...Notre-Dame de Tours - kleinste Enklave der CH


Publiziert von Henrik , 3. Mai 2012 um 21:59.

Region: Welt » Schweiz » Freiburg
Tour Datum:20 April 2012
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VD   CH-FR 
Zeitbedarf: 4:00
Strecke:Domdidier -Corcelles-près-Payerne // Combremont-le-Grand - Combremont-le-Petit
Zufahrt zum Ausgangspunkt:ÖV
Zufahrt zum Ankunftspunkt:ÖV
Unterkunftmöglichkeiten:BnB
Kartennummer:map wanderland

 ... für Überraschungen sorgen unterschiedliche Standards, wenn man sich entschliesst unterwegs privat unterzukommen: eine Struktur sind die BnBs, andere private Unterkünfte finden sich via Tourismus-Online-Plattformen der Orte, die man plant anzusteuern, sei es um die Zwischenverpflegung zu sichern oder sich dem öffentlichen Verkehr zu widmen, Bahn bzw. Bus. Die Nacht in Jeuss bescherte uns Einsichten in eine Wohnform, die ich nur von unterwegs kenne: nebst BnB hat dieser Standort noch Montage-Arbeiter im Haus leben, wir schliefen im Dachstock und bezahlten ohne Quittung! Im Gespräch stellte sich schliesslich noch heraus, dass unsere Gastgeberin auch Intensivpflegefachfrau ist (wie Claudia und ich), die kurz vor ihrer Pensionierung steht. Das reichhaltige Frühstück mit Eiern wirklich freilebender Hühner schmeckte rural frisch. Wie meist wird viel zu viel aufgetischt, dass man dann ggf. mit schlechtem Gewissen schliesslich den Rucksack schultert und irgendwie verstohlen nach draussen entschwindet. Wir treten hinaus, und sogleich packt uns der Wind, den wir heute und auch an den Folgetagen nicht abschütteln werden können – wie meinte doch der  Einheimische in Gümmenen gestern, der Wind wird euch noch zu schaffen machen! Über uns eine graue Wand, und vereinzelte Tropfen. Wir nehmen den Bus ab Jeuss, der uns nach Murten trägt. Dort nahtloser Anschluss mit der S-Bahn nach Domdidier. Die Windböen veranlassen uns, die Jackenkragen hochzuziehen, die Schirme verstauen wir, die Pfützen auf der Strasse überhüpfen wir spielerisch. Leider unvermeidlich, ein Gang zur Pharmazie – meine fast neuen Schuhe wollen nicht passen bzw. meine Füsse sind ziemlich empfindlich: mittels Compeed wird das Wandern wieder erträglich! Wir steigen hinan, zuerst auf der verkehrsreichen Strasse bis Punkt 501, dann rechts folgend hinauf zum Weiler Eissy. Beim Wegkreuz halten wir inne und blicken über die Seenplatte zu den Jurahöhen – die intensive Pracht eines Rapsfeldes erstaunt immer wieder. Irritierend hier und auch die folgenden Tage: die Wanderwege in der Romandie verlaufen einfach zu häufig auf geteerten Wegen bzw. autozugänglichen Strassen, das ist eindeutig anders in der Deutschschweiz. Wir nehmen deshalb Reissaus und machen Umwege, um auf Mergel und Waldboden gehen zu dürfen ... schliesslich sind wir nur 10 000 Jahre getrennt von unseren Ahnen, die noch nichts anderes kannten. In der Nähe von Russy erhebt sich ein Hügel, der Petit Belmont, den wir nicht überschreiten, sondern umgehen. Zwischenzeitlich hat die Sonne die Oberhand gewonnen, der Wind flaut aber nicht ab. Die Grenzverläufe zwischen der Waadt und dem Kanton Freiburg sind in dieser Region durchaus abenteuerlich – wir wechseln am Fuss des Petit Belmont in die Waadt, das Wetter ändert sich zwar nicht, aber der Charakter der Landschaft beträchtlich. Schliesslich erreichen wir die kleinste Enklave der Schweiz: Notre-Dame de Tours bei Cousset, das lediglich 5 Einwohner zählt, der Gemeinde Montagny angehört und eine Kirche sowie Festsäle für Grossveranstaltungen anbietet. Der Flecken umfasst die geschätzt Grösse eines Fussballfeldes! Wir eilen weiter, ohne die Kirche zu betreten, wir gehen einfach davon aus, dass auch diese geschlossen hat...

... zudem, Claudia hat Hunger. Leider haben meine Vorbereitungen nicht ausreichend die Öffnungszeiten naher Gaststätten miteinbezogen – so erfahren wir von einem Einheimischen in Corcelles-près-Payerne, dass das Lokal am Bahnhof, es ist Freitag, geschlossen hat. Wir kehren um, gehen einige Hundert Meter zurück ins Dorf und finden schliesslich ein Pub – dieses hat offen. Wir treten ein und finden ein leeres Lokal vor, doch bald stehen zwei Teller mit gigantischen Burger und frischen Pommes auf dem Tisch – wieder einmal zu üppig, sodass ein halber Burger liegen bleibt, dafür nippen wir an einem Weissen aus der Umgebung, nicht ein Vully. So gestärkt begeben wir uns zum Bahnhof, wo wir der Böen wegen uns in den Wartesaal zurückziehen und kurz nach 14 Uhr für eine Station die S-Bahn nach Payerne nehmen. Jetzt melden sich die Genussnerven – wir sitzen hinter einer grossen Glasvitrine und schlürfen einen Cappuccino, den bidi35 sicher als zu teuer einschätzt.  Eine Stunde später rollen wir hinaus aufs Land, diesmal mit dem Poschti mit Ziel Combremont-le-Grand. Die Strasse mit einer leichten Steigung folgt einem Hügelzug, der auch bis nach Lausanne reicht – wir wechseln im Takt auch gleich die Kantonsgrenzen, erneut zwischen der Waadt und Freiburg. Um uns knallgelbe Rapsfelder, offener blauer Himmel und Windfahnen auf den Kreten nach Osten hin, die Freiburger Alpen und hinten die Walliser.  Die Ortsnamen sind mir nicht ganz fremd, habe ich diese Region doch unlängst für ein TuT ausfindig gemacht: Vuissens. Auch deswegen bin ich jetzt wieder hier, um Claudia eine ihr fremde, auch touristische Umgebung zu zeigen. Was mir hier besonders gefällt, sind die grossen Felder, deren Banngrenzen manchmal über einen Hügelzug hinaus reichen, das kennen wir schon aus topografischen Gründen nicht im Baselbiet noch im Zürcher Oberland. Vielleicht im Thurgau? In Combremont-le-Grand (Crévy) steigen wir aus, und haben nochmals etwa eine Stunde Spazierzeit. Der Wind packt uns von vorne, trotz Sonne hat Claudia die Kapuze übergestreift, und ich die Wollmütze hervorgekramt! Wir stemmen uns förmlich dem „Gebläse“ entgegen – das kann durchaus in die Oberschenkel gehen, so jedenfalls reüssiert „Maus“ ihren Muskelkater.... Das angestrebte Ziel, das Dorf gleichen Namens, aber mit dem Anhängsel „ ...-le-Petit“ erreichen wir über staubige Felder und noch feuchte Wiesen, was für ein Kontrast. Hinzu kommt eine Gewitterfront, die an uns vorübereilt, wir kriegen lediglich ein paar Tropfen ab.  Als wir den Dorfrand erreichen, fragt uns ein Landwirt, ob wir dem „Chemin des Blés“ folgen, worauf ich erstaunt entgegne, ja, in der Tat – sieht man das uns an, fragen wir uns?
 
 ... das zweite Nachtlager liegt gegenüber der Fromagerie, wieder im Dachstock und mit Betten aus Wilhelm-Buschs-Zeiten, knarrend und eindeutig zu kurz für den langen Henrik ! Ohne zu ahnen worauf wir uns ggf. einlassen, haben wir noch einen Tisch reserviert, als wir beim Café de l’Etoile vorbeikommen, unscheinbar sieht es von aussen aus – doch was wir nach 19 Uhr erleben, ist Genuss auf sehr hohem Niveau, eindeutig auch ein Event, den ich mit Tobi angehen möchte. Stil und Eleganz, ein cleveres Menumanagement aus der Küche, das Lokal zieht Jung und Alt an, ein Freitag, der Laden ist voll! Selten zuvor haben wir ein so grosses Entrecote Cheval auf dem Teller liegen gehabt, und auch der Wein (Gally Pot) mundete vorzüglich.


 ...als wir  später durch das Dorf zur Nachtstätte spazieren, erwischen wir gerade noch die l’heure bleu, die ich anderswo auch schon beschrieben habe – ein paar Vögel und wir hätten einen Hitchcock! 

  

Tourengänger: Henrik
Communities: Touren und Tafeln


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Kommentare (1)


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bidi35 hat gesagt: schön beschrieben [u Henrik]...
Gesendet am 4. Mai 2012 um 10:36
...von wegen teuren Kafis...bin halt ein armer Pangsionierter...muss jedes Föifi zweimal umdrehen!!!!!
Werde künftig den Kafi im Rucksack mitnehmen, dann kann ich ihn sogar auf einer Wiese, in Erwartung von Hitchkocks Vögeln, schlürfen;-))


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