( von unten gesehen ) begrenzen. Weiter oben wird das Gletscherchen traversiert und kurz nach 10 Uhr stehen wir auf dem vom Festihorn östlich ziehenden Grat, und bald darauf am Fuße des letzten, vielleicht 30 m hohen Kegels. Eine kleine Kletterei, die nur des Schnees wegen etwas Schwierigkeiten bietet, bringt uns um halb 11 Uhr auf den Gipfel. Spuren früherer Besteigungen sind nicht vorhanden; Touristen sind jedenfalls noch nicht oben gewesen, und von den Gemsjägern, die sich zweifellos hier schon herumgetrieben haben, ist kaum einer hinaufgeklettert. Ein schneidender Wind läßt uns nicht so recht zum Genüsse der herrlichen, nur im Süden durch nahe höhere Berge beschränkten Fernsicht kommen; sobald ein Steinmann gebaut ist, verfügen wir uns an den Fuß des Kegels, und halten an windgeschützter Stelle eine mehr als einstündige Mittagsrast. Der Abstieg, den wir punkt 12 Uhr beginnen, geht rasch vor sich, um 2 Uhr 40 Min. rücken wir in St. Niklaus ein, hoch befriedigt von der so wohl gelungenen Tour.
Das Ferrichhorn ( 3292 m ).
Dem Wanderer, der bei der Annäherung an St. Niklaus nicht nur vorwärts schaut, sondern auch ab und zu den Blick seitwärts in die Höhe richtet, fallen zur Linken namentlich zwei Berge auf: das zweitürmige Gabelhorn ( 3135 m ) und die regelmäßige Pyramide des Ferrichhorns. Der erstere Gipfel ist noch nicht erklommen; ob je ernsthafte Versuche gemacht worden sind, weiß ich nicht bestimmt. Vor Jahren soll ein Engländer am Berge gewesen sein, und auch ich habe mir die Sache wenigstens aus der Nähe angesehen. Bis auf wenige Meter erreichte ich mit Pollinger am 12. Oktober 1887 den südlichen Turm, aber bei einem Schneegestöber und eisigem Wind, der uns das letzte, etwas schwierige Stück nicht mehr überwinden ließ. Bei gutem Wetter kommt man unzweifelhaft hinauf. Ganz unnahbar sieht aber der etwa 10 m höhere Nordturm aus, und es mag wohl sein, daß ohne besondere Hülfsmittel der Zugang hier nicht zu erzwingen ist.
Einen zahmem Eindruck macht das Ferrichhorn, und da in St. Niklaus von einer frühern Besteigung niemand etwas wissen wollte, machte ich mich am 5. Oktober 1889 um halb 6 Uhr mit Pollinger auf den Weg. Gar manchmal schon war ich über Gassenried zum Riedgletscher hinan gewandert; zur Abwechslung schlugen wir daher heute den Pfad ein, der sich steil zu den südlich des Riedbaches liegenden Hütten von Höllenen hinanzieht. Nach zweistündigem Steigen betraten wir die an eine mächtige Felswand gelehnte Hütte der Schallbettalp ( 2108 m ). Holz liegt hier überall umher, und bald können wir am lustig prasselnden Feuer unser zweites Frühstück einnehmen. Wunderbar schön präsentiert sich von der Alp aus die edle Gestalt des Bietschhornes; abschreckend und doch wieder verlockend winken die Thürme des Gabelhornes. Um 7 Uhr 50 Min. brechen wir wieder auf, marschieren noch einige Zeit in südlicher Richtung, überklettern dann die gewaltige, meist bewachsene Moräne, die uns bis jetzt den Ausblick auf die untern Partieen des Riedgletschers benommen hat, und überschreiten endlich den fast ebenen Gletscher, um an den Fuß des Ferrichhornes zu gelangen. Ohne die mindesten Schwierigkeiten erreichen wir um 11 Uhr 20 Min. den Fuß des obersten Turmes und finden dort ein einfaches hölzernes Signal aufgestellt. Wie ich später erfuhr, ist Herr Ingenieur Imfeid anläßlich der Neuaufnahme des Blattes St. Niklaus hier gewesen, ohne übrigens dem Gipfel selbst seinen Besuch gemacht zu haben. Der oberste Felskopf, 20_25 m hoch, sieht vom Signal aus ziemlich unzugänglich aus, und wenn die uns abgewendete Seite nicht besser ist, so können wir unverrichteter Dinge abziehen. Vorerst wollen wir etwas ausruhen und die Aussicht genießen, soweit es die seit einiger Zeit aufziehenden Nebel gestatten. Nur der Nadelgrat ist noch teilweise sichtbar; im Thal erblickt man die Kirche von St. Niklaus, während das Dorf selbst durch den gegenüberliegenden Grat verdeckt ist. Um 11 Uhr 40 Min. weitergehend, erreichen wir nach einer Kletterei von nur fünf Minuten von der Südostseite her den Gipfel. Wir stecken jetzt im Nebel und haben so keine Veranlassung, länger zu bleiben, als bis ein Steinmann errichtet ist. Beim Signal halten wir uns nochmals auf bis gegen halb 1 Uhr, dann steigen wir in nördlicher Richtung hinunter zur Ferrichlücke ( 2889 m ). Der Abstieg ist nicht ganz leicht, da diese Seite ziemlich steil und schon stark verschneit ist; immerhin haben wir in genau einer Stunde die 400 m überwunden. Am Nord -fuße des Ferrichhorns wandern wir nun hinab zum Riedgletscher, im Anfang über recht unangenehme, verschneite Trümmerhalden; dann geht 's auf bekannten Wegen hinunter nach Gassenried und St. Niklaus, wo wir uns um 4 Uhr bei Walliser Wein und Trauben gütlich thun.
Das äussere Stellihorn ( 3404 m ).
Am Tage nach der Tour auf das Ferrichhorn verfügte ich mich mit Pollinger zu den Hütten von Riedje ( 1744 m ), in der Absicht, einen der Gipfel nördlich des Barrhornes zu besteigen. Am folgenden Morgen staken wir im dicksten Nebel, der nicht weichen wollte und uns gegen Mittag ins Thal zurücktrieb.
Der Herbst 1890 sah mich wieder im Wallis, und nun war ich vom Wetter so begünstigt, daß ich das Zinal-Rothhorn traversieren und zwei Tage später das ungefähr ebenso hohe Höhberghorn besteigen konnte. Am 9. Oktober traf ich in St. Niklaus ein, und es sollte nun die Tour ausgeführt werden, von der ich oben sprach, immerhin mit der Abänderung, daß wir in Jungen übernachten wollten. Hier besitzt Pollinger eine Hütte und bringt daselbst mit dem Vieh die Monate November und Dezember zu. Wenige Schritte von der Hütte weg, die mit noch einigen andern etwa 100ra tiefer als die Kapelle Jungen liegt, überblickt man das Visperthal bis gegen Stalden hinaus, und gar interessant ist es, die langsam kriechenden Eisenbahnzüge zu verfolgen.
Samstag den 11. Oktober, nach einer angenehm verbrachten Nacht, brachen wir um 4 Uhr auf und wanderten zunächst wieder den gleichen Weg wie vor zwei Jahren, als es dem Festihorn galt. Freilich marschierte sich 's heute wesentlich leichter; bis zum Jungengletscher, den wir um 6 Uhr 40 Min. in 2800 m Höhe betraten, hatten wir kaum den Fuß auf Schnee setzen müssen. Wir rasteten bis 7 Uhr und standen noch vor 8 Uhr auf dem zwischen den Punkten 3288 und 3255 befindlichen Joche, das ich mit Conway ( Alpine Journal, XVI, 44 ) als Jungthaljoch bezeichnen will. Seine Höhe beträgt nach verschiedenen Beobachtungen circa 3275 ra. Hier gewahrten wir nun ( das Blatt 500 des Siegfriedatlas war noch nicht erschienen und die Dufourkarte läßt sehr zu wünschen übrig ), daß sich in der vom Hauptkamme östlich zum Festihorn abzweigenden Gebirgskette ein Gipfel noch wesentlich über unsern Standpunkt erhob. Wir hatten Zeit genug zur Verfügung, und machten uns unverweilt dorthin auf den Weg. Ein gut halbstündiger Marsch über zum Teil recht schlechten Schnee brachte uns auf das Wasenhorn ( 3340 m ), wo wir während fünf Viertelstunden bei ruhiger Luft und ganz sommerlichem Wetter der prächtigsten Fernsicht uns erfreuten, ähnlich, nur noch ausgedehnter, wie früher auf dem Festihorn. Um 9 Uhr 50 Min. begaben wir uns hinüber zu dem unbenannten und ungemessenen Punkt, wo der eben erwähnte Seitenkamm abzweigt. Nach meinen Beobachtungen ist seine Höhe etwas zu 3300™. Von dort stiegen wir in zehn Minuten hinab auf den Sattel, der den Übergang vom nördlichen Stelligletscher ins Turtmannthal vermittelt. Der jenseitige Gletscher soll den Namen Brändigletscher ( Alpine Journal, XI, 118 ) führen ( weiter unten ist die Brandjialp ) und ich will daher nach Conways Vorgang diesen Paß als Brändijoch bezeichnen. Seine Höhe beträgt circa 3270™. Wir befinden uns nun direkt am Fuße des auch auf Blatt 500 unbenannten Gipfels ( 3404ra ), den man wohl zweckmäßig als äußeres Stellihorn bezeichnen wird, da dem etwa 600 m weiter südöstlich gelegenen Gipfel 3415™ der Name Stellihorn gegeben worden ist. Nach Pollingers Aussagen hat er im Jahre 1882 mit Herrn Anderson den letztgenannten Gipfel bestiegen, dagegen weiß er von einer Erkletterung des erstem nichts, und so bin ich denn bald entschlossen, wohin unsere Schritte zu lenken sind. Ganz leicht scheint die Besteigung nicht zu sein, doch hoffen wir in einer halben Stunde etwa den nicht gar großen Höhenunterschied überwunden zu haben. Ein Schneecouloir zieht sich auf der Nordseite ziemlich weit hinan, doch schlägt sich Pollinger gegen meinen Willen vorher links in die Felsen und klettert auf dem brüchigen Gestein vorsichtig hinan. Auf einmal ist es mir, als ob ich eine menschliche Stimme höre, ich schaue mich um, kann aber nichts gewahren und steige nun auch ein paar Schritte hinan. „ Halt !" tönt 's jetzt aber ganz deutlich, und nun erblicke ich mit nicht zu großem Behagen in geringer Entfernung, mit schußbereitem Gewehr, einen Mann. Pollinger kann von seinem Standpunkt aus den Kerl nicht sehen, auf mein Rufen kommt er etwas hinunter, und nun entspinnt sich zwischen ihm und dem Wilderer, der inzwischen wohl gemerkt hat, daß von uns nichts zu befürchten ist, und näher gekommen ist, ein kurzes Gespräch liber das woher und wohin. Daß der Fremde auf Pollingers Fragen ausweichend antwortet, nimmt mich nicht wunder; ich bin nur froh, daß er sich bald verabschiedet, um seinem verbotenen Handwerke nachzugehen. Um 11 Uhr sind wir in einem Sattel angelangt, der sich zwischen dem Haupt- und einem nordöstlich vorgeschobenen Nebengipfel befindet. Wie sich beim Abstieg zeigt, hätten wir diese Stelle viel leichter durch das schon erwähnte Couloir gewinnen können, das über dem Eise bereits eine genügende Schneedecke trug. Der weitere Anstieg gestaltet sich zu einem recht mühsamen, die Felsen sind vereist und ganz ungewöhnlich locker; fast jeder Stein, den man anpacken, oder auf dem man fußen will, bricht aus, und froh atmen wir auf, als wir um 11 Uhr 40 Min.
den fast horizontalen Gipfelgrat betreten, nur wenige Schritte von der höchsten Stelle entfernt. Der Grat von vielleicht 30 m Länge weist einige fast gleich hohe Felszacken auf; mit Hülfe eines Horizontglases konstatiere ich, daß der Block, bei dem wir stehen, der höchste ist. Unter den Füßen haben wir den höchsten Punkt nicht gehabt, aber doch wenigstens in den Händen. Einen Steinmann zu bauen ist keine Möglichkeit, ich begnüge mich, da wir auch keine Flasche hier lassen können, eine Visitenkarte in eine Ritze zu stecken. Wir haben keine große Lust, beim Abstieg, den wir um 12 Uhr 15 Min. beginnen, den gleichen Weg zu benutzen, wie beim Aufstieg; es scheint leichter zu gehen, wenn wir vorerst den Gipfelgrat ein Stück weit in nordwestlicher Richtung verfolgen. Jetzt erst erfahren wir aber, wie faul die Felsen hier sind. Gleich zu Anfang soll ich, über einen Felszahn wegkletternd, in eine kleine Scharte mich hinunterlassen, merke aber bald, daß ich Gefahr laufe, den Grat unter mir zusammenbrechen zu sehen, und erst nachdem ich mit Hülfe des Pickels gründliche Säuberungsarbeiten ausgeführt habe, kann ich 's wagen, aufzutreten. Die Fortsetzung geht schon leichter, und dann ist der weitere Niederstieg allerdings wesentlich besser als der Aufstieg. Immerhin ist 1 Uhr schon eine Weile vorbei, als wir das Brändijoch wieder erreichen. Bei der Untersuchung des Gepäckes, das wir hier gelassen haben, bemerken wir, daß unser Freund Wilderer, den wir mit zwei Gefährten auf einem Felsvorsprung am rechten Ufer des Stelligletschers entdecken, sich erlaubt hat, unsern Getränken zuzusprechen. Rasch geht es nun zum Stelligletscher hinunter, dann am „ Haupt " ( 2963 m ) vorbei über einen Trümmersattel ins Thal des Spießbaches, dort erst pfadlos über steile Rasenhänge in die Tiefe und endlich auf schlechtem Wege zu den Hütten von Riedje. Gegen 4 Uhr langen wir in St. Niklaus an. Es erübrigt mir noch, einige Worte über die bis jetzt erfolgten Besteigungen des äußern Stellihornes zu sagen. Unsere ist unzweifelhaft die erste gewesen. Veröffentlicht habe ich bis jetzt nichts darüber, abgesehen von einer kurzen Notiz im achten Bande der „ Schweizer Alpenzeitung ", in der auf Seite 237 am Schlüsse eines Aufsatzes einfach gesagt ist, daß es mir vergönnt gewesen sei, einen noch unbestiegenen Gipfel in der Nähe des Gässijoches zu erreichen. Ich beschränkte mich damals auf diese wenigen Worte, weil ich das Erscheinen des Blattes St. Niklaus abwarten wollte, das nun freilich dem Gipfel auch keinen Namen, aber doch eine Zahl gegeben hat. Am 15. August 1891 erfolgte die zweite Besteigung durch Herrn L. Friedmann mit Alexander Burgener. Ihre Anstiegsroute war gänzlich von der unsrigen verschieden, sie gewannen den Gipfel von der Scharte zwischen den beiden Stellihörnern aus und fanden, wie wohl zu begreifen ist, unsere Karte nicht vor. Ich halte es übrigens für sehr wohl möglich, daß sie nicht genau an der gleichen Stelle gewesen sind wie wir, denn etwas südlich von unserem Gipfel befindet sich ein Felsblock, der, wie ich mit dem Horizontglas beobachtete, nur wenige Centimeter niedriger ist. Herr Friedmann publizierte daher seine Besteigung als die erste ( Österreichische Alpenzeitung, 1891, Seite 252 und 281, und Mitteilungen des D. u. Ö.A.V., 1891, Seite 270 ), und zwar unter dem Titel Gässispitzen. Auch er bemerkt, daß die Felsen sehr brüchig seien, und begnügte, sich ebenfalls mit Hinterlassung einer Karte in einer Ritze. Der Abstieg erfolgte wieder zum Sattel, und dann wurde noch das innere Stellihorn erklommen.
Das innere Stellihorn ( 3415 m ).
Der Mittag des 1. Oktober 1891 sah mich wieder in St. Niklaus, und noch im Laufe des Nachmittags zog ich mit meinem getreuen Pollinger nach Riedje hinan, um morgen dem Stellihorn auf den Leib zu rücken. Wie aus dem letzten Abschnitt hervorgeht, handelte es sich nicht mehr um eine erste Besteigung. Ich will hier gleich vorausschicken, was über frühere Besteigungen zu sagen ist. Den ersten Besuch erhielt der Berg am 5. August 1882. Die Herren Anderson und Rev. Govett kamen an jenem Tage mit den Führern Alois Pollinger und Ulrich Almer vom Turtmannthal her über die Hungerlialp und den Brändigletscher zum Brändijoch. Hier blieben Govett und Almer zurück, während Anderson und Pollinger das Stellihorn von der Nordseite her bestiegen. Im Bericht, den Herr Anderson im Alpine Journal ( Vol. XI, pag. 118 ) giebt, wird der Gipfel, was allerdings kaum zu begreifen ist, als Barrhorn bezeichnet. So mangelhaft auch die Dufourkarte in dieser Gegend ist, so hätte ein Blick auf sie genügen müssen, um zu erkennen, daß es sich um das Barrhorn nicht handeln kann. Schon im 18. Bande des Jahrbuches des S.A.C. macht auf Seite 443 die Redaktion die Bemerkung, daß die Topographie der Anderson'schen Notiz nicht klar sei, und ähnlich äußert sich Studer im 4. Bande seines bekannten Werkes. Daß Anderson auf dem jetzt Stellihorn heißenden Gipfel gewesen ist, folgt für mich aus den ganz bestimmten Behauptungen Pollingers, der mir schon im Jahre 1888 vom Festihorn aus diesen Berg als den von ihm bestiegenen bezeichnete.
Die nächste Besteigung erfolgte am 23. August 1890 durch die Herren Coolidge und Conway mit Christian Almer jun. ( Alpine Journal, XV, 265 und 308 ), und da von einer frühem Besteigung nichts zu finden war, nahmen die genannten Herren ihre als die erste an. Die dritte fand, wie schon oben erwähnt, am 15. August 1891 durch Herrn Friedmann statt.
Meine Auseinandersetzungen weichen nun freilich von denen der Herren Coolidge und Conway ab, die bis jetzt ihre Besteigung als die erste festhalten. Aus dem, was Herr Anderson geschrieben hat, läßt sich nun allerdings mit Sicherheit nichts entnehmen, seine Beschreibung paßt, meines Erachtes, für keines der beiden Stellihörner und doch muß er, auch nach ihr zu urteilen, auf einem von ihnen gewesen sein. Unter diesen Umständen kann ich es schon begreifen, daß die genannten englischen Herren die Priorität nicht preisgeben wollen, aber ich kann ihnen mit dem besten Willen nicht Recht geben. Für mich sind in diesem Falle die bestimmten Aussagen Pollingers maßgebend. Ich habe sowohl schriftlich als mündlich mit ihm verkehrt und noch im Herbst 1892 ihn darauf aufmerksam gemacht, daß die Anderson'sche Besteigung angezweifelt werde. Darauf hat er dann mir noch geantwortet: „ Sie sollen den Ulrich Almer fragen, der hat uns ja die ganze Zeit zugeschaut. " Es thut mir sehr leid, daß zwischen den Herren Coolidge und Conway und mir eine Einigung noch nicht hat erzielt werden können, aber ich muß bei meiner Darlegung bleiben. Den Pollinger'schen Aussagen gegenüber kann man nur noch absichtliche oder unabsichtliche Täuschung annehmen. So wie ich Pollinger kenne, halte ich das erstere für ganz unmöglich, und das letztere scheint mir im höchsten Grade unwahrscheinlich, weil die verschiedenen Berggestalten, um die es sich handelt, gar nicht zu verwechseln sind und die Anderson'sche Tour bei hellem Wetter stattfand.
Etwas vor halb 5 Uhr verließen wir am 2. Oktober die prächtig gelegenen Hütten von Riedje und erreichten nach stark dreistündigem Marsche die schon früher erwähnte Einsattlung beim Haupt, von wo sich der Ausblick auf alle die Gipfel vom Barrhorn bis zum äußern Stellihorn eröffnen sollte. Leider umzogen schon Nebel alle Spitzen, und als wir nach einer halben Stunde wieder aufbrachen, war von unsern Bergen überhaupt nichts mehr zu sehen. Ein kurzer Abstieg über große Felsblöcke brachte uns zu einem kleinen See, den wir schon letztes Jahr beobachtet hatten, und auf den Stelligletscher. Eine halbe Stunde später standen wir so ziemlich am Fuße des Stellihornes, mußten nun aber wohl oder übel warten, bis die ziehenden Nebel uns gestatteten, die beste Anstiegsroute ausfindig zu machen. Zum Glück wurde unsere Geduld auf keine zu starke Probe gestellt, die Nebel verteilten sich, und es präsentierten sich uns zwei Couloirs, die beide keine großen Schwierigkeiten zu bereiten schienen. Das südliche ist wesentlich kürzer, führt aber beträchtlich links vom Gipfel auf den Grat, und da es fast aussieht, als ob dieser ernstliche Hindernisse in den Weg legen könnte, entscheiden wir uns für das Couloir zur Rechten, das nahe beim Gipfel ausmündet. Vorerst ist noch eine Schnee- und Geröllhalde zu überwinden, dann folgt der eigentliche Anstieg über die Felsen, der sich leichter gestaltet, als wir erwartet hatten. Um 10 Uhr 15 Min. sind wir auf dem Grat, machen zuerst einen kurzen Abstecher nach einem kleinern Gipfel zur Linken, und betreten um 10 Uhr 40 Min. den mit einem Steinmann gekrönten höchsten Punkt. Unser Anstieg wird bis auf Kleinigkeiten derjenige der Herren Conway und Coolidge gewesen sein. Die Karten unserer Vorgänger konnten wir nicht finden, freilich haben wir uns auch nicht lange mit Suchen abgegeben. Zur Zeit unserer Ankunft war das Wetter noch recht ordentlich, wenn auch von Fernsicht nicht gesprochen werden konnte; allmählich aber zogen die Wolken wieder heran, und als wir um 12 Uhr uns vom Gipfel verabschiedeten, umgab uns dicker Nebel. Der Abstieg sollte auf dem Wege geschehen, auf dem sowohl Herr Anderson als Herr Friedmann das Ziel erreicht hatten, also in nördlicher Richtung zum Stellijoch. Ein Schneefeld führt ziemlich weit hinunter; wir gerieten im Nebel einmal etwas zu weit nach rechts, wo Abstürze ein Fortkommen unmöglich machten, kamen aber sonst gut hinunter. Nur zuletzt erforderte ein Felsabsatz noch einige Kletterei. Von der Scharte weg, in der wir um 12 Uhr 40 Min. anlangten, traversierten wir möglichst horizontal unter dem äußern Stellihorn durch und standen gleich nach 1 Uhr auf dem Brändijoch. Meine ursprüngliche Absicht, nochmals das äußere Stellihorn zu besuchen, mußte angesichts des Wetters aufgegeben werden, denn schon seit einer Viertelstunde schneite es ziemlich stark. Ein Marsch von 10 Minuten brachte uns zum Jungthaljoch, dann ging 's hinunter über den in seinen obern Partien noch ziemlich zerklüfteten Jungengletscher. Gegen 2 Uhr verließen wir den Gletscher und zugleich auch den Nebel und um halb 5 Uhr rückten wir in St. Niklaus ein.
Der Gässispitz ( 3414 m ) und das Barrhorn ( 3621 m ).
Am 5. Oktober hatte ich die Tour ausgeführt, über die der nächste Abschnitt berichten soll; am T. Oktober gedachte ich einer Einladung zu dem alljährlich stattfindenden Führerfest Folge zu leisten. Da auf diese Weise ein Tag für Bergfahrten verloren gehen mußte, durfte der 6. Oktober nicht müßig verbracht werden.
Von den Berggestalten nördlich des Barrhornes ist weitaus die imposanteste der Gässispitz. Wiederholt schon hatten wir ihn bisher be- trachtet, immer mit einer gewissen Scheu, aber einmal mußte doch der Versuch gemacht werden, ihn unter die Füße zu bekommen. Gar groß war meine Zuversicht nicht, als wir am 6. Oktober 1891 ausrückten, und auch Pollinger schien nicht ganz siegesgewiß zu sein. Punkt 5 Uhr verließen wir das wohl einfache, aber Touristen, die bescheidene Ansprüche stellen, sehr zu empfehlende Gasthaus Monte Rosa der Gebrüder Rovina. Recht interessant, wenn auch zum Teil ziemlich primitiv, sind alle die Wege zu den verschiedenen Alpen westlich von St. Niklaus: Jungen, Sparren, Riedje, Walkersmatt. Manche Strecken führen durch prächtigen Wald, dann geht 's wieder unter gewaltigen Felswänden durch und wieder hinan durch die großen Schluchten, an denen diese Thalseite so reich ist. Heute schlagen wir den meist guten und viel durch Wald führenden Weg nach Walkersmatt ( 2138 m ) ein, wo wir nach 21/2stündigem Steigen uns gerne bis 8 Uhr Rast gönnen. Der weitere Weg ist, von einer Stelle abgesehen, lange nicht mehr so steil; nach einer Stunde ungefähr erblicken wir, um eine Ecke biegend, die Gässispitzen. Von hier aus gesehen, sind es drei, die nördliche, nach rechts vertikal abfallende ist die höchste. Eine gewaltige, langgestreckte Moräne begrenzt auf seinem linken Ufer den südlichen Stelligletscher, der mit dem nördlichen, viel höher liegenden, eigentlich gar nichts gemeinsam hat, als den Namen. Erst dem Fuße dieser Moräne entlang, später auf ihrem scharfen Rücken gehend, erreichen wir gegen 10 Uhr in einer Höhe von etwas zu 2800 m die Stelle, wo der Gletscher betreten werden muß. Ganz nahe schon erhebt sich das Ziel unserer Wünsche. Es folgt nun eine kurze Wanderung über den schwach geneigten Gletscher, dann geht 's ziemlich mühsam über eine leicht verschneite Schutthalde hinan zu dem vom Barrhorn sich heruntersenkenden kleinen Gletscher. Wie Blatt St. Niklaus des Siegfriedatlas deutlich erkennen läßt, führt zwischen dem höchsten Gipfel und einer mehr südlich liegenden, niedrigem Spitze ein Couloir zu diesem Gletscher hinab, und es ist unsere Absicht, dasselbe zu benutzen. Um an seinen Fuß zu gelangen, mußte eine ziemlich unangenehme Traverse am untersten, steilen Abfalle ausgeführt werden, die wegen der Eishackerei viel mehr Zeit kostete, als wir erwartet hatten. Um halb 12 Uhr erfolgt der Einstieg in die Felsen. Zuerst kommen wir ziemlich rasch in die Höhe, bald aber werden die Felsen ungemein locker und steil, und in der obern Partie noch schlimm vereist. Erst um 1 Uhr 45 Min. betreten wir, erleichtert aufatmend, die Scharte ( zirka 3350 m ), aber noch trennt uns ein Felsturm vom letzten Kegel. Diesen Felsturm unten zu umgehen, läßt sich nicht ausführen; wir sind gezwungen, ihn über ganz miserables Gestein halbwegs zu erklettern. Der Abstieg zur nächsten Lücke ist offenbar ziemlich schwer, würde uns aber am Fortkommen nicht weiter gehindert haben, aber an der jenseitigen Wand, der wir nicht ausweichen können, scheint der Aufstieg ganz unmöglich zu sein. Wir sind bereits etwas ermüdet, und da zudem das Wetter sich sehr verschlechtert hat, entschließen wir uns, wenn auch ungern genug, zur Umkehr. Aber nicht mehr durch das Couloir hinunter, oder jedenfalls erst, wenn 's gar nirgends anders geht. Um 1 Uhr 55 Min. begannen wir den Rückzug, waren zehn Minuten später in der ersten Scharte und versuchten nun das Hinunterkommen auf der Westseite, wo ein im Anfang nicht zu steiles Schneecouloir in die Tiefe führt. Eine Strecke weit ging 's ganz gut, dann aber kamen wir auf Eis, und zu allem Überfluß war der " Nebel so stark geworden, daß wir, in völliger Unkenntnis über die tiefern Partieen, uns nicht mehr weiter getrauten. Die Geschichte fängt an, etwas unge- mütlich zu werden; wenn wir nur wenigstens noch am Tage von den Felsen loskommen. Um 3 Uhr 25 Min. sind wir, nach hastigem Anstieg, wieder auf dem Sattel und versuchen nun den Ausweg über den kleinen Gässispitz, der uns auch nicht sehr gefällt. Zum Glück trügt hier der Schein; die mit Schnee und Eis bedeckten Felsen bereiten wohl ziemliche Mühen, aber nach fast halbstündiger Arbeit betreten wir doch den etwa 3385 m hohen Gipfel, der schon einen Steinmann trägt. Hier stand Pollinger schon im Jahre 1883; bei einer Besteigung des Barrhornes, die er mit Mrs. Jackson ausführte, machte er von dem zwischen diesem Gipfel und dem kleinen Gässispitz befindlichen Joche aus den kurzen Abstecher. Leicht und rasch geht 's nun zu dem eben erwähnten Joche ( zirka 3330 m ) hinunter und weiter über guten Schnee bis dahin, wo am Morgen die Kletterei begonnen hatte; und nun steht uns nur noch die unangenehme Traverse schräg abwärts an der Eiswand bevor, bei der wir einzig und allein auf sichern Tritt angewiesen sind, wenn wir uns nicht erst noch die Mühe nehmen wollen, auch Griffe für die Hände herzustellen. Ein Stein fällt mir vom Herzen, als diese Passage hinter uns ist, und beflügelten Fußes eilen wir nun die Halden hinab, um vor der Nacht noch möglichst weit zu kommen. Erst unterhalb Walkersmatt überfällt uns die Dunkelheit und zwingt uns durch den Wald hinab zu einer etwas gemächlichem Gangart. Um 7 Uhr sitzen wir bereits beim Abendschoppen.
Die Katze läßt das Mausen nicht, sagt das Sprichwort, und wie macht 's ein rechter Bergsteiger oder meinetwegen Bergfex? Mag er auch noch so oft sich gelobt haben, sich in gewisse Unternehmungen nie mehr einzulassen, kaum ist er der Klemme entronnen, so sinnt er auf neue Thaten. So ging es auch uns; noch ehe wir Walkersmatt erreicht hatten, war es so gut wie abgemacht, daß wir in einigen Tagen den Versuch wiederholen wollten. Das Führerfest war inzwischen um einen Tag verschoben worden, und um keine Zeit zu verlieren, verfügten wir uns am Mittwoch zur Domhütte, um eine Inspektion vorzunehmen und dann am Donnerstag das Nadelhorn zu traversieren. Diesmal begleitete uns noch der junge Joseph Pollinger, der von seinem Vater allmählich zum Führerberufe herangebildet wird und schon manche große Tour ausgeführt hat. Aus der Besteigung wurde leider nichts, während der Nacht verschlechterte sich das Wetter und am Morgen schneite es so stark, daß nur der Abstieg ins Thal übrig blieb. Nachmittags verbrachte ich ganz vergnügt einige Stunden beim Fuhrerfest. Das Wetter besserte sich schon wieder und wurde am Freitag ganz gut.
Frohgemut zog ich Samstag den 10. Oktober mit den beiden Pollinger aus; am Wetter konnte es nicht fehlen, und nur der Gedanke an den jüngsten Schneefall ließ etwa leise Zweifel am Gelingen aufkommen. Um auf alle Fälle genügend Zeit zur Verfügung zu haben, brachen wir schon um halb 3 Uhr auf, waren um 4 Uhr 50 Min. in Walkersmatt und blieben dort, bis uns um halb 6 Uhr die Dämmerung gestattete, ohne Laterne weiter zu marschieren. Da wo man den Stelligletscher zu betreten hat, schon fast am Fuße der Gässispitzen, hielten wir Rast von 6 Uhr 50 Min. bis 7 Uhr 25 Min. und ließen nun alles überflüssige Gepäck zurück. Beim ersten Versuch hatten wir soviel erkannt, daß die Scharte zwischen den beiden Gässispitzen viel leichter vom Barrjoch her erreicht wird, als durch das steile Felscouloir. Daß wir die Eiswand, wenn irgend möglich, vermeiden wollten, ist wohl zu begreifen, und es zeigte sich denn auch, daß am Ostrande des kleinen Gletschers recht gut in die Höhe zu kommen war. Um 8 Uhr 50 Min. ist das Barrjoch erreicht, zwanzig Minuten später folgt der Weitermarsch, der uns in wieder ebensoviel Zeit zur ersten Scharte bringt. Wider Erwarten sind die Felsen viel besser als vor vier Tagen, der gestrige schöne Tag hat nicht nur den neuen Schnee weggebracht, sondern noch einen großen Teil des alten. Bis jetzt ist alles ausgezeichnet gegangen, aber als wir einige Minuten später wieder an der Umkehrstelle sind, kommen beim Erblicken der jenseitigen Wand sofort wieder Zweifel am Erfolg. Auf alle Fälle haben wir heute noch viel Zeit vor uns, geht 's hier nicht, so läßt sich immer noch an anderer Stelle probieren. Bald ist die zweite Scharte, am Fuße der Wand, erreicht, und nun sieht die Geschichte schon nicht mehr so schlimm aus. Speziell wegen des nun folgenden haben wir den Joseph mitgenommen; er ist der leichteste und gewandteste unter uns und kommt am ehesten hinauf, um so mehr, als sein Vater ihm noch ziemlich helfen kann. Bald hat Joseph sichern Stand gefunden, am Seil folgen nun ich und Pollinger, und alle Schwierigkeiten sind überwunden. Punkt 10 Uhr ist der Sieg errungen. Während ich einige Beobachtungen anstelle und die herrliche, nur durch das nahe, uns um 200 m Überhöhende Barrhorn einigermaßen beschränkte Fernsicht mustere, baut Joseph einen stattlichen Steinmann. Um 10 Uhr 35 Min. den Rückweg beginnend, sind wir drei Viertelstunden später auf dem Barrjoch und steigen nun noch zum Barrhorn hinan. Der Schnee ist schon ziemlich schlecht geworden, aber der junge Pollinger besorgt die Schneestampferei in unverdrossener Weise. Eine Stunde genügt zur Erreichung des neuen Zieles ( 3621 m ). Ich will den Leser nicht mit einer trockenen Aufzählung aller der Berge behelligen, die sich dem entzückten Auge darboten; ich sage nur das, daß ich kaum je auf einem Gipfel so angenehm verweilt habe. Unser Tagewerk war im wesentlichen gethan, Zeit lag noch reichlich vor uns, und so durften wir uns ungestört beim herrlichsten Wetter und ganz stiller Luft dem Genüsse der Aussicht hingeben.
Über eine frühere Besteigung des Barrhornes ist noch nichts publiziert worden, indessen ist unsere nicht die erste. Wie schon erwähnt, hat im Jahre 1883 Mrs. Jackson mit Pollinger und Matthias Truffer diesen Berg erreicht und ist dann ins Turtmannthal abgestiegen. Das genaue Datum ist aus dem Führerbnche nicht zu ersehen, wahrscheinlich war es im September.
Vom Rückwege, der nach einstündigcm Verweilen begonnen wurde, will ich nur so viel sagen, daß er bis St. Niklaus drei Stunden erforderte.
Wie schon früher angedeutet, habe ich über die Touren in diesem Gebiete mit Herrn Coolidge Briefwechsel' geführt, und es hat dann Herr Conway im 16. Bande des Alpine Journal unter dem Titel: „ The Turtmann Ridge ", eine vollständige Übersicht aller Gipfel und Pässe des ganzen Gebietes gegeben, mit Angaben über die ersten Besteigungen, soweit darüber etwas bekannt ist. Ich wiederhole nun nochmals die Ausstellungen, die ich zum Aufsatze des Herrn Conway zu machen habe:
1 ) Das Barrhorn hat seine erste Besteigung durch Mrs. Jackson und nicht durch mich erfahren.
2 ) Das innere Stellihorn ( 3415 m ) ist zuerst, am 5. August 1882, durch Herrn Anderson bestiegen worden, die Besteigung der Herren Coolidge und Conway ist die zweite.
Das große Bigerhorn ( 3623 m ).
Wenn man von St. Niklaus hinansteigt gegen Jungen, so erblickt man auf der gegenüber liegenden Thalseite rechts vom Ferrichhorn eine ähnliche Berggestalt, die auf den bisherigen Karten keinen Namen führt. Ihr vorgelagert und ebenfalls fast gleich geformt ist der sowohl auf der Dufour- als auf der Siegfriedkarte als Bigerhorn bezeichnete Gipfel ( 3180 m ). Schon bei der Besteigung des Ferrichhornes trug ich mich mit dem Gedanken, dem unbenannten Gipfel, den ich nun als großes Bigerhorn bezeichnen will, gelegentlich einen Besuch zu machen. Dieser Gedanke sollte am 5. Oktober 1891 zur That werden.
Dichter Nebel erfüllte das Thal, als ich mit Pollinger um halb 5 Uhr die Reise antrat, die uns über Höllenen zunächst zu der nun schon so manches Mal besuchten Hütte der Schallbettalp bringen sollte. Noch ehe die Alp erreicht war, blieb der Nebel hinter uns zurück und die Gewißheit eines schönen Tages erfüllte uns mit froher Hoffnung. Unser Weg stimmt im wesentlichen mit dem schon früher geschilderten auf das Ferrichhorn Uberein, nur daß wir uns nach Überschreitung des Riedgletschers etwas Südlicher halten. Um halb 10 Uhr sind wir am Nordrande des zwischen Ferrichhorn und Bigerhorn eingelagerten kleinen Gletschers, und halten Rast bis 10 Uhr 10 Min. Das Überschreiten des Gletschers und insbesondere der letzte Anstieg zu dem vom kleinen zum großen Bigerhorn ziehenden Grat, gestaltet sich des weichen Schnees wegen äußerst anstrengend, dann aber kommen wir ohne Schwierigkeiten über Felsen hinan. Um 12 Uhr 50 Min. ist der vorher wohl kaum betretene Gipfel, der einen prächtigen Blick nach Visp hinunter bietet, erreicht. Der Abstieg wird um 2 Uhr angetreten und bringt uns um 5 Uhr ins Thal.
Ganz unverhofft kam ich am 10. Oktober 1892 nochmals auf diesen Berg. Wie schon erzählt, wollte ich im Herbst 1891 auf das Nadelhorn, und in der gleichen Absicht hatte ich mich am 7. Oktober 1892 zur Domhütte begeben, aber wieder verhinderte schlechtes Wetter die Ausführung des Planes. Nun sollte die Besteigung von der Nordseite her erzwungen werden; wir verbrachten die Nacht vom 9. auf den 10. Oktober in der Schallbettalp, gelangten um 9 Uhr bei gutem Wetter auf den vom Ulrichshorn zum Nadelhorn ziehenden Grat, wurden aber hier von einem solchen Sturme empfangen, daß zunächst wenigstens von Vorwärtskommen keine Rede sein konnte. Wir flüchteten uns auf den Hohbalengletscher hinunter, fanden aber so wenig Schutz, daß uns nichts übrig blieb, als zu den Felsen am Ostfuße des Ülrichshornes hinüberzugehen. Hier war 's erträglich, allein unser Warten half nichts. Gegen 11 Uhr mußte definitiv auf das Nadelhorn verzichtet werden, und um wenigstens etwas erreicht zu haben, stiegen wir in 40 Minuten zum Ulrichshorn hinan und von da in einer guten Stunde zum Balfrin hinüber.. Die Darstellung des obersten Teiles dieses Berges auf Blatt 533 ist ziemlich mangelhaft; der Balfrin besteht aus zwei ungefähr 500™ von einander entfernten Gipfeln, die, wie ich vor vier Jahren schon und auch heute wieder feststellte, genau gleich hoch sind. Der nordwestliche Gipfel trägt immer Schnee und mag in schneereichen Jahren den andern, der die Zahl 3802 trägt, etwas überragen. Wir wollten dem Riedgletscher, auf dem wir meist schlechten Schnee getroffen hatten, möglichst aus dem Wege gehen, gingen daher zum zweiten Balfringipfel hinüber und von da hinunter zu dem zwischen ihm und dem großen Bigerhorn befindlichen Sattel, von wo uns ein kurzer Anstieg zum letztgenannten Gipfel selbst brachte. Der ganze Übergang beanspruchte, mit Einschluß von 20 Minuten Rast, eine Stunde. Der Abstieg nach St. Niklaus stimmte genau mit dem vorjährigen Uberein.


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