Südliche Fanesspitze 2980m - Die Herren Tomaselli und Veronesi


Publiziert von georgb , 20. Juli 2016 um 14:20.

Region: Welt » Italien » Trentino-Südtirol
Tour Datum:19 Juli 2016
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K5 (SS)
Wegpunkte:
Geo-Tags: I 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 1450 m
Abstieg: 1450 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Gadertal-St. Kassian-Capanna Alpina
Kartennummer:tabacco Alta Badia

Um die Südliche Fanesspitze hat man im Ersten Weltkrieg gebohrt, gegraben und geschossen. Heute, hundert Jahre später, profitieren wir von den Anstrengungen der durchgeknallten Militärs von anno dazumal. Man hat die alten Kriegssteige und Wege genutzt, sie zu ein paar sehr anregenden und anspruchsvollen Klettersteigen umfunktioniert und sie nach zwei verdienten italienischen Persönlichkeiten und Bergfreunden benannt. Als "König" der Dolomitenklettersteige führt der Tomaselli sogar bis zum Gipfel der Südlichen Fanesspitze.
Ich beginne meine Exkursion an der Capanna Alpina und folge dem bequemen Weg bis zum Lagazuoisee. Von hier gab es früher einen markierten Steig hinauf zur forcella grande wo der Tomasellisteig beginnt. Die Spuren sind noch zu erkennen und gelegentlich eine alte Markierung, aber er ist dem Verfall ausgesetzt, teils abgespült und abgebrochen. So habe ich an der Forcella schon wilde und mühsame 900 Höhenmeter in den Beinen und muss erstmal durchschnaufen. Währenddessen nähern sich weitere Aspiranten, darunter eine sympathische Italienerin, namens Mary!? Spontaneamente ci facciamo compagnia e continuiamo insieme. 
Die psychologische Schlüsselstelle gleich zu Beginn haben wir schnell geschafft, aber die technisch schwierigeren Passagen folgen erst noch. Gelegentlich suche ich mir neben den Versicherungen ein paar freie Stücke, um wenigstens den Fels zu spüren, aber überwiegend kralle ich mich am Fixseil fest und ziehe mich höher, dass der Bizeps nur so schwillt. Ein kurzes Teilstück im Gehgelände zur Entspannung ist auch dabei, doch meist geht es in der Vertikalen und auch mal überhängend weiter (bis K6). Come dice Mary: non è banale ;-) So sind wir beide froh, als der Gipfel erreicht ist und mit zitternden Armen beglückwünsche ich meine tapfere Zufallsbegleiterin.
Beide haben wir als Abstiegsvariante die sagenumwobene Alta Via Veronesi im Kopf und tauschen unsere Informationen darüber aus. Mit Martin hat sich inzwischen ein weiterer Gelegenheits-Ferratista und versierter Alpinist zu uns gesellt und hört aufmerksam zu. Auch er hat von dem ominösen Band durch die Westwand der Fanesspitzen gehört und schon sind die ursprünglichen Individualisten zu dritt.
Als "Seilschaft" gehen wir den Abstieg in die Forcella dei Quaire an. Die Schwierigkeiten lassen kaum nach und auch hier braucht es kräftiges Zupacken an einigen senkrechten, ausgesetzten Stellen ( K4). Dort angekommen suchen wir den Zustieg zu dem sagenhaften Kriegsstollen, der uns  über 80 Meter auf die andere Seite des Fanesmassivs führen soll. Vorher erwartet uns ein brüchiger, rutschiger Hang mit Schneeresten und ein kurzes, gesichertes Felsstück. Die gelegentlichen Steinschläge und das rustikale Gelände schärfen unsere Sinne für ein Erlebnis der besonderen Art: Unvermittelt taucht ein Stollenloch auf, kaum auszumachen aus der Ferne und weniger als mannshoch. Der düstere, niedrige Tunnel endet an der Westseite des Berges mit einem spektakulären Ausblick auf Marmolada und Sella. Gleichzeitig betreten wir hier ein sensationelles Band, das die ganze Flanke quert und als Alta Via Luigi Veronesi mehr oder weniger bekannt ist.
Der Weg selber ist ausreichend breit und Gehgelände, nur die Abgründe unter uns lassen den Atem stocken. Trotzdem ist es ein Genuss, auf dem wilden Band zu marschieren mit gewaltigen Aus- und Tiefblicken. Fast zu schnell stehen wir am Ende der Cengia vor dem riesigen Geröllfeld zur Forcella del Lago und rüsten auf Abfahrt um. Vorsichtig rutschen wir hinunter und treffen seit Langem wieder auf menschliche Gesellschaft. Am gleichnamigen See trennen sich die Wege, Mary zieht zum Falzarego, Martin und ich zur Scotoni. Spät ist es geworden und leider hat die Küche schon geschlossen, es gibt trotzdem noch ein schmackhaftes Stück Kuchen in der Nachmittagssonne. Auch Martin zieht bald weiter und der Kreis schließt sich, die drei Alleingänger sind wieder solo unterwegs, aber in der Erinnerung an dieses spektakuläre Abenteuer bleibt neben den Herren Tomaselli und Veronesi vor allem die angenehme Begegnung mit meinen zwei netten Bergfreunden.


Tourengänger: georgb


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Kommentare (2)


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gero hat gesagt: Großartig !
Gesendet am 22. Juli 2016 um 11:10
Gratuliere zu dieser Leistung - mein Neid ist dir gewiß, des pack ich leider nicht!
Aber ich gönn' Dir diesen alpinistischen Kick von ganzem Herzen.

Gruß vom gero

georgb hat gesagt: Danke Georg
Gesendet am 22. Juli 2016 um 13:52
man kann die Alta Via Veronesi auch ohne den Tomaselli begehen, dann T4 und K3! Wenn du Lust hast, ich wäre nochmal dabei, vielleicht fallen mir auch noch Varianten ein ;-)
Grüße


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