Gamschopf (1961 m) - Stoss (2111 m): Gipfelbuch"kontrolle" und WoPo´s Steilgrastaufe


Publiziert von marmotta , 17. September 2012 um 23:50.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum:16 September 2012
Wandern Schwierigkeit: T6- - schwieriges Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-SG 
Aufstieg: 1250 m
Abstieg: 1250 m
Strecke:Laui - Mutteli - Schrenit - Gamschopf - Lauchwis - Stoss - Lauchwis - Schrenit - Troosen - Laui
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Unterwasser, Post, mit PW bis Laui (gebührenpflichtiger Parkplatz)

Fast 2 Jahre ist es nun her, dass ich einem gewissen WoPo1961 beim Hikr-Treff auf der Bannalp von den Schönheiten des Alpsteingebirges vorgeschwärmt hatte. Dabei schien ihm das Funkeln in meinen Augen nicht entgangen zu sein, denn fortan wollte er dieses Gebirge und dessen Gipfel persönlich kennenlernen. Und das, obwohl er doch sonst viel höhere, mitunter auch schwierigere und vor allem renommiertere Gipfel zu besteigen pflegt.
 
Zwischenzeitlich ist er -ganz zu meiner Freude- ein regelrechter Alpstein-Liebhaber geworden. Und um seinen Durst nach immer neuen Juwelen des "Schönsten Gebirges der Welt" zu stillen, zog ich heute ein weiteres Bijou aus meinem Alpstein-Schatzkästlein. Dass es zur Besteigung des vorgeschlagenen Gipfelziels eine ganz spezielle Art des Bergsteigens braucht, habe ich wohlweislich verschwiegen. Schliesslich dürfte dies einer der Gründe sein, weshalb der Gamschopf (1961 m) heutzutage der vielleicht am seltensten bestiegene Alpsteingipfel ist.
 
Die wilden und einsamen Gipfel oberhalb der Alp Schrenit zählen für mich neben dem Abschnitt der Mittleren Kette zwischen Altmann und Hundstein zu den absoluten Highlights des Alpsteingebirges. Das Gespann Scherenspitzen-Gamschopf bildet für mich so etwas wie das Wahrzeichen des Westlichen Alspteins: Unverkennbar und markant heben sich diese Gipfel aus der Silhouette der vom Säntis absteigenden Bergkette hervor. Nachdem ich vorletztes Jahr mit dem Aufstieg über den Westgrat und dem Abstieg über die Ostflanke eine herrliche Überschreitung realisiert hatte und letztes Jahr zwecks Austausch des durch Witterungseinflüsse völlig unbrauchbar gewordenen, über 30-jährigen Gipfelbuchs auf verschiedenen Routen durch die Ostflanke auf- und abgestiegen war, glaubte ich, nun -mit Ausnahme eines Teils des Ostgrats- jeden (begehbaren) Quadratmeter dieses Berges zu kennen. Weit gefehlt: Gerade die steile Ostflanke mit ihren vielen Bändern und Schichtstufen ist eine wahre Schatzkammer und ermöglicht eine ungeahnte Routenvarianz. Im Grundsatz gilt jedoch für alle hier erdenklichen Routen: Im Aufstieg äusserst mühsam und ungemütlich, im Abstieg wesentlich einfacher und weniger heikel als man sich vorstellen mag. Der Eindruck von meinen vorhergehenden Begehungen hat sich erneut bestätigt: Die Ostflanke ist  -auch was die Orientierung und Routenfindung anbelangt- im Abstieg wesentlich angenehmer und einfacher als im Aufstieg. Daher ist auch -wenngleich (kletter-)technisch etwas schwieriger- die Überschreitung mit Aufstieg über den Westgrat ungleich lohnender!
 
Ausgehend vom Parkplatz in Laui (1070 m) stiegen wir zunächst auf der Fahrstrasse Richtung Oberlaui, bevor wir diese bei P. 1219 nach Norden verliessen und über die Alp Altstofel (1297 m) steil durch die beweidete Mulde darüber zur Alp Mutteli (1564 m) aufstiegen. Hier herrschte noch reger Betrieb, (Nutz-)Tiere aller Art begrüssten uns mehr oder weniger lautstark. An den Kletterwänden oberhalb der Alp befanden sich bereits einige Seilschaften am Einstieg. Der Spätsommer meinte es (zu) gut mit uns: Die Wärme brachte uns gewaltig ins Schwitzen, so dass wir eigentlich schon an der Alp Schrenit reif für eine Erfrischung gewesen wären. Doch die dort über den Dächern der Alphütte steil in den tiefblauen Himmel ragenden Felstürme der Scherenspitzen und des Gamschopfs übten eine zu starke Anziehung auf uns aus. Mindestens einen dieser Gipfel wollten wir erreichen, unter Abwägung der Möglichkeiten und unserer körperlichen und mentalen Verfassung einigten wir uns schliesslich auf den "Normalweg" auf den Gamschopf.
 
Von der Alp Schrenit folgten wir noch ein Stück dem (ausgeschilderten und markierten) Wanderweg zur Lauchwis, bis wir auf einer Höhe von ca. 1750 m zu dem grossen Geröll- und Plattenausläufer der Gamschopf-Ostflanke abzweigten. Dort errichteten wir ein Materialdepot und begannen mit dem Aufstieg, dessen ungefähre Route hier ersichtlich ist.
 
Leider fühlte sich Tina, die "weltbeste Begleiterin" von WoPo, an diesem Tag überhaupt nicht gut, weshalb sie bereits nach wenigen Metern in den steilen Platten entlang der ersten grossen Schichtstufe der Gamschopf Ostflanke umkehrte. In dieser Zone aus geschichteten Platten gibt es unzählige Aufstiegsmöglichkeiten, weshalb ich auf eine genaue Beschreibung verzichte. Man kann sich auch konsequent entlang der begrenzenden Felswand halten, was allerdings wegen der Feuchtigkeit etwas unangenehm ist und in einem kurzen, fast senkrechten Abschnitt auch einige Kletterei erfordert. Am besten steigt man etwas weiter rechts (im Aufstiegssinn) im Zick-Zack über die einzelnen, mit Gras durchsetzten Felsstufen - das Gelände ist dort nicht ganz so steil. Bald erreicht man eine wenig ausgeprägte, grasige Rinne, in der man noch einige Meter steil emporsteigt, bis man in westliche Richtung queren und die Schichtstufe linkerhand nun ohne Schwierigkeiten übersteigen kann (2-3 Klettermeter, II) und so auf das nächste Grasband gelangt. Die Flanke bildet hier einen deutlichen Absatz, ein grosses, furchterregend tiefes Karstloch im Boden will vorsichtig umgangen werden. Es empfiehlt sich, jetzt nochmal kräftig durchzuschnaufen, denn die folgenden Meter sind anhaltend steil und anspruchsvoll und lassen bis zum Erreichen des felsigen Vorgipfels kaum eine gemütliche Pause zu.
 
Um nicht wieder in der Scharte östlich der beiden letzten Schichtköpfe vor dem Vorgipfel zu landen und diese dann mehr oder weniger heikel südlich oder nördlich umgehen zu müssen, wollte ich diesmal direkt von dem Absatz mit dem tiefen Karstloch nach SW auf die nächstfolgende Rasenrampe klettern, welche mich in bester Steilgrasmanier direkt zum Vorgipfel bringen soll. Das Überklettern dieser Felsstufe (T6, II) ist jedoch heikel und kann von mir nicht empfohlen werden: Die Felsen bieten keine guten Tritte und sind teils brüchig, die begrenzende Wand der Schichtstufe ist feucht und dazwischen ist´s erdig-schmierig. Da sich das Ganze mehr oder weniger in der Vertikalen abspielt, bleibt wenig Zeit zum Nachdenken, mit einigem Engagement und schlechten Stilnoten sind die kritischen 8-10 m dann schnell überwunden, oben geht es kaum weniger steil, jedoch grasig und besser gestuft weiter. Entlang der Kante des Rasenbands ziehe ich bis zur Grathöhe, welche ich kurz vor dem Vorgipfel erreiche, durch. Erst dort kann ich mir eine Verschnaufpause gönnen, die ich nach diesem Effort auch bitter nötig habe. Noch ein Wort zu den "Griffen" in der Gamschopf-Ostflanke: Diese bestehen in der Regel aus (soliden) Grasbüscheln oder (vereinzelt) Schrofenfelsen. Das Höchste der Gefühle sind knackige Erika- und sonstige Zwergsträucher, man kann sich sozusagen die ganze Speisekarte des Steilgrasbergsteigens zu Gemüte führen.
 
Bei WoPo1961 hatten meine Turneinlagen erwartungsgemäss keine Begeisterungsstürme ausgelöst. Ihm behagte das Gelände nicht so sehr, auf eine Zweitbegehung "meines" Bandes verzichtete er und versuchte stattdessen, wenigstens einmal die Scharte östlich der erwähnten Schichtköpfe zu erreichen. Begleitet von einigen Flüchen, die aus Anstandsgründen hier nicht wiedergegeben werden, arbeitete er sich schliesslich dort hinauf und überkletterte anschliessend auf der schaurig ausgesetzten und brüchigen Gratschneide die beiden Schichtköpfe (Respekt!), bis auch er beim Vorgipfel angelangt war.
 
Der restliche Aufstieg zum Sattel unter dem Gipfelkopf ist dann zwar noch immer steil, aber deutlich einfacher (T5). Der in der Draufsicht so unnahbar steil wirkende Gipfelkopf selbst ist -zumindest nach meinem Empfinden- Genuss pur. Eine regelrechte Gemsen-Himmelsleiter führt in herrlich griffigem Moos und Gras hinauf zum höchsten Punkt, wo ich es kaum erwarten konnte, in meinem neuen Gipfelbuch nachzusehen, wie viele Besteigungen zwischenzeitlich darin zu verzeichnen sind. Die Bilanz ist ernüchternd: Nach dem ersten "Fremdeintrag" durch ossi kurz nach der Eröffnung des Gipfelbuchs am 03.Oktober 2011 hat sich nur noch tricky im Rahmen seiner Alpstein-Monstertour verewigt - bis dato die einzige Besteigung des Gamschopfs in diesem Jahr!
 
Nachdem auch wir uns "ordnungsgemäss" eingetragen und das Büchlein wieder wasserdicht verpackt und im Gipfelsteinmann verstaut hatten, genossen wir den einzigartigen Blick auf den wilden Felsgarten unter uns, aus dem die unglaublichen Zinnen der Scherenspitzen und der Scherentürme aufragen. Allein für dieses unbeschreibliche, fast unwirkliche Bild lohnt sich der Aufstieg. Berge können so schön sein!
 
Da wir Tina nicht endlos warten lassen wollten, machten wir uns dann bald wieder an den Abstieg, den -zumindest in einem Abschnitt vom Vorgipfel weg- wieder jeder auf seiner eigenen Route und in dem von ihm präferierten Gelände bewältigte: WoPo auf "seinem" luftigen Felsgrätchen bzw. in der Nordflanke, ich in der steilen Grasrampe, welche direkt südwestlich des ersten der beiden kleinen Schichtköpfe hinunterzieht. Diesmal stieg ich allerdings bereits wenige Meter unter dem felsigen Vorbau des ersten Schichtkopfs auf einem Grasband wieder einige Meter auf, bis ich ohne Schwierigkeiten in die durch einen Felsriegel (Schichtstufe) getrennte Rinne unter mir wechseln konnte. Dort traf ich wieder auf meinen Tourenpartner, so dass wir den restlichen Abstieg gemeinsam in Angriff nehmen konnten. Dieser ist entlang unserer Aufstiegsroute nirgends schwierig oder heikel, man kann eigentlich -ein Mindestmass an Geschicklichkeit vorausgesetzt- alles gut vorwärts absteigen. Befolgt man genau die auf dem Foto rot bzw. gelb gekennzeichnete Abstiegsroute, bewegen sich die Schwierigkeiten höchstens im unteren T6-Bereich. Insbesondere im Aufstieg stellt die Gamschopf-Ostflanke jedoch einige Anforderungen an den Orientierungs- und Routenspürsinn.
 
Gerade als wir wieder zurück bei Tina und unserem Materialdepot waren, sahen wir 3 weitere Berggänger auf dem Gipfel des Gamschopfs! Sie hatten den Gipfel über den Westgrat erreicht, wir hatten die Gruppe zuvor bereits von der Alp Schrenit beim Aufstieg über die Geröllbahn entlang des Gamsturms und den Scherenspitzen beobachten können. Schon verrückt: Da wird dieser einsame Gipfel während des ganzen Jahres praktisch nie bestiegen und dann an einem Tag gleich von 5 Personen. Damit dürfte bereits jetzt die durchschnittliche Quote für die nächsten 3 Jahre erreicht sein…
 
Zur Auslockerung bestiegen wir anschliessend noch via Lauchwis den Stoss (2111 m), ein wegen der Aussicht überaus lohnender Gipfel, an dem so viele Wanderer am Stoss-Sattel achtlos vorbeilaufen. Der Aufstiegsweg vom Sattel bei P. 1830 über die abgeweidete Lauchwis ist allerdings etwas eintönig - wenigstens sind die Schafe längst wieder in tieferen Gefielden, so dass der Wanderweg nicht mehr durch die Ausscheidungen der Tiere in Mitleidenschaft gezogen und wieder gut begehbar ist.
 
Ausklang der schönen Tour in Unterwasser bei einem kühlen Saft vom Fass. Hoffentlich bis bald, WoPo und Tina!!

Tourengänger: marmotta
Communities: T6


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Kommentare (2)


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360 Pro hat gesagt: North by Northwest
Gesendet am 18. September 2012 um 07:04
Wenn ich mir Deine amächeligen Bilder anschaue, kriege ich irgendwie das Zucken und ich glaube, ich "muss" bald auch mal wieder auf den Gamschopf!

> ... glaubte ich, nun -mit Ausnahme eines Teils des Ostgrats- jeden (begehbaren) Quadratmeter dieses Berges zu kennen.

Um diesem Ziel noch etwas näher zu kommen, gilt es für Dich dann auch noch ein paar 100 Quadratmeter in der NW-Flanke zu begehen!

Gruss, 360

marmotta hat gesagt: Eingenordet
Gesendet am 18. September 2012 um 19:47
Stimmt, von der NW-Flanke kenne ich bis jetzt nur den Abschnitt, auf dem die beiden letzten, kleinen Schichtköpfe des Ostgrats umgangen werden. Sollte ich Deine Gefühle als Erstbegeher dieser Route verletzt haben, tut es mir natürlich aufrichtig leid! ;-)

Spass beiseite: Du hast dazumal eine sehr interessante und neue Aufstiegsvariante gefunden - da ich aber bislang immer von der (sonnigen) Toggenburger Seite herkam, habe ich sie gar nie in Erwägung gezogen.

Und ja, der Gamschopf lohnt sich so oder so, allein schon wegen des einzigartigen Blicks vom Gipfel auf die Scherenspitzen. Überhaupt scheinst Du mir den Alpstein in letzter Zeit etwas vernachlässigt zu haben... :-)

G.
marmotta


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