Brienzergrat


Publiziert von Bombo , 26. August 2008 um 00:16.

Region: Welt » Schweiz » Bern » Oberhasli
Tour Datum:24 August 2008
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Brienzergrat   CH-BE   CH-LU   CH-OW 
Zeitbedarf: 9:15
Aufstieg: 1490 m
Abstieg: 2450 m
Strecke:Brienz - Brienzer Rothorn - Brienzergrat - Harder Kulm - Interlaken Ost Bhf - Brienz Bhf
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Bhf Brienz oder mit Auto beim Parkplatz "Rothorn" (kostenpflichtig) oder Parkplatz "Coop" (Sonntag kostenlos)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:Bhf Interlaken Ost - per Zug oder Schiff zurück nach Brienz
Kartennummer:LK 1:25'000, Bl 1209 "Brienz"

Brienzergrat - Die Superlative einer Gratwanderung

Delta's Ueberschrift vom 30.9.2006: "Ueberschreitung des "längsten Grates der Voralpen" (Brienzer Rothorn - Harder) mit grandiosen Tiefblicken und endlosen Gratschneiden!"

Schlumpf's Ueberschrift vom 18.7.2007: "Wunderschöne Gratwanderung über dem Brienzersee"

Man kann's betiteln wie man möchte - man sucht automatisch nach Superlativen und Adjektiven und versucht vergeblich, passende Worte für den Brienzergrat zu finden - zu schön ist diese Gratwanderung, welche wohl jedem in bester Erinnerung bleiben wird, welcher den Grat so geniessen durfte, wie wir heute.

Um 07.00 Uhr klingelte der Wecker in meinem VW-Bus auf dem Coop-Parkplatz (Sonntag kostenlos) in Brienz direkt bei der Brienzer Rothorn-Dampfbahn-Talstation. Der Blick aus dem Heckklappenfenster verriet es bereits: heute wird es ein Traumtag. Zwar lagen noch einige Nebelschwaden in der Luft, doch die nur wenige Meter über dem Nebel scheinende Sonne vertrieb Minute für Minute diese letzten konzentrierten Wassertropfen am Himmel. Das Öffnen der Seitentüre des Nachbar-Autos liess gutes verlauten - mein Kollege Stefan ist auch schon wach - perfekt also, um die erste Bahn von Brienz auf das Brienzer Rothorn 2350m um 07.37 Uhr (nur Sonntags!) zu erwischen.

Die rund 1stündige Fahrt ist an und für sich meiner Meinung nach nichts besonderes. Solange jedenfalls, bis das Traum-Trio Eiger, Mönch und Jungfrau auftaucht. Wer diese 3 Könige bei Traumwetter wie heute sehen darf, sitzt nur noch sprachlos auf der viel zu kleinen Holzbank in der Bahn (würde gerne Dampfbahn schreiben, doch schiebt eine Diesellokomotive unsere beiden Wagen rauf) und spürt innert Sekunden ein Gefühl, welches wohl die Schönheit des Lebens ausdrückt. Einfach göttlich dieser Anblick (und gleich vorweg: dieser Anblick wird einem während der ganzen Brienzergrat-Ueberschreitung geboten - was will man da noch mehr..).

Unsere Tour beginnt somit bei der Bergstation 2244m des Brienzer Rothorn 2350m. Auf einem nicht markierten Wanderweg gehts gleich hoch zum Schongütsch 2320m - das erste Gipfelkreuz lässt grüssen. Die Regenfälle vom Vortag hinterlassen deutlich ihre Spuren - wir kommen nur langsam voran und müssen immer wieder aufpassen, dass wir trotz gutem Schuhwerk auf dem "Matsch" nicht ausrutschen. Ein Fehltritt wäre hier zwar noch verzeihlich, später dann jedoch gibts nur mit viel Glück eine zweite Lebens-Chance.

Beim Lättgässli müssen wir bereits ein erstes Mal absteigen - dieses Mal jedoch über für das naturgewohnte Auge schreckliche Betontreppen - die Knie bedanken sich jedoch für diesen unterstützenden Eingriff in die sonst wohl eher bei Nässe unpassierbare Flanke. Via Chruterepass 2053m und Briefengrat 2102m gehts hoch zum Briefenhorn 2165m. Unterdessen kreuzen wir bereits zum ersten Mal Steinböcke, welche nur wenige Meter von uns friedlich das Frühstück geniessen. Man spürt, dass sich die Vierbeiner an die Zweibeiner gewöhnt sind - wer keine ruckartigen Bewegungen ausführt kann ohne weiteres die Tiere innerhalb von 10 Meter Distanz betrachten. Nur wenig später werde ich vor einem grösseren Schatten "erschreckt" - ein Steinadler genoss soeben den Aufwind und fliegt nun gegen das Brienzer Rothorn zu. Für Tierfreunde wie mich natürlich ein absoluter Traum.

Vom Briefenhorn 2165m gehts weiter Richtung Wannepass 2071m, hoch zum Balmi 2141m und endlich zum "berühmt berüchtigten" Tannhorn 2221m. Was kann man hier bei Hikr und auch sonst im Internet alles darüber lesen: "extrem ausgesetzt", "Grenze zu T6", "ausgesetzte Stelle beim Einstieg", etc etc. Das lässt natürlich jedes Bersteiger-Herz schneller schlagen und ich konnte es kaum erwarten, dieses "gfürchige" Tannhorn zu besteigen :-) Zugegeben, für ungeübte Berggänger ist es sicherlich nicht "bubi-einfach" - gute Tritte und vorallem auch griffige Steine erleichtern dem zitternden Bergaspiraten jedoch diesen kurzen, rund 30m langen Aufstieg. Dazu kommt, wie im Netz vorangekündigt, ein ausgesetzter letzter Tritt, bevor's dann auf "Messer's Schneide" konzentriert aber dennoch sicher und mit einem guten Gefühl im Magen hoch zum Gipfelkreuz des Tannhorn 2221m geht. Hier darf ruhig gratuliert werden - das grosse Kreuz wie auch der soeben zurückgelegte Aufstieg unterstützen dieses Ritual.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle hier mal erwähnen, wie traumhaft schön eigentlich das Panorama sich präsentiert. Auf der gegenüberliegenden Seite des Brienzersees strahlen die gesamten Berner Alpen um die Wette. Wetterhorn, Lauteraarhorn, Schreckhorn, Finsteraarhorn, Eiger, Mönch, Jungfrau, Silberhorn, Gspaltenhorn, Wildi Frau, bis hinüber zum Wildstrubel und Les Diablerets - Namen und Bezeichnungen, welche alleine schon beim Aussprechen auf der Zunge verschmelzen. So schön die Namen sind, der Anblick dieser Gipfel-Präsentation ist schlichtwegs gigantisch und Worte hierfür zu finden scheint für mich soeben gerade ein Ding der Unmöglichkeit zu sein. Am besten, man schaut sich dies selbst an. Gekrönt wird dieses Erlebnis noch mit Alphorn-Klängen aus der nördlichen Talseite - Vollkommenheit in Perfektion.

Nach einer kurzen Trinkpause auf dem Tannhorn 2221m gehts zuerst einmal wieder runter und wie könnte es anders sein, schon wenige Minuten später auch wieder hinauf zum Ällgäuhorn 2047m. Das ganze rauf und runter, welches nicht immer ein Genuss für die Knie ist, wird einerseits durch den atemberaubenden Weitblick des bevorstehenden restlichen Brienzergrates wet gemacht, andererseits aber auch durch die immer wieder kreuzenden und beobachtenden Steinböcke und Gemsen, welche den Eindruck hinterlassen, dass hier oben auf dem Brienzergrat die Welt wahrhaftig noch in Ordnung ist. Hoffen wir, dass die kommende Jagdsaison dort oben eine Ausnahme macht - es wäre zu schade um diese lieben Viecher.

Via Ällgäu Lücke 1918m gehts gleich wieder hoch zum Schnierenhörnli 2069m - dieses passiert man am besten und geht gleich weiter zum Gummhorn 2040m, wo schon fast ein wenig lieblos eine Gipfelbuch-Gamelle am Boden liegt. Ob der Inhalt ebenfalls noch vorhanden ist kann ich nicht sagen - ich habe vor einiger Zeit aufgehört, mich in diese Bücher einzutragen (Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel :-)
Auch vom Gummhorn 2040m gehts zuerst wieder runter und anschliessend hoch zum Blasenhubel 1965m - hier könnte man sehr steil nach Oberried beim Brienzersee absteigen. Das letzte markante Horn türmt sich nochmals stolz vor einem auf - es ist das Augstmatthorn 2137m, welches ein weiteres Gipfelkreuz verspricht. Spätestens hier werden nochmals Lebezeichen von der Beinmuskulatur gesandt - immerhin sind wir jetzt mit Pausen rund 6 Std. unterwegs. Es lohnt sich auf dem Gipfel nochmals eine Rast einzuschalten - einmal mehr der Anblick der zum Greifen nahe Berner Dominanten, dann aber auch die unbeschreiblich schöne Farbe des Brienzersees und wie könnte es anders sein, mit ein wenig Glück fängt das geübte Auge auch hier noch das eine oder andere Geweih eines Steinbockes oder einer Gemse ein. Nostalgisch laut ertönen die dumpfen Hörner der Brienzersee Schiffe und weniger nostalgisch, dafür eher futuristisch und ziemlich fehl am Platz präsentiert sich der seit 19. Juni 2006 in Konkurs stehende "Mystery Park" des Halb-Ausserirdischen Erich von Däniken. Interessant hier ist übrigens noch die geteerte Verbindung des Mystery-Parkgebäudes mit der Flugpiste des Militär-Flugplatzes Interlaken - und ich dachte immer, ein Ufo landet wie ein Helikopter - na ja, man lernt nie aus.

Es ist Zeit aufzubrechen, denn um 18.00 Uhr fährt die letzte Bahn von Harder richtung Interlaken Ost - und diese wollen wir noch erwischen. Somit passieren wir im Laufschritt den zweitletzten Gipfel - den oder das Suggiture 2085m. Nach den Gipfeln der letzten Stunden kommt dieser nicht mehr wirklich zu Geltung und der Fotoapparat bleibt in der Tasche -  auch nicht schlecht, so steht mehr Zeit für das Abschlussbier zur Verfügung. Nun kommt der für mich am wenigsten interessante Teil - den langen und schier endlosen letzten Marsch nach Harderkulm. Der ganze Weg verläuft im Wald - dieser nimmt einem nicht nur den bezaubernden Blick auf die Berner Berge, sondern auch gleich noch das Sonnenlicht - im Dunkeln laufen wir auf dem vom nassen Vortag noch immer rutschigen Untergrund unserem Ziel entgegen. Den Aussichtspunkt beim Wannichnubel 1585m lassen wir rechts liegen - die Zeit drängt und der Durst wächst. Wenige Minuten später bzw. inklusive Pausen exakt nach 9 1/4 Stunden (ohne Pausen 7 3/4 Stunden) treffen wir im Bergrestaurant Harder Kulm 1322m ein, wo wir noch genau 10 Minuten Zeit für unser Abschluss-Bier haben. Der Zeitplan hätte nicht perfekter sein können - fast auf die Minute steigen wir in die letzte nach Interlaken Ost fahrende Drahtseilbahn (Abfahrt 18.00 Uhr) und springen ebenfalls auf die Minute beim Bahnhof in den schon wartenden Zug, welcher uns in 20 Minuten Fahrzeit zurück nach Brienz bringt. Das anschliessende Nachtessen im Restaurant Adler haben wir uns nun definitiv verdient.


Fazit:

Eine traumhafte und unvergessliche Gratwanderung mit dem einen oder anderen Gipfelerlebnis, hin und wieder einem schnelleren Puls (sei das wegen den vielen Aufstiegen oder dann aber auch wegen den Tiefblicken) und natürlich einer phantastischen Tierwelt (Steinböcke, Gemsen, Steinadler, Eidechsen, Pferde mit Glocken (kein Witz)). Wer gerne fotografiert ist am Brienzer Grat am richtigen Ort. Die ganze Tour ist ohne Hilfsmittel machbar (max. T5, Fuss des Tannhorn knapp T6) - bei nassem Untergrund (Regen am Vortag) unbedingt gute und knöchelhohe Bergschuhe anziehen und Wanderstöcke mitnehmen.


Tour mit Stefan K.


Tourengänger: Bombo


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