Vom Brandenburger Haus auf alle Guslarspitzen (3118m-3128m-3147m) und nach Vent


Publiziert von Kris , 19. September 2012 um 22:17.

Region: Welt » Österreich » Zentrale Ostalpen » Ötztaler Alpen
Tour Datum:11 August 2012
Wandern Schwierigkeit: T5- - anspruchsvolles Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 9:00
Aufstieg: 500 m
Abstieg: 1900 m
Strecke:Brandenburger Haus - Kesselwandferner - Deloitteweg - Hintere Guslarspitze - Mittlere Guslarspitze - Vordere Guslarspitze - Hochjoch-Hospiz - Vent (ca. 20km)
Unterkunftmöglichkeiten:Hochjoch-Hospiz
Kartennummer:DAV 30/2 Weißkugel

So schnell war der Aufenthalt am Brandenburger Haus schon wieder vorbei .. das heutige Tagesziel für die Allgemeinheit der DAV-Gruppe lautet schlicht: zurück nach Vent. Die Alternative wäre gewesen, über das Obere Guslarjoch am Fluchtkogel über eine kurze Steilflanke und anschließend über den ...ferner zur Vernagthütte abzusteigen. Von dort wäre Vent ebenfalls zu erreichen gewesen.

Ich hatte hingegen noch eine Rechnung mit den Guslarspitzen offen. Wir waren zwar zur Höhenanpassung auf der Mittleren, doch die Vordere und Hintere blieben trotz enormer Nähe unangetastet - das wollte ich ändern. Einzige Bedingung: Um 17:50 muss ich den letzten Bus in Vent Richtung Sölden nehmen - da der Start um 8 Uhr war, sollte das hinhauen.

Also vor und nach dem Frühstück die letzten Sachen zusammenpacken, das Zimmer kontrollieren - irgendetwas vergessen? Dann raus auf die Terasse - Bombenstimmung mal wieder! Wie auf einem Wolkenschloss stehe ich da, und sehe nichts als Wolken, aber ich selbst bin darüber. Wie aus dem Flugzeug, nur hautnah dran.

Brandenburger Haus - Delorette-Weg (L, 1h)

 Seil über die Schulter, Ausrüstung gepackt, geht es ein letztes mal auf dem felsigen Weg hinab zum Kesselwandferner. Diesen überqueren wir dann auf der Standardspur - dafür sind einige Markierungsstangen gesetzt. Allerdings führt die Spur oft über tiefe Einbrüche hinweg, schwarze Fußspuren ins Nirgendwo. Während des Aufenthalts auf der Hütte sahen wir immer wieder "Seilschaften" unangeseilt auf die Hütte steigen - grob fahrlässig. Wir kommen unbeschadet über die zugeschneiten Spalten hinweg und steigen flach zum Anseilpunkt hinab. Ich verfange mich dabei unkonzentrierterweise einmal mit dem Steigeisen und reiße mir meine Maier-Hose auf - blöd. 

Delorette-Weg - Mittlere Guslarspitze (T3, 1 1/2h)


Am Anseilpunkt wird das Material zusammengepackt, die restlichen Seile werden aufgeteilt und ihrem Bestimmungsort zugeteilt (Berlin/Hochjoch-Hospiz) .. ich verabschiede mich an diesem Punkt von der Gruppe, die zügig zum Hospiz absteigen will, rasten und dort nicht erst den letzten Bus erwischen. Ich gehe den aussichtsreichen Delorette-Weg hinab bis zur Kreuzung zur Mittleren Guslarspitze. Nun warten über 400 Höhenmeter Gegenanstieg, wie immer mühsam - die Psyche spielt einem da einen Streich. Da mein Rucksack wieder voll bepackt ist (der Rest wartet noch im Hospiz, also etwa 17kg), lasse ich ihn auf der Weide unter den Guslarspitzen unter einem ausgehöhlten Stein, etwas abseits des Wegesrandes stehen. Nun bin ich einzig bewaffnet mit meinen Trekking-Stöcken und meiner Kamera. Etwas zu trinken wäre sicher sinnvoll gewesen. Um kurz nach 11 Uhr stehe ich auf dem breiten Rücken vor der Mittleren Guslarspitze, wende mich aber erst der Hinteren zu. 

Zur Hinteren Guslarspitze & retour zur Mittleren (T3, 20min)

Der Übergang zur Hinteren Spitze erfolgt erst markiert über einen breiten Rücken, bis sich dieser in einen linken und rechten Abschnitt aufteilt, getrennt durch ein eingeschnittenes Schuttbecken. Die Markierungen weisen wohl die rechte Seite als richtige. Die linke sieht logischer aus, Trittspuren gibt es auch reichlich, also rauf da. Überraschungen gibt es dort auch keine, nur einmal kommen kurz die Hände für das Gleichgewicht zum Einsatz - alles aber völlig unausgesetzt. Mir kommt ein Schweizer Paar entgegen, welche ich nach der Vorderen Spitze frage, leider haben sie keien Infos - diese sieht anspruchsvoller aus. Dann steht man aber erstmal auf der Hinteren Spitze, geschmückt mit einem einfachen Holzkreuz, einer Holzstange und guter Aussicht. Zurück zur Mittleren Spitze geht es zügig auf dem gleichen Wege.

Vordere Guslarspitze & retour zur Mittleren (T5-, I+, 40min)

 Nun folgt der spannende Part der Tour. Ich hole an der Mittleren Spitze das pausierende Schweizer Paar sowie ein weiteres ein und schreite aber sofort an ihnen vorbei unter dem Gipfelkreuz weg. Zugewandt zur Scharte zwischen Mittlerer und Vorderer Spitze sehe ich anfangs noch Trittspuren, welche sich aber schnell verlieren (oder ich sehe sie nicht).. ich steige weiter. Immer wieder muss ich kurz klettern, um weiterzukommen und frage mich, ob das die richtige Route zur Vorderen Spitze ist, da ich nicht eine Trittspur mehr erkenne (T4). Noch geht es allerdings ganz gut voran und bald stehe ich in der Scharte, etwa 50 Höhenmeter unterhalb der Vorderen, 60 Höhenmeter unterhalb der Mittleren Spitze.

Nun folgt man erst unverfehlbar dem Grat zur Vorderen Spitze (leichter Schutt). Ich lasse meine Trekking-Stöcke zurück, sie behindern nur noch. Das Gelände steilt sich nun stark auf - die Wegfindung wird schwieriger - von oben ist sie auf dem Rückweg definitiv leichter. Ich halte mich zwischenzeitlich auf der rechten Seite des Grates - ein Fehler - eine Querung in grasig-schrofigem Gelände ist recht heikel und mit viel Luft unter den Füßen (T5-), ich steige nach links oben und komme wieder in festeres Gelände. Trittspuren sind nur mit viel Fantasie auszumachen - wird die Vordere Spitze wirklich so selten gemacht? Noch überfordert mich aber nichts, ich fühle mich wohl und nicht unsicher. Also weiter - zwei schräg stehende, große Felsen bilden eine Rampe, weil ich kurz mit Spreizschritt überwinde (I+). 

Die Hände kommen nun durchgängi zum Einsatz, das steile Blockwerk erfordert es. Aber hier ist der Fels relativ fest und ein Genuss. Prüfen schadet nicht, auf dem Rückweg wäre mir fast ein Tritt weggebrochen. Kurz vor dem Gipfel flacht das Gelände etwas ab und man sieht die Gipfel-Holzstange. Ich mache zwei Fotos, habe aber keine Ahnung wie spät es ist.. meine Kamera ist nicht richtig eingestellt,das Handy unten im Rucksack deponiert.. also lieber schnell wieder runter - kein großer Gipfelgenuss. Konzentriert, und diesmal mit effektiverer Wegfindung, finde ich recht einfach bergab. Von dieser Seite ist es definitiv übersichtlicher - oft wird die Vordere Guslarspitze ja auch von der anderen Seite von der Vernagthütte bestiegen.. Ich sammle am Grat wieder meine Stöcke ein, bin nicht nochmal in die etwas heikle Traverse gekommen.. und dann geht es (wiederum leichter, aber als Gegenanstieg anstrengender) die andere Seite die Mittlere Guslarspitze wieder hinauf. Die Pausierenden sind schon lange wieder hinab gestiegen.. der große Ansturm der Tagesaspiraten steht noch an. So nehme ich die Beine in die Hand und steige hinab Richtung...

Mittlere Guslarspitze - Hochjoch-Hospiz (T2-T3, 1 1/4h)

 Wäre nicht ein Teil meiner Ausrüstung im Hochjoch-Hospiz in der Sektions-Truhe deponiert, wäre ich über die andere Seite der Vorderen Guslarspitze in Richtung Vernagthütte abgestiegen und von dort nach Vent, um etwas neues zu sehen (ist auch kürzer) .. aber hätte, hätte. Es war nunmal so und so stieg ich zügig zum Rucksack hinab, musste aber aufgrund meiner Bronchitis ununterbrochen husten. Ich verdammte die Tatsache, dass ich nichts zu Trinken zur Hand habe und quäle mich zum Rucksack. Nach 5 min. Pause steige ich hinab zum Hospiz, mittlerweile kommen mir viele andere Bergsteiger entgegen. Große Gruppen zur Mittleren Guslarspitze, aber auch Aspiraten zum Brandenburger Haus. Man sieht meinem Equipment an, dass ich dorther komme und ich werde über die Verhältnisse ausgefragt und betone die Seilpflicht - besser ist's. Am Hospiz angekommen spreche ich mit dem netten Hüttenwirt Thomas, der aus seinem Repertoire meinen verlorenen Brustgurt zaubert.. (siehe Aufstieg Brandenburger Haus) .. ich nehme noch den Schlüssel für die Sektionstruhe an mich, trinke etwas während ich den Rucksack neu packe und mache mich dann auf den Weg ins Tal. Kurz vorm Hospiz fing es schon langsam wieder an, zur Qual zu werden mit der schweren Bepackung, so hält sich die Freude vor der langen Hatsch in Grenzen..

Hochjoch-Hospiz - Rofenhöfe - Vent (T2, 2 1/4h)

 Zu diesem Abschnitt der Tour gibt es nicht mehr viel zu sagen. Ich bin immer wieder gezwungen Pausen zu machen, so zieht sich die Hatsch noch mehr. Landschaftlich schön, wird man aber einigermaßen entschädigt. Immer wieder kommen mir Touristen entgegen, die trotz der breiten Wanderautobahn unsicher am Drahtseil herumwerkeln. Ich mache Ihnen auf der Bergseite Platz, so dass sie dies nicht loslassen müssen und spute mich. Der Strom der Passanten will nicht aufhören. Unangenehm sind vor allem die immer wieder auftretenden Gegenanstiege.. bald darauf kommen aber die Rofenhöfe in Sicht. Die Zeit ist mittlerweile ziemlich fortgeschritten - ich beschließe, dass mein jetziges Tempo zu langsam ist und ich einen Zahn zulegen sollte, um auf Nummer sicher zu gehen. Die Kräfte werden mobilisiert, und so schreite ich, immer noch mit Mammut Mütze und Jacke bei über 20° den Spaziergängern in sehr schnellem Schritt entgegen, überhole einem nach dem anderen und ernte für das Equipment und Outfit jeden Blick von Ehrfurcht bis Verstörtheit. Teilweise als käme ich von einem anderen Planeten.. Nichtsdestotrotz, man kommt auf dem seichten Fahrweg schnell voran, bald sind die Höfe erreicht. Ich behalte das Tempo auf der Hängebrücke bei und bringe damit einige wohl nicht ganz schwindelfreie Begänger in die Bredouille. Ich schlängele mich an ihnen vorbei und nehme die letzten vielleicht anderthalb Kilometer in Anlauf. Im Endeffekt stehe ich fast vor Vent, alles schmerzt, ich bin am Ende meiner Kräfte. Diese letzte Tempoaufnahme hat nochmal geschlaucht, bis auf das Letzte. Ich schaue auf die Uhr, noch fast eine Stunde bis zum letzten Bus. Ich falle erst einmal hin und genieße zu sitzen. Ich begehe nun die letzten paar hundert Meter ruhig und nun wieder mit den Blicken für die Berge, das flache Land wartet schließlich wieder bald.

Im Endeffekt warte ich noch eine halbe Stunde auf den Bus und mache es mir dann, ohne Lust auf einen Ausflug durch Sölden, in meiner Standard-Herberge (Rauch) in Sölden bequem. Schaue noch etwas Olympia, rüste mich für die lange Rückfahrt am Folgetag (14h).. 

Genussbergsteigen war es nicht an diesem Tage, es war der rohe Wille des Gipfelsammelns und des Vervollständigens, welcher mich auf die beiden anderen Guslarspitzen brachten und dann bis nach Vent trug. Innerlich wieder mit vielen Flüchen gespickt, darf man die Ausblicke dadurch nicht schmälern. Einen Besuch allemal wert.. in diesem Sinne auch nochmal Danke an Thomas vom Hochjoch-Hospiz für den Brustgurt..

KONDITION 4/5 
ORIENTIERUNG 4/5
TECHNIK 3/5
EXPONIERTHEIT 3/5

Gletscherbegehung mit DAV Berlin, Rest Solo.



Tourengänger: Kris


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