Überschreitung Kleines - Grosses Gelmerhorn: Auf den Spuren der Granitpioniere


Publiziert von Alpin_Rise , 27. August 2015 um 22:24.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum: 6 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: V (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-BE 
Aufstieg: 1200 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Chüenzeltennlen
Unterkunftmöglichkeiten:Gelmerhütte

Was müssen sich die Pioniere anno 1900 gedacht haben, als sie unter dem Gipfelblock des Chli Gelmerhorns standen? Unmöglich! Vor allem in den damals üblichen Nagelschuhen war die Gipfelplatte kaum kletterbar. Kletterschuhe mussten her – und prompt meisterte  der Seilerste Weber 1901 in Vorläufern unserer Kletterfinken  die Gipfelplatte, während sein Begleiter Tännler in Socken nachstieg. Ihre Tour Guttannen – Kleines Gelmerhorn – Grimsel Hospiz dauerte nicht mal 18 Stunden, wer würde das heute so noch hinkriegen?
Wir probierten es: Für die Runde ab dem heute üblichen Ausgangspunkt Chüenzentennelen brauchten wir
trotz modernster Vibramsohlen und leichter Ausrüstung ganze zwölf Stunden. Und aufs  Kleine Gelmerhorn haben wir's nicht ganz geschafft... nun, die Zeit und mit ihr auch die Leistungsfähigkeit der Alpinisten ändern sich!
All dies tut aber der Schönheit und dem Ambiente der Gelmerhörner keinen Abbruch. Die Kletterei ist und bleibt sicher eine der schönsten weit und breit. Dabei ist die eigentliche Kletterei über die Hörner das Filetstück, um an dieses ranzukommen, muss man allerdings einen exponierten Zu- und Abstieg in den Griff kriegen.


Wunderbare Granit-Überschreitung mit saftigem Zu- und Abstieg

Von Chüenzentennlen in einer guten halben Stunde zum mediterran anmutenden Gelmersee, den wir nördlich umrunden. In die Schwemmebene des Mittlist Diechter führt eine Abkürzung: man muss nicht den Umweg über den Bergweg nehmen, sonder verlässt diesen auf ca. 2170 m nach links, es führen Fixseile und geschlagene Tritte (im Tessin "Tacche") direkt in die Schwemmebene.
Man überquert den Bach und folgt Steinmännern bzw. verblassten roten Punkten: Nur leicht aufsteigend auf einem Band nach Osten in die Schlucht, die von der nördlichen Gelmerhütte hinunterzieht. Aus dieser hinaus die erste Kletterstelle um III, dann ein kurzer Abstieg bevor das plattige Band anfängt, das diagonal durch die ganze Wand führt; es ist übrigens im Aufstieg gut erkennbar. Exponiert mit einigen Kletterstellen und nur wenig Sicherungsmöglichkeiten gehts bis in die Rinne unter der Südlichen Gelmerlücke. Die Sache ist anspruchsvoll und kann ganz schön Zeit fressen. Die Rinne selbst geht dann gut, hält aber üppig Bewuchs und Geröll zu bereit: Achtung Steinschlag!

In der Südlichen Gelmerlücke stehen wir am Einstieg zur eigentlichen Gratüberschreitung, die für die ersten 150 Meter im II. Grad einfach daherkommt. Eine Länge im vierten Grad führt zu den Orgenlpfeifen, eine sehr originelle Passage (IV+). Nordseitige entlang von Bändern zum Gipfelaufbau des Kleinen Gelmerhorns, der wunderbar im III. Grad der Kante entlang erstiegen wird. Wir beschliessen, den berüchtigten, imposanten Gipfelblock rechts zu umgehen (II) zu einer bequemen Pausenterasse. An einem Schlingenbündel seilen wir zum Muniring oberhalb der markanten Verschneidung ab. Mit  50m Einfachseil muss darin ein exponierter Zwischenstand bezogen werden, von dort in den Gelmersattel. Nun folgen im Aufstieg zum grossen Gelmerhorn zwei fantastische Seillängen: Vor allem die obere – nominell mit V die klettertechnische Schlüsselstelle – bietet geniale Kletterei an einem Riss. Zunehmend einfacher (II-III) durch Blockgelände östlich am Gross Gelmerhorn vorbei und von hinten (Norden) auf den höchsten Punkt; das Gipfelbuch finden wir jedoch am nördlichen Ende des Gipfelgrates.

Der Abstieg ist nun nicht ganz trivial: da wir kein Topo* dabei hatten waren wir nicht sicher, ob wir wirklich über die exponierten Bänder auf der Westseite absteigen müssen, zumal eine Abseilstelle nach Osten vorhanden ist. Nachdem ich den nächsten Abseilstand entdeckt hatte, seilten wir auch nach Osten ab und folgten ca. 20 m problemlos dem einfachen Grat nordwärts – sicher leichter und schneller als die im Führer empfohlene Variante auf der Westseite. Die folgende Abseilstelle in die Rinne führt in 30 m (!) zu einem einzelnen, alten Borhaken mit Maillot, 20 m danach folgt ein weiterer. Man kann hier an den zweifelhaften Fixpunkten abseilen oder abklettern (II, heikel). Etwas nach dem zweiten Borhaken kommt ein einfaches, kurzes Band nach Norden, das zu einer Rinne führt, in der man 3 m absteigt. Die folgende Rippe wird bei einem Einschitt in einfaches Gelände gequert. Dieser Abschnitt ist zwar nicht schwierig (II-III) aber sehr exponiert.  Auf Bändern im T5-Gelände in die Nördliche Gelmerlücke.
Hier ist es noch nicht ganz vorbei: links (nördlich) der Rinne in exponiertem, steilem aber gut strukturierten Gelände abklettern bis zu einer Abseilstelle. Danach gehts immer links der Rinne im gleichen Stil weiter, es kann bei Bedarf nochmals abgeseilt werden. Das Ganze ist recht zeitaufwändig, hier muss man im II. Grad flüssig abklettern können. Auch darf man sich nicht in die steinschlägige Rinne verleiten lassen, auch wenn diese einladend aussieht. Wir landeten dort – Prädikat nicht empfehlenswert!
Im Grasgelände angekommen schnaufen wir erst mal durch und folgen den schwachen Wegspuren, eine Fixseilpassage in feuchtem Gelände meisternd, ins Mittlist Diechter. Hier sind wir mehr als froh, an diesem extrem heissen Tag endlich Wasser nachtanken zu können.
Der Rückweg ist nun bekannt und das frische Bad im Gelmersee in den letzten Sonnenstrahlen bringt ein bisschen Karibikfeeling ins Hochgebirge.

Fazit: luftige Gratüberschreitung in bestem Granit, verlangt wegen dem Zu- und Abstieg einiges an Routine. Die geringen Schwierigkeiten (4b, eine Länge 5a nominell gleich schwierig wie der "Grims" am Vortag ) düfren nicht darüber hinwegtäuschen, dass lange Strecken in exponiertem, plattigen IIer Gelände mit Stellen III kaum sinvoll gesichert werden können bzw. viel Zeit verschlingen.  
Mit dieser Tour haben wir die Berner Oberländer Hörner Trilogie, bestehend aus Lobhörner, Engelhörner und Gelmerhörner abgeschlossen - schön wars!

Die Absicherung ist an den schwierigen Stellen gut, trotzdem stecken die Borhaken nicht gerade üppig. Übung mit mobilen Sicherungsmittel ist Voraussetzung. Die Abseilstellen sind bis auf jene in der Rinne nach dem grossen Gelmerhorn solide.

Material: 50m Seil, Helm, Schlingen, kleine Friends, evtl. Keile

Zeitbedarf: Zustieg bis Mittlist Gelmer 2h (ab Gelmerhütte 15 min.) / Zustieg Südl. Gelmersattel 1-2h / Überschreitung Kleines-Grosses Gelmerhorn 3-4h / Abstieg bis Mittlist Gelmer 1:30-3h /  Abstieg Chüenztennlen 1:30 // Total 8h – 12:30

*Topo: In den ersten Ausgaben des Plaisir West ist das Topo noch enthalten, in diesem Glauben Griff ich zur neueren Ausgabe... daraus wurde es offensichtlich eliminiert, die Tour hat wohl zu viele alpine Gefahren, um als Plaisir-Kletterei durchzugehen. Folglich waren wir ohne Unterlagen unterwegs, was auch ging, aber etwas mehr Aufmerksamkeit verlangte – und eine gute Übung war.

Tourengänger: Alpin_Rise


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