Ötztaler Alpen rund um Vernagthütte und Brandenburger Haus


Publiziert von steindaube , 20. Juli 2012 um 13:31. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:15 Juli 2012
Wandern Schwierigkeit: T4+ - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   A-T   I 
Zeitbedarf: 5 Tage
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Durchs Ötztal nach Vent. Einige wenige Parkmöglichkeiten in Rofen kurz vor Gasthof und Hotel auf der linken Seite. Sonst kostenpflichtig in Vent, z.B. an der Seilbahn.
Unterkunftmöglichkeiten:Vernagthütte und Brandenburger Haus
Kartennummer:AV-Karte Nr. 30/2 (Ötztaler Alpen, Weißkugel)

Abwechslungsreiche, sehr lohnende Tage rund um Vernagthütte und Brandenburger Haus. Während der Gipfeltage durchgehend tolles Wetter. Die ersten beiden Tage nur mit Michi, die restlichen drei Tage mit Michi (Kreier) und Christine (Kraxlerin).

1. Tag: Aufstieg zur Vernagthütte (T2)
Mit Michi von Vent in knapp drei Stunden. Trübes und kühles Wetter ohne Niederschlag: sehr angenehm für den Aufstieg. An der Vernagthütte gibt es zwischen zwei Moränenrücken einen überraschend grünen fast oasenartig anmutenden Bereich den die Schafe und auch die Murmeltiere sehr zu schätzen wissen. Vier Jungtiere haben uns besonders viel Freude bereitet, oft kann man ihnen von der Hütten-Terrasse aus beim Spielen zusehen.

2. Tag: Überschreitung der Guslarspitzen und Hintergrasleck (T4)
Von der Vernagthütte sind wir nach dem Frühstück etwa 50 Hm abgestiegen, dann dem Wegweiser "Guslarspitzen" nach rechts gefolgt und entlang der roten Markierungen über eine kleine Brücke. An geeigneter Stelle vom markierten Weg links ab und über unschwieriges Blockgelände auf der Nordflanke hinauf zur Vorderen Guslarspitze (3118m). Nachdem es über Nacht etwa fünf Zentimeter geschneit hatte waren einige Stellen rutschig oder vereist. Von der Vorderen Guslarspitze weiterhin unschwierig südwestlich kurz hinab und dann wieder aufwärts zur Mittleren Guslarspitze (3126m, Gipfelkreuz). Hier kreiste plötzlich ein Bartgeier unmittelbar über uns. Offenbar recht neugierig dreht er ein paar Runden bevor er flott nach Osten davon zog. Von der Mittleren Guslarspitze folgt man kurz dem rot markierten Normalweg in den Sattel zwischen Mittlerer und Hinterer Guslarspitze, dort links ab und unschwierig zur Hinteren Guslarspitze hinauf (3151m, windschiefes provisorisches Gipfelkreuz). Von den drei Spitzen weist dieser Gipfel wohl die schönste Sicht auf, sowohl auf die Abbrüche des Kesselwandferners als auch zur Weißkugel, dem Brandenburger Haus, Similaun und Fineilspitze und so weiter -- sehr lohnend! Wir sind dann ostnordöstlich auf die Gletscherreste abgestiegen (I, Geröll).

Dort im Firn und Eis ein Hochtouren-Crashkurs für Michi: Techniken mit Steigeisen, Gletscherseilschaft, Standplatzsicherung, Standbau, Abseilen, Stoppen mit und ohne Pickel, Knotenkunde ... Über die teilweise überfirnte nicht übermäßig steile Eisfläche hinab. Erstaunlicher Weise weist der Gletscherrest noch ein paar nennenswerte Spalten auf (übersprungen). Problemlos zurück auf den rot markierten Weg und nach insgesamt etwa sechs Stunden waren wir wieder an der Vernagthütte.

Am Nachmittag bin ich allein noch schnell den markierten Steig hinauf zum Hintergrasleck gegangen (T4), von dort jetzt unmarkiert mit deutlichen Steigspuren weiter dem Grat folgend gelangt man zum Hintergraslturm an dem recht abenteuerlich und etwas ausgesetzt rechts (nordöstlich) ein Steig vorbei führt (II, ein paar Tritthilfen). Dort wo man auf die Nordseite des Hintergraslturms gelangt, müsste man etwa 10 Höhenmeter abklettern um weiter Richtung Hintergraslspitzen oder von Norden auf den Hintergraslturm zu gelangen. Da diese Stelle stark vereist war und ich keinerlei Hilfsmittel von der Hütte mitgenommen hatte war hier für mich Schluss. Also zurück zur Hütte.

3. Tag: Aufstieg zum Brandenburger Haus über Guslar Joch (WS)
Heute kam Christine nach, ich bin ihr von der Vernagthütte einen guten Teil der Strecke Richtung Vent entgegengegangen und habe ihr ein bisschen Gepäck abgenommen. Da im Vorhinein nicht klar war wie lange das Wetter halten würde, hatten wir reichlich Ausrüstung dabei um eventuell auch ein bisschen Eis- oder Felsklettern zu können. Wieder hinauf zur Vernagthütte und nach kurzem Mittagessen dann Richtung Brandenburger Haus. Am Guslarferner entschieden wir uns spontan den Übergang nicht über das Obere Guslar Joch zu machen wo die frischen Spuren seit dem Neuschnee hinführten sondern das etwas niedrigere Guslar Joch zu nutzen (laut Rother-Führer war das sogar der üblichere Sommer-Übergang...). Direkt vor dem Joch gab es einen nennenswerten Bergschrund, den ich ohne ganz durchzubrechen überwunden habe und die beiden anderen dann vom Standplatz im Fels (Köpfelschlingen) nachsicherte. Soweit recht problemlos. Der Abstieg auf der anderen Seite hinab zum Kesselwandferner entpuppte sich aber als mühsame, da extrem bröslige Angelegenheit. Offensichtlich hat hier der Gletscherrückgang den Fels massiv destabilisiert. Ich habe Christine und Michi teilweise gesichert und bin selbst frei abgeklettert (stabiler Fels für einen Standplatz ist vorhanden aber man muss ein bisschen suchen). Man sollte der Rinne links wiederstehen da sie ausschließlich aus losem Geröll und Sand besteht und nach unten zu steiler wird. Von oben gesehen rechts bietet der Fels eigentlich ganz gute Bedingungen zum Abklettern (I-II). Insgesamt ist das Guslar Joch als Übergang nicht mehr zu empfehlen und man sollte wohl besser auf das Obere Guslar Joch ausweichen.

Durch die unerwarteten Schwierigkeiten etwas verzögert trieb uns der Hunger flott über den Kesselwandferner hinüber und die 60 bis 80 Höhenmeter hinauf zum Haus. Inzwischen war die Wolkendecke sehr tief herabgesunken und umschloss bald auch das Brandenburger Haus. Da wir unser Lager unter dem Dach bezogen, kamen für jeden Toilettenbesuch nochmal 15 Höhenmeter hinzu. In dem Dachlager (max 6 Plätze) gibt es übrigens eine Notausstiegsleiter die man im Bedarfsfall aus dem Fenster werfen müsste. Bei dem Sturm der an diesem Abend herrschte wäre ein Einsatz dieses Notausstiegs sicher interessant gewesen... bei den zugigen sieben Grad waren wir froh zwei Decken zur Verfügung zu haben.

4. Tag: Überschreitung von Vorderer und Mittlerer Hintereisspitze mit Abstecher zur Zinne (WS+)
Nach dem Frühstück (halb sieben Uhr) hinab auf den Gletscher und fast in gerader Linie auf die nördlichsten Gratausläufer der Vorderen Hintereisspitze (3437m) zu. Bei einem Steinmann auf den Grat und über diesen im Fels und teilweise im Firn hinauf zum Gipfel (I).

Vom Gipfel etwa südlich, später südöstlich hinab (II, viel loses Gestein, stellenweise ausgesetzt). Den Grat haben wir an geeigneter Stelle nördlich auf den Firn verlassen. In diesem Richtung Scharte, zum Schluss nochmal kurz über Felsen. Von der Scharte im Firn südwestlich aufwärts, den ersten kleinen Felsturm nördlich, nach wie vor im Firn, umgehend und weiter über nun fast ebenen Firn. Achtung hier findet man zu seiner Linken (Südosten) Wächten vor und rechts versteckt sich ein Bergschrund unter dem Firn! Anschließend kurz im Fels (I) hinauf zum Gipfel der Mittleren Hintereisspitze (3451m). Wie schon die Vordere Hintereisspitze bietet auch die Mittlere Hintereisspitze einen traumhaften Blick auf die Gletscherlandschaft rund ums Brandenburger Haus und weit darüber hinaus. Den Gipfel haben wir nordwestlich in einer Firn- und Geröllrinne wieder verlassen (I, steinschlaggefährdet, Bergschrund).

Nun sind wir über den recht flachen Gletscher in einem großzügigen Linksbogen zum nördlichen Ende der Zinne hinüber (zum Schluss recht spaltenreich) und haben dort den Einblick in den direkt an die Zinne abschließenden Gletscherabbruch genossen. Den "Gipfel" der Zinne haben wir uns gespart. An der selben Stelle wieder zurück auf den Gletscher und im inzwischen stark aufgeweichten Firn sehr vorsichtig über die Spaltenzone oberhalb des erwähnten Abbruchs grob nordöstlich, später nordnordöstlich zurück zum Brandenburger Haus.

5. Tag: Überschreitung Fluchtkogel und Abstieg nach Vent (WS)
Morgens um kurz nach fünf Uhr bin ich allein kurz zur Dahmann Spitze (3401m) hinauf (markiert, Fels und Firn, unschwierig) und habe die Morgenstimmung genossen -- vierzig Minuten nach dem Augen öffnen lag ich schon wieder im Bett. Gefrühstückt haben wir erst um sieben, da heute keine allzu große Tour mehr geplant war.

Um kurz vor acht sind wir vom Brandenburger Haus in recht gerader Linie zum Oberen Guslar Joch hinauf gegangen. Dort haben wir uns für seilfreies Weitergehen mit Steigeisen entschieden, da wir das Gelände als wenig spaltengefährlich einschätzten (um diese Zeit auch noch ein sehr stabiler Harschdeckel) und bei der Steilheit jeder froh war sein eigenes Tempo gehen zu können. Ausserdem reicht die Steilheit meiner Einschätzung nach schon für Mitreißgefahr am Seil (übrigens auch am Oberen Guslar Joch). Nach dem Steilen Hang genossen wir die grandiose Sicht vom Fluchtkogel (3500m) bei nochmals traumhaftem Wetter allerdings schon recht starkem Wind. Vom Gipfel sind wir nordöstlich zuerst über ein steiles Schneefeld, dann über loses Geröll (maximal I) weiter. Im anschließenden relativ steilen Blankeis entschieden wir uns, eine kurze Seillänge von 30 Metern vom Standplatz an zwei Eisschrauben aus zu sichern. Anschließend über den stellenweise spaltigen Guslarferner in südöstlicher Richtung hinab wo man auf die ausgelatschte Spur zwischen Oberem Guslar Joch und Vernagthütte trifft. Nach der letzten etwas steileren Stufe gelangten wir knapp unterhalb von 3100m auf flaches Blankeis -- also Steigeisen, Seil, Gurte etc. in die Rucksäcke und flott zur Vernagthütte. Langsam bildeten sich erste Quellwolken wie vom Wetterbericht vorhergesagt. Nach einer Stärkung bestehend aus Apfelstrudel und Kaffee sind wir gleich weiter nach Vent abgestiegen während die Quellwolken dichter und dunkler wurden und haben uns auf die Heimfahrt gemacht. Kaum 15 Minuten nachdem wir losgefahren waren kamen die ersten Regentropfen. Die kommenden Tage war trübes und nasses Wetter angekündigt. Recht viel besser kann man das Wetter wohl nicht ausnutzen...

Tourengänger: steindaube, Kreier, Kraxlerin


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Kommentare (2)


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Hajo (hajotka) hat gesagt:
Gesendet am 21. Juli 2012 um 14:20
Sauber sog i! Und wieder mal Glück mit dem Wetter gehabt!

steindaube hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Juli 2012 um 18:47
Naja, nur auf's Glück ist man ja erfreulicher Weise nicht mehr angewiesen. Die Wetterberichte sind ja echt gut geworden. Aber stimmt schon, direkt beschweren können wir uns nicht ;-)


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