Val Pontirone – über i Scéscri und dem Sentéi dra Sponda nach Boveta und spannend zurück


Publiziert von Seeger , 22. Juli 2012 um 13:10.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Bellinzonese
Tour Datum:21 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T5+ - anspruchsvolles Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-TI   Gruppo Torrone Alto 
Zeitbedarf: 8:00
Aufstieg: 923 m
Abstieg: 923 m
Strecke:4.31km: Ponte Pt. 896 – westlich Pt.922 – Prò Sasciói (I Scéscri/Sentéi dra Sponda) – Bocchetta Andrea*) 1720m – Boveta di fuori 1475m – unterhalb Boveta di dentro1492m – Bosco di Boveta – Bachbett Lisciüna 980m – Ponte Pt. 896
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Zufahrt: Biasca – Lukmanierstrasse bis Malvaglia – Scharfe, bezeichnete Abzweigung nach dem Dorf – Pontirone – 1. Brücke nach Pontirone
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Einkehr: Persönlich geführtes Grotto in Pontirone
Kartennummer:Biasca und alte Karten

Einnachten: Gemütliches Restaurant in Pontirone mit Blick ins Seitental In di Ari. Auffallend der „überdimensionierte“ Umlenkungswall des Ri degli Ari. Spielerisch plätschernde Lesgiüna und sich neckende Jugendliche. Idyll heute Abend beim guten Nachtessen mit einem Liter Cola (pro Person!) und einem Bierchen. Zu viert: Moritz Vögeli als Gast, Frank Seeger, Christine und ich. Noch wenige Stunden zuvor standen wir zu Dritt  in  der Wand gleich vis-à-vis über einem 30 m tiefen Loch mit einem halben Quadratmeter Öffnung. Eine Passage für ein Horrorszenarium und eigentlich unbeabsichtigt. Wollten ja nur auf dem auf der alten Landkarte eingezeichneten „Weg“ von Boveta hinunter zur ehemaligen Brücke über die Lesgiüna. Ein mutiger Sprung vom vorgelagerten Felsriegel und der Spuk war hinter uns. Und dies nur 1,5 km von hier entfernt…
Ich bin mir ja einiges gewohnt. Aber diese Tour hat mein Vorstellungsvermögen übertroffen. Wir steigen von der Ebene nach der Ponte Pt. 896  (Abräumhalde des Wasserstollens nach Biasca), westlich Pt.922 im Wald hoch. Die tiefen Runsen und das lockere Gestein zwingen uns für einen zweiten Anlauf. Behaglicher späderen wir, die Rippen ständig wechselnd, entlang Wegspuren durch ein Gewirr von Blöcken und Totholz den auf der Landkarte summarisch als Prò Sasciói  bezeichneten Abhang hinauf.  Im Repertorio Toponomastico Biasca ist der untere Teil als I Scéscri genannt und der Weg über die ganze Wand als Sentéi dra Sponda. Ehemals wurde dieser Weg als Abkürzung von der Alpe d’Albea nach Pontirone für den Transport von Butter und Käse rege benützt. Schauder! Immer wieder treffen wir auf Steintreppen, Stützmauern und sogar die kargen Reste eines Gebäudes – mitten in der Wand auf einem „lieblichen“ Sporn. Kühe (auch die kleinere Gattung vom 19. Jhd.) hatten hier mit Gewissheit nichts zu suchen. Eher Schafe oder Ziegen. Gekonnt ist der Weg angelegt. Immer wieder Rippen und weniger steile Flanke des Poncione Basso ausnützend, die vielen Felshöcker eher links umgehend. Tief beeindruckt erreichen wir die Bocchetta Sant‘Andrea*) 1720m.
Wir schenken uns die 50 Aufstiegsmeter zum unteren Teil der Alpe d’Albea und finden prompt den mit Moos gefederten Weg 350hm durch den Wald hinunter nach Boveta di fuori 1475m. Punktlandung auf der kleinen Waldwiese anschliessend an einen jungen Tannenwald. 3 Meter unterhalb des ehemaligen relativ gut erhaltenen Stalles nach rechts in Auf und Ab, Hinein Hinaus, beinahe horizontal bis unterhalb Boveta di dentro 1492m.
Frank hat auf einer alten Landkarte den ehemaligen Weg durch den  Bosco di Boveta zum Bachbett Lesgiüna Pt. 973m (Alte LK 1:50'000) entdeckt. Nicht nur Kartentechnisch interessant. Dieser Abstieg beschert uns einer der spannendsten in unserem Leben. Ja, das Leben haben wir sicher nicht aufs Spiel gesetzt und auch Seil dabei gehabt. Doch ein verrostetes Drahtseil (wahrscheinlich aus der Holzfällerzeit und somit 80 Jahr alt) verleitet mich zu einer Tarzan-Einlage und die waghalsigen Freisprünge bei Cógn (von cuneo, Keil)  )))) an einen amerikanischen Thriller bester Sorte. Unvergesslich der Balanceakt auf einem 50cm breiten und etwa 4 m langen frei liegenden, übermoosten, Monolithen -  darunter 30m tiefer Abgrund - mit anschliessendem Zweimetersprung auf sicheren Boden.
Immer wieder sind die spärlichen Reste des einst wichtigen und effizienten Weges zu sehen, auch Feuerstellen von den Holzfällern. Ziemlich links haltend erreichen wir die Steintreppen neueren Datums, welche für die Kontrolle der Bachfassung erstellt worden sind. Diesen dann zum Bachbett der Lesgiüna folgend. Da die untersten 8m senkrecht ins Bachbett abfallen, müssen wir einen Umweg nach links nehmen. Einen Kilometer oder so langwierig von Stein zu Stein hüpfend entlang der wenig Wasser führenden Lesgiüna zur Ponte della Stampa 896m.
Diese Wege bringen einem ins Staunen.
Hochachtung den Älpler und Älplerinnen!

*) Fantasien sind keine Grenzen gesetzt.

Viele Informationen von Frank Seeger (www.alpi-ticinesi.ch)

 
 
  

Tourengänger: Seeger


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Kommentare (6)


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alpstein hat gesagt: Wild, wild
Gesendet am 22. Juli 2012 um 14:41
Freut mich, dass es Dir wieder sehr gut zu gehen scheint. ...aber bloss nicht übermütig werden.

Beste Grüße
Hanspeter


bidi35 hat gesagt: ganz tolle Wanderung...
Gesendet am 22. Juli 2012 um 16:02
...und sehr sehr interessant geschildert. Hanspeter hat wohl mit dem übermütig werden schon recht....

LG Heinz

Seeger hat gesagt: RE: ganz tolle Wanderung...
Gesendet am 22. Juli 2012 um 16:38
Ciao Heinz
Wenn ich an Deine Spagat-Geschichten denke...
Hast Recht.
Ich war in meiner Welt.
Entrückt von aller Realität.
Danke für Dein Kompliment und Warnung.
Gruss
Andreas

Henrik hat gesagt: Aber doch, der Andreas wird
Gesendet am 22. Juli 2012 um 18:50
übermütig....schon gibt es die ersten

> Tarzan-Einlagen und die waghalsigen Freisprünge wie in einem amerikanischen Thriller

Hinzu kommen vermeintliche Wortschöpfungen, die letztlich keine sind, denn das

> späderen

ist in einer Fremdsprache bekannt, hui und o-la-la

Ja, lieber Andreas...wir freuen uns auf hikr sehr über deine

> grenzenlosen Fantasien

die da noch kommen - das Tessin ist wie geschaffen für dich.

Danke und cari saluti

silberquäki


bulbiferum hat gesagt:
Gesendet am 23. Juli 2012 um 10:59
Hallo Andreas

Die Tour war sicher unvergesslich. In diesem Gebiet habe ich nur einmal den direkten Aufstieg von Biasca über Nadro zur Forcarella di Lago bis zur Cap. Cava gemacht. Am nächsten Tag sind wir dann va Airold wieder nach Biasca abgestiegen. Aber das ist auch schon wieder ca. 15 Jahre her.

Lg Markus

Seeger hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2012 um 17:13
Ciao Markus
Dann sind wir genau 75m den gleichen Weg gegangen :-)))
Mit dem kleinen Unterschied, dass Du dazu einige Höhenmeter mehr "schuften" musstest.
Gruss und Danke für den Kommentar
Andreas


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