Carpe Nivem: Sazmartinshorn (2827 m) via Südgrat und Ostrinne - "speed"


Publiziert von marmotta , 8. Juli 2013 um 22:59.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 7 Juli 2013
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-SG 
Zeitbedarf: 4:30
Aufstieg: 1650 m
Abstieg: 1650 m
Strecke:Gigerwald, Restaurant - Säss Tersol - Sazmartin - P. 2668 - Sazmartinshorn S-Gipfel - Sazmartinshorn retour
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Gigerwald, Restaurant
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Gigerwald, Restaurant

Das Sazmartinshorn (2827 m) ist nach dem Pizol (2844 m) zwar nur der zweithöchste Gipfel des Taminagebirges, seine Erscheinungsform und seine Lage machen ihn jedoch zum dominierenden Berg zwischen Seez und Tamina. An diesem mächtigen Bergstock gabelt sich der Hauptkamm des Taminagebirges, welcher zugleich eine bedeutende Wasserscheide bildet: In westlicher Richtung reicht dieser Kamm bis zum Piz Sardona, in nordöstlicher Richtung läuft die Bergkette über das Pizolgebiet im Weisstannental aus. Im Übrigen ist das Sazmartinshorn natürlich weitaus wilder, abgelegener und weniger bequem zu besteigen als der Pizol! Seine zerklüfteten, aus brüchig-splittrigem Sardona-Flysch aufgebauten Felswände wirken abweisend, die Zustiege sind mühsam. Dementsprechend empfiehlt der SAC-Clubführer Bündner Alpen 1, das Sazmartinshorn über einen seiner Grate zu besteigen, bei günstigen (Schnee-)Verhältnissen vermitteln jedoch die diversen zum Gipfelkopf führenden Rinnen und Rampen einen schnellen und effizienten Auf- und vor allem Abstieg! Als ich dieses schöne Foto von Polder kommentierte, wurde mir schnell klar, dass ich mich beeilen muss, wollte ich noch von den bis in die Talsohle des Tersols hinunterreichenden Firnrinnen profitieren…
 
Bei abermals herrlichem Sommerwetter geht es mit dem ersten Postautokurs nach cff logo Gigerwald, Restaurant (1228 m), wo ich meine Tour um kurz vor 9.30 Uhr starte. Der gute Alpweg hinauf zu den Alphütten von Säss (2000 m) ist teilweise gnadenlos steil, aber effizient: So erreiche ich die Weideböden der Alp Tersol bereits nach einer knappen Stunde, mittlerweile hat auch hier der Alpsommer begonnen - die Weiden sind ein einziges Blumenmeer, herrlich!
 
Ich folge noch ein kurzes Stück dem westlichen Ufer des Tersolbachs, bevor ich -nach Überquerung zweier schottriger Runsen- nach Nordwesten die steilen Weidehänge von Sazmartin emporsteige. Mit etwas Umsicht trifft man immer wieder auf eine Art Wegspur, die vermutlich einst für Zwecke der Alpwirtschaft angelegt und benutzt wurde. Auf einer Höhe von ca. 2200 m verliert sich die Wegspur endgültig, das mit Schrofen durchsetzte Gelände ist jedoch gut gestuft, so dass ich ohne grössere Mühen einen markanten Absatz auf ca. 2280 m erreiche. Nach einer kurzen Stärkung steuere ich die grosse Schuttrinne an, welche der Scharte bei P. 2668 südlich des Südgipfels entspringt. Die Rinne ist noch mit gutem Trittfirn gefüllt, was den Aufstieg gegenüber ausgeaperten Verhältnissen deutlich erleichtert. Sehr effizient geht es nach oben, da staunen sogar einige Jungsteinböcke, die mich aus den Felswänden des Sazmartinshorn beobachten (na ja, vermutlich haben sie mich eher ausgelacht…).
 
Nach knapp 2 h stehe ich auf dem Südgrat des Sazmartinshorn, der geprägt ist durch die teilweise scharfkantigen, abwärts geschichteten Schieferplatten, welche sich oft wie riesige Kartonagen herausbrechen lassen. Der Grat ist stellenweise etwas ausgesetzt, lässt sich aber bis zum Gipfelkopf des Südgipfels (ca. 2825 m) ohne irgendwelche Schwierigkeiten begehen (T4). Zwischenzeitlich sind Wolken aufgezogen, die für angenehme Temperaturen sorgen, die Sicht aber glücklicherweise nicht beeinträchtigen.
 
Über eine kurze, wandartige Felsstufe (II) erreicht man den plattigen Rücken des Südgipfels. Die Kletterei in solidem Fels beschränkt sich auf 1-2 Kletterzüge und ist nicht ausgesetzt.
 
Eigentlich hatte ich nach meiner letzten Begehung des Sazmartinshorns für mich ausgeschlossen, vom Südgipfel über die Nordkante in die Scharte zwischen den beiden annäherend gleich hohen Gipfeln abzusteigen. Allerdings sieht die Kante vom Gegenhang auch deutlich furchteinflössender und wilder aus, als die Sache tatsächlich ist! Ich bin erstaunt, wie gut gestuft und einfach sich der Abstieg gestaltet. Wegen des ausserordentlich brüchigen Gesteins und der Ausgesetztheit ist die Schwierigkeitsbewertung T5+ dennoch gerechtfertigt. Es soll nicht verschwiegen werden, dass ein einziger Fehltritt oder Rutscher fatale Folgen hätte! Insofern tut man gut daran, jeden Griff und Tritt auf seine Festigkeit zu überprüfen - tatsächlich hat man nämlich so ziemlich jeden zweiten Griff in der Hand und würde die Kante öfter begangen, wäre sie vermutlich bald einmal komplett bis auf den Unterbau abgebaut…    
 
Da ich nicht mit einer ausgerissenen Flysch-Platte in die Tiefe sausen will, gehe ich sehr konzentriert und vorsichtig zu Werke. Über den kurzen, leicht ausgesetzten Gipfelgrat erreiche ich -zuletzt in ganz leichter Kletterei (I)- den höchsten Punkt des Sazmartinshorn mit Gipfelsteinmann und Gipfelbuch. Im Gipfelbüchlein von 2008, in das ich den zweiten Eintrag in diesem Jahr setze, sind erst wenige Seiten beschrieben, erwartungsgemäss stammen die meisten Einträge von Einheimischen. Obwohl sich der Berg inmitten des Jagdbanngebiets "Graue Hörner" befindet, das während des Winters nicht betreten werden darf, findet sich erstaunlicherweise auch der eine oder andere Local-Eintrag aus dem Hochwinter (mit Ski!)…
 
Leider ist die Fernsicht durch die Luftfeuchtigkeit und die vielen Quellwolken stark beeinträchtigt, die Nahsicht zu den mächtigen Nordwänden des Ringelspitzmassivs sowie die Ausblicke zu den Zanaihörnern vis à vis und zu den Gipfeln im hintersten Calfeisental vermag jedoch ebenfalls zu beeindrucken.
 
Nachdem ich meinen Rucksack am Fusse des Südgipfels deponiert habe und zudem ohnehin wieder ins Tersol absteigen will, gehe ich auf der gleichen Route wieder zurück zu P. 2668 im Südgrat. Der Wiederaufstieg aus der Scharte zwischen Haupt- und Südgipfel über die Kante erscheint nun im Aufstieg fast trivial - in bestimmtem Gelände ist´s eben doch ein gewaltiger Unterschied, ob man die Passage im Auf- oder Abstieg begeht!
 
Nun folgte noch die ultimative Belohnung für den schweisstreibenden Aufstieg: Abgesehen von den obersten 50 Hm im Schutt, die im Abstieg aber ebenfalls eher Genuss denn Qual bedeuten, liegt eine fast 600 Hm lange, durchgängie Firn"abfahrt" vor mir, auf die ich mich schon während des gesamten Aufstiegs gefreut hatte wie ein kleines Kind! Im oberen, über 40 ° steilen Abschnitt noch mit der nötigen Vorsicht (und mit dem Pickel in der Hand), anschliessend dann ohne jedwede Hemmung in rasanter Fahrt bis in die Weideböden der Alp Tersol, wo mich auf knapp 2100 m die (stein-)harte Realität wieder einholt. War das ein Glide!!! Beinahe ist man versucht, hier noch eine Ski-Schwierigkeit anzugeben - bei meiner Schuhgrösse hat das schliesslich schon fast etwas von einer Kurzski-Tour… ;-)  
 
Beim Blick auf die Uhr stelle ich überrascht fest, dass es sogar noch auf das 14.28 Uhr-Poschti reichen könnte. Da der Bus nach Gigerwald nur sehr spärlich verkehrt (3 x pro Tag), schalte ich den Turbo ein und erreiche passgenau die Postautohaltestelle vor dem Restaurant Gigerwald. 4 h 30 min (netto) für die gesamte Tour auf´s Sazmartinshorn und zurück - dank den günstigen Verhältnissen und einer guten Tagesform ist das Ganze (ungewollt) fast zu einer Speedtour verkommen! Nächstes Mal lasse ich mir wieder mehr Zeit… :-)
 
Wer den rasanten Abstieg durch die firngefüllte Schuttrinne ins Tersol noch nutzen möchte, sollte sich beeilen: Angesichts des sommerlichen Wetters sind die Tage des Schnees gezählt. Dies gilt selbstverständlich auch für den Abstieg durch´s Marchtal, wenn über den Westgrat des Sazmartinshorns abgestiegen wird- dort, wo ab Mitte Sommer eine üble Schutt- und Geröllhalde durch Mark und Bein geht, breitet sich noch ein weicher Firnteppich aus, der einen schonenden und schnellen Abstieg ermöglicht.

Tourengänger: marmotta


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Kommentare (1)


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Voralpenschnüffler hat gesagt: Oho,...
Gesendet am 9. Juli 2013 um 12:13
..da hattest du aber gehörig das Reissen :-)! Gratulation zum perfekten Glide!


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