Zum südlichen Extrempunkt Deutschlands


Publiziert von quacamozza , 17. Oktober 2015 um 13:53.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:29 September 2015
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: D   A 
Zeitbedarf: 6:45
Aufstieg: 1940 m
Strecke:Bushaltestelle Gemse-Hintere Gemstelhütte-Obergemstelalpe-Sterzerhütte-Koblachhütte-Hüttenkopf-Haldenwanger Kopf-Haldenwanger Eck-Grenzstein Nr. 147-Gehrner Berg-Schrofenpass-Mindelheimer Hütte-Wildengundkopf-Koblatpass-Sterzerhütte-Obergemstelalpe-Hintere Gemstehütte-Bushaltestelle Gemse (26,5 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 2 1:25 000 Kleinwalsertal Hoher Ifen, Widderstein

Der südliche Extrempunkt Deutschlands befindet sich in den Allgäuer Alpen. Nach meinem Besuch des *nördlichen Extrempunkts auf Sylt möchte ich heuer im Rahmen einer weiteren "Extremwanderung" diesen geografisch wichtigen Punkt aufsuchen. Bergtechnisch sind ja in Deutschland bekanntermaßen nur die Zugspitze und der Grenzstein am Gehrner Berg interessant.

Die ganze Gegend um das hinterste Rappenalptal ist zumindest in der Nebensaison recht einsam. Man ist verschont vom Bergbahnrummel um Fellhorn und Kanzelwand. Mountainbiker, die mit dem Radl die Alpen überqueren, kennen den Schrofenpass als Übergang ins Lechtal. Wanderer gehen meist zur Mindelheimer Hütte oder auf den Widderstein.

Zum Abschluss wird die einfache Wanderung noch recht anspruchsvoll, wenn man den Wildengundkopf aufs Tourenprogramm setzt. Der verlangt Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und ein Minimum an alpinem Können.



Zur Schwierigkeit:

Hüttenkopf: kurz T 4-5
Wildengundkopf: T 5-6 und I+
ansonsten leichte Wanderung bis T 3


Zum Zeitbedarf:

Bushaltestelle Gemse-Hintere Gemstelhütte: 30-35 min
Hintere Gemstelhütte-Obergemstelalpe: 30-35 min
Obergemstelalpe-Koblachhütte: 45 min
Koblachhütte-Hüttenkopf: 4 min
Hüttenkopf-Haldenwanger Kopf: 15-20 min
Haldenwanger Kopf-Haldenwanger Eck: 10 min
Haldenwanger Eck-Grenzstein Nr. 147: 10 min
Grenzstein Nr. 147-Gehrner Berg: 5-10 min
Gehrner Berg-Schrofenpass: 30-35 min
Schrofenpass-Mindelheimer Hütte: 1 Std
Mindelheimer Hütte-Wildengundkopf: 40-45 min
Wildengundkopf-Koblatpass: 30 min
Koblatpass-Obergemstelalpe: 25-30 min
Obergemstelalpe-Bushaltestelle Gemse: 55 min



Die Tour verläuft meist auf ausgetretenen Wanderwegen, die bestens markiert sind. Da ich zudem einen vollständigen Track anhänge kann ich mich bei der Beschreibung aufs Notwendigste beschränken.


Der in der AV-Karte noch eingezeichnete Weg vor dem Koblatpass (Abzweig auf ca. 1900m) hinauf zur Koblathöhe existiert nicht mehr und ist auch nicht mehr gut sichtbar. Die Schilder sind abgebaut. Ich gehe trotzdem den Verlauf des alten Weges nach. Das Gelände ist unübersichtlich, aber unschwierig.

Der Hüttenkopf (1964m) ist sehr kurz, aber doch recht anspruchsvoll zu besteigen. Die Platten werden an geeigneter Stelle überquert, das heißt dort, wo Gras- und Schrofenzungen einen Durchstieg erlauben. 

Den direkte Nordostgrat des Haldenwanger Kopfs (2002m) ist wegen Latschen und steilem Bruchfels nicht empfehlenswert. Der kurze Umweg über die Nordseite lohnt sich. Hier kann in leichter und aussichtsreicher Graswanderung der Gipfel erreicht werden.

Auf dem Haldenwanger Eck (1930m) hat sich die damalige bayerische Landesregierung im Jahrhundertsommer 2003 mit einem GK und einem Bänkchen verewigt. Der südlichste Gipfel, den sich Deutschland nicht mit Österreich teilt und gleichzeitig der für den Durchschnittspolitiker südlichste, zugängliche Gipfel Deutschlands (Zugang natürlich von Österreich, haha) als politisches Prestigeobjekt: eine Horrorvorstellung. Ich bin entsetzt, dass ich in den schönen Allgäuer Bergen der Parteien- und Verbandswerbung ausgesetzt bin und verlege deshalb meine Rast.

Doch damit nicht genug. Natürlich musste es beim Grenzstein Nr. 147 die übergroße Version sein. Wenn man da mal an Sylt denkt. Dort muss man den Extrempunkt noch per Karte und GPS orten.

Der Gehrner Berg (1936m) ist auf den letzten Höhenmetern vollständig mit Latschen zugewuchert. Ein kurzer Latschenkampf der Kategorie 4. Den Rucksack sollte man vorher deponieren. Und wie immer gilt: Alle Reißverschlüsse vorher zumachen. Die Aussicht vom höchsten Punkt ist lohnend.
Der Wanderweg geht etwa 10 Höhenmeter unterhalb vorbei und berührt den Gipfel nicht.

Der Schrofenpass (1688m) ist weitläufig. Die tiefste Stelle befindet sich nicht an den Sitzbänken und Wegkreuzungen, sondern mitten im Urwald. Auf dem Wegweiser an der Kreuzung sind 1681m angegeben. Dort befindet sich auch ein Passbuch. Ein netter Platz, um eine Pause einzulegen, sofern nicht allzu viele Leute den Pass belagern.

Beim Abstieg ins Rappenalptal findet man (hoffentlich) die Leitern vor, die im November abgebaut werden. Wenn sie entfernt sind, helfen Krampen und Seile über die sonst heikel zu überwindenden Tobel. Mit dem Radl dürfte es dann allerdings ungemütlich werden. Gut, wer fährt schon im Winter? Aber es gibt ja über die dann angewandten Techniken schon das eine oder andere eindrucksvolle Foto. Im Grunde ist der Schrofenpass, wie auch die anderen Übergänge in den Allgäuer Alpen, zum Radeln ungeeignet.

Von der Wegkreuzung unten im Rappenalptal (1526m; Wegweiser) könnte man über die Trifthütte zurück zur Koblachhütte und ins Kleinwalsertal wandern.  


Der Wildengundkopf ist eine langgezogene Felsschneide, die im hinteren (östlichen) Teil aus drei kleinen Erhebungen besteht. Davon ist die mittlere die höchste. Auf dieser steht ein kleiner Steinmann. Ein GB gibt es nicht. Auf der AV-Karte fällt der Berg nicht sonderlich auf. Beim Weg zur Mindelheimer Hütte und auch auf dem Weg durch den Wilden Gund zeigt der Berg allerdings eine ausgeprägte Selbständigkeit und Wildheit.

Die Ausführungen im AVF müssen an dieser Stelle korrigiert werden. Der Berg ist nicht nur "eine Schulter ohne Gipfelcharakter" und er ist auch nicht "in wenigen Minuten" zu erreichen. Für den Hin-und Rückweg sollten schon bei guter Gangart 30-35 min eingeplant werden.

Die Höhe des Wildengundkopfs (z.B. alter AVF: 2138m, neuer AVF: 2175m) wird fast immer falsch angegeben. Die 2197m sind korrekt. Ich habe mehrmals gemessen. 

"Unschwierig" ist der Gang über die Schneide keineswegs. Es ist ausgesprochen luftig, wandertechnisch im oberen T 5 bis unteren T 6-Bereich anzusiedeln. Außerdem ist der Fels brüchig, und es sind einige leichte Kraxelpassagen zu bewältigen. Ein Abstecher, der sich unbedingt lohnt, aber nur für wirklich Geübte empfehlenswert ist. Vom Wanderweg wird man oft beobachtet.
Zum Vergleich: der Übergang am Söllerkopf ist ebenso ausgesetzt, aber technisch einfacher. 

Die heute gefährlichste Stelle wartet kurz darauf. Bei der Querung der Flanke des Geißhorns muss ich auf ein Steinbockrudel mit knapp 20 Tieren aufpassen, das zunächst den Weg blockiert, dann aber schnell bergauf in die steinige Flanke springt. Ich warte, bis die Steinschlagsalve aufhört und die Tiere stehenbleiben. Danach geht es zügig unter dem Rudel hindurch.  

Als zusätzlichen Abstecher bietet sich nun noch das Geißhorn (2366m) an. Heute kommt der Hochnebel spät, aber er kommt. Deswegen wird die Aussicht oben nicht gut sein, so dass ich mir diesen schönen Aussichtsberg für einen anderen Tag aufhebe.

Empfehlenswert ist eine Einkehr in der Hinteren Gemstelhütte (1320m) vor der Kulisse des Kleinen Widdersteins. 
Heute habe ich leider kein Bike dabei. Als Variante gehe ich heute mal wieder den Gemstelrundweg über die Tonisgemstelalpe. Trotzdem ist der Rückweg per pedes nicht allzu lang.

 


  



Tourengänger: quacamozza


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (7)


Kommentar hinzufügen

Nic hat gesagt:
Gesendet am 17. Oktober 2015 um 17:08
Schöne Runde! So ähnlich hatte ich das auch geplant. Den Wildengundkopf hätte ich jetzt nicht als so "gach" eingeschätzt. Walser Geißhorn und Wildengundkopf waren für dieses Jahr u.a noch geplant. Nach den letzten Schneefällen wird das aber wohl eher nichts mehr. Mal schauen...

Grüßle Nico

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 18. Oktober 2015 um 14:52
Die Saison ist noch nicht vorbei. Geißhorn ist ja eine Südseitentour. Und den Wildengundkopf wirst schon packen. Ist eine halbe Nummer schwerer als die Ramstallspitze...

Gruß zurück
Ulf

Kauk0r hat gesagt: Alternative und Höhe
Gesendet am 28. Oktober 2015 um 17:45
Hallo Nico und Ulf,

der Übergang zum Wildengundkopf ist wirklich überraschend anspruchsvoll, was aber meiner Meinung nach hauptsächlich an dem unzuverlässigen Gestein liegt. Aus Neugier bin ich auf dem Rückweg über die Südflanke zurück zum Sattel. Dabei gings über Grastritte hinab, bis der Schrofenriegel in Gehgelände gut zu überwinden war. Zum Sattel hin helfen dann teils brauchbar ausgeprägte Wildwechsel. Gehtechnisch war das vielleicht ungefähr T4, bei entsprechender Trittsicherheit eigentlich gut machbar.

Die Höhe des Wildengundkopfs war auch für mich recht spannend. Leider zeigte sich mein Höhenmesser irgendwie unzuverlässig. Die Kompass-Karten geben ja ebenfalls 2197 m an, im BayernAtlas ist ja sogar die 2200er-Höhenlinie drin, allerdings ohne Höhenangabe.
Der Sattel wird am Wegweiser mit 2172 Meter angegeben. Der tiefste Sattel im Wildengundgrat war meiner Messung nach 5 Meter tiefer, wobei ich am Wildengundkopf bei nur 2190 Meter war.
Hattest du am Wanderweg-Sattel auch gemessen Ulf? Und von der tiefsten Scharte auch eine Höhe?

Beste Grüße!
Kauk0r

quacamozza hat gesagt: RE:Alternative und Höhe
Gesendet am 29. Oktober 2015 um 14:53
Hallo Kauk0r,

das stimmt wohl, der Bruch und daneben die Ausgesetztheit machen den Gratübergang anspruchsvoll.

Eventuell ist sogar eine Überschreitung des Grates möglich.

Was man relativ sicher sagen kann: der Wildengundkopf hat keine 2200m. 2195 oder 2196 können auch sein...beim Wegweiser hatte ich ebenfalls die Höhe 2172. Danach habe ich nicht mehr gemessen (müsste also im Track nachschauen).

Eine andere Zahl: Vom Abzweig des Weges zum Hauptgipfel sind zu den 25 Metern Höhendifferenz weitere 36 Höhenmeter auf und ab zu überwinden.
Aber jetzt genug des Controllings...wir haben sowieso keine 100%ig valide Möglichkeit, exakte Messungen vorzunehmen.

Weiterhin schöne Touren, vielleicht auch mal ohne Höhenmesser und GPS ;-)

Grüße zurück
Ulf



Kauk0r hat gesagt: RE:Alternative und Höhe
Gesendet am 29. Oktober 2015 um 16:38
Danke Ulf! Aber gerade an den unscheinbaren und stillen Zielen ist die Spielerei mit den Höhen doch manchmal ganz spannend ;)

Kommunist hat gesagt: Wildengundkopf
Gesendet am 16. Juli 2018 um 21:26
Ich habe heute den Wildengundkopf vom Koblatpass aus bestiegen und fand, dass es noch weit von echtem T6 - Gelände entfernt ist. Teilweise etwas ausgesetzt, aber für den im Schrofengelände fitten Bergsteiger gut zu gehen. Ich würde maximal T5 geben.

quacamozza hat gesagt: RE:Wildengundkopf
Gesendet am 17. Juli 2018 um 16:22
Über Schwierigkeitsbewertungen kann man endlos diskutieren. Das halte ich für müßig. Es gibt keine objektive Wahrheit. Deswegen wird es auch nie ein mathematisch korrektes Ergebnis geben.

Du bewertest den Grat mit T 5, ich habe gesagt: zwischen T 5 und T 6. Da sind ja nun wirklich keine großen Unterschiede zu erkennen.

Es gibt Leute wie den 83_Stefan, die würden für den Grat ein T 4 geben. 90 % der Wanderer dagegen, die auf dem Krumbacher Höhenweg flanieren, würden es wohl als glattes T 6 einstufen. Mit einer nachvollziehbaren Begründung ist das meiner Meinung nach alles vertretbar. Mit der Zeit kennt man die Bewertungsmaßstäbe der Autoren.

Da ich bereits viele Tourenberichte geschrieben habe, vergleiche ich immer mal wieder ähnliche Touren und überprüfe die Stimmigkeit meiner Bewertung. Im Zweifel bewerte ich lieber einen Tick zu weich, um nicht unbedarfte Nachahmer zu einer Tour zu animieren, der sie nicht gewachsen sind. Die "war alles nicht so wild"-Mentalität ist zwar verbreitet, aber nicht mein Leitbild.



Kommentar hinzufügen»