Faule Genusstour im Alpstein (Silberplatten 2158 m, Grünhorn, Grenzchopf, Grauchopf)


Publiziert von Fico , 3. Oktober 2011 um 15:10.

Region: Welt » Schweiz » St.Gallen
Tour Datum: 2 Oktober 2011
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Alpstein   CH-AR   CH-SG 
Zeitbedarf: 7:00
Aufstieg: 550 m
Abstieg: 550 m
Strecke:Stütze II-Tierwis-Silberplatten-Grünhorn-Grenzchopf-Tierwies-Grauchopf-Stütze II
Zufahrt zum Ausgangspunkt:cff logo Säntisbahn, Stütze II
Zufahrt zum Ankunftspunkt:cff logo Säntisbahn, Stütze II
Unterkunftmöglichkeiten:Tierwis
Kartennummer:1114 (Nesslau), 1115 (Säntis)

Wie angekündigt habe ich diesmal eine faule Genusstour unternommen. Obendrein war ich ausnahmsweise mit dem Auto unterwegs statt mit der Bahn - die Zeitersparnis von über einer Stunde war allzu verlockend, zudem war ohnehin klar, dass ich wieder zum Ausgangspunkt zurückkehren würde. Beim Parkplatz auf der Schwägalp winkten die Einweiser eifrig, als wollten sie damit zum Ausdruck bringen: "Schnell, schnell, es hat nur noch wenige Plätze!" Dass ich an einem solch schönen Herbstsonntag nicht allein im Alpstein unterwegs wäre, war mir von Anfang an bewusst. Dass ich vom Parkplatz eine volle Stunde brauchen würde, bis ich bei der Stütze II losziehen konnte, hat mich dann doch ein wenig überrascht...

Verständlicherweise versuche ich dem heute zu erwartenden "Verkehrsaufkommen" auf den ausgeschilderten Bergwegen möglichst auszuweichen. Darum nehme ich am Fuss der Stütze II gar nicht erst den weiss-rot-weiss markierten Weg, sondern zweige sogleich rechts ab ins Labyrinth der Karrenfelder. Irgendwie würde ich da schon durchfinden und bei der Tierwis ankommen. Zu meiner Freude entdecke ich bald verblichene rote Markierungen, und zwar auffallend zahlreiche. Doch wohin würden die führen? Auf den Grauchopf oder zur Tierwis? Als ich bemerke, dass das Steinmannli oberhalb der Felsen bereits hinter mir liegt, gehe ich davon aus, dass die Markierungen kaum dort oben enden werden. Ein Stück weiter sehe ich, dass mein Weg parallel zum offiziellen Wanderweg verläuft, in vielleicht hundert Meter Entfernung. Also steuere ich allmählich auf diesen zu. Kurz oberhalb des roten Herzens an den Felsen mündet der "Schleichweg" in die "Säntisstrasse". Für ungefähr zehn Minuten kreuze ich all die Unzähligen, die auf dem Weg Richtung Säntis sind und von denen wahrscheinlich die Wenigsten wissen, dass es abseits der ausgetretenen Pfade auch an einem schönen Sonntag stille und einsame Wege im Alpstein gibt.

Bei der Tierwis gibt es fast kein Durchkommen, die Leute stehen, sitzen, liegen auf und neben den Wegen. Ohne Halt mache ich mich davon Richtung Silberplatten und suche weiter vorn einen gemütlichen Rastplatz. Bald überholt mich eine ganze Wandergruppe. Es hat noch andere, die heute ausweichen! Besonders sparsam mit den Höhenmetern umzugehen, gehört natürlich ebenfalls zu den Bestrebungen einer faulen Genusstour. Aus diesem Grund verlasse ich in der Gegend des Grünhorn (P. 2140 LK) den markierten Wanderweg, bevor er an Höhe verliert, und peile auf Wegspuren den Silberplattensattel an. Dabei erwische ich unverhofft einen kleinen, namenlosen Gipfel, der es nicht einmal zu einem Punkt auf der Landeskarte gebracht hat. Einzig ein kleines Höhenkurvenringlein deutet darauf hin, dass er auf 2100 m liegen muss. Passend zur heutigen Tour nenne ich ihn "Faulhorn". ;-) Beim Silberplattensattel (P. 2072 LK) hat es wieder weiss-rot-weisse Markierungen, denen ich allerdings nur ein kleines Stück folge. Am Fuss der grossen Platte nehme ich eine Abzweigung, die nach links auf den Grat unter den Gipfelfelsen führt. Stellenweise könnte man von leichter Kletterei sprechen. Doch die grossen Tritte sowie Griffe im Briefkastenformat sind derat griffig und gut begehbar, dass der Aufstieg nicht die geringste Mühe bereitet. Auf dem Grat angekommen, quere ich - nicht ohne mir vorher ein paar Tiefblicke gegönnt zu haben - auf einem bequemen Band nach rechts und erreiche nach kurzer Zeit wieder den "offiziellen" Weg. Auf dem Gipfel sitzen bereits vier Personen, eine von ihnen begrüsst mich stürmisch: "Was machst du denn hier?" Eine Woche zuvor hatten wir uns in einem ganz anderen Zusammenhang in der Stadt gesehen, und keiner von beiden hätte an ein baldiges Wiedersehen auf einem Gipfel im Alpstein gedacht. Dank der unerwarteten Begegnung komme ich wieder einmal zu einem eigenen Gipfelfoto. :-)

Nach einer ausgiebigen, genussvollen Mittagsrast mit Panormablick und Eintrag im Gipfelbuch (eigentlich eher eine Sammlung loser Blätter zwischen zwei Buchdeckeln, die auf den Buchbinder wartet) mache ich mich auf den Abstieg. Diesmal benütze ich den weiss-rot-weiss markierten Weg, der zwar deutlich breiter ist als meine eigenwillige, schöne und trockene Aufstiegsroute, dafür aber streckenweise unangenehm nass und rutschig. Wie dem auch sei, bis jetzt halten sich die Schwierigkeiten auf der ganzen Tour durchwegs im Bereich von T2-T3. Und die ganz kurzen Kraxelstrecken als Kletterei zu bezeichnen, wäre wohl leicht übertrieben. Wieder beim Silberplattensattel angekommen, bin ich überhaupt noch nicht müde, steige gleich nochmals aufs "Faulhorn" und schaue zu beiden Gipfeln zwischen Silberplatten und Tierwis hinüber: Grünhorn und Grenzchopf. Der erste - auf der Karte einzig als P. 2140 vermerkt - ist  schnell bezwungen. Kaum eine halbe Stunde vom Silberplatten entfernt, ist er in einer wunderschönen Gratwanderung über Schrofen und trockene Graspolster bequem zu erreichen. Weder Kreuz noch Gipfelbuch hat es auf dem Grünhorn, einzig ein paar gesammelte Steine deuten den höchsten Punkt an.

Für den Abstieg und den weiteren Weg zum Grenzchopf würde ich am liebsten auf dem Grat bleiben, der jedoch zusehends schmaler, ausgesetzter und steiler wird (T4). Davon lasse ich mich nicht beirren, zumindest nicht für den Moment. Erst als ich feststelle, dass ich den dem Menschen eigenen aufrechten Gang schon fast völlig aufgegeben habe, wird mir bewusst, dass ich langsam, aber sicher in den Bereich von T5 hineinrutsche - eine Welt, mit der ich mich noch immer nicht wirklich angefreundet habe. ;-) Hilfreich in einer solchen Lage ist der alte Trick: Wenn es nicht mehr weitergeht, queren! Zum Glück ist dies ohne grössere Probleme möglich, so dass ich alsbald wieder den Wanderweg, zuerst ein schönes Stück weiter unten erblicke und dann auch erreiche. Dieser führt bis in die Senke von P. 2067 LK hinab, von wo ich sogleich wieder auf den Grat hinaufkraxle. Zuerst noch schmal, verbreitert er sich allmählich, und die Wegspuren verlaufen in einem harmlosen Grashang (T1-T2). Bis zum Gipfel des Grenzchopf (2193 m) kann man nach Belieben gemütlich im Gras oder etwas ausgesetzt an der Gratkante aufsteigen. Oben angekommen, suche ich erneut vergeblich nach einem Gipfelbuch. Die einzige Zierde ist ein markantes Steinmannli, das von unzähligen kleinen Mücken bewohnt ist. Und fast überflüssig zu erwähnen, dass ich seit dem Silberplattengipfel keiner einzigen Menschenseele mehr begegnet bin. Dafür habe ich einen imposanten Tiefblick auf die Schwägalp mit dem überbelegten Parkplatz.

Als Übergang vom Grenzchopf zur Tierwis bieten sich zwei Möglichkeiten an: Auf dem sanften Grasrücken zurück bis auf den offiziellen Wanderweg oder auf schwach erkennbaren Wegspuren in nordöstlicher Richtung direkt absteigen. Noch immer kaum müde und weiterhin abenteuerlustig, entscheide ich mich für die zweite Variante, die ich aufgrund der Steilheit, der Ausgesetztheit und der Orientierungsschwierigkeiten (zumindest streckenweise) mit T4 bewerten würde. Dies zumal auch mein aufrechter Gang wieder allzu oft verloren geht. ;-) Gut möglich, dass es eine bessere Route gegeben hätte und ich irgendwo die Wegspur verloren habe. Dennoch komme ich alsbald wohlbehalten bei der Tierwis an.

Eigentlich hatte ich am Morgen noch im Sinn, anschliessend gemütlich und ohne jede Eile zu Fuss auf die Schwägalp zurückzukehren. Beim Abstieg vom Grenzchopf habe ich allerdings auch einen Tiefblick auf den Säntisweg werfen können und auf die Karawane, die sich in beide Richtungen bewegt. Als Abschluss dieser wunderschönen, einsamen Tour verspüre ich nicht die geringste Lust, mich dort einzureihen. Als bleibt nur die Rückkehr zur Stütze II. Diesmal auf dem offiziellen Wanderweg? Oh nein, dazu bin ich noch immer zu unternehmenslustig! Und das kleine, helle Gipfelmannli, das ich beim Hinweg durch die Karrenfelder hoch oben erblickt habe, ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen...

Im Säntisführer wird der Grauchopf (2218 m) als "touristisch nicht interessant" erwähnt. Wer ihn dennoch besuchen wolle, schwenke "etwa 1/4 Std. oberhalb der Tierwies vom Säntisweg ab" und klettere "über rauhes Karrengestein hinauf". Genau das habe ich nun im Sinn: Oberhalb des roten Herzens am Felsen verlasse ich den Säntisweg - und dann? Besonders einfach fällt mir, ehrlich gesagt, die Orientierung nicht. Darum strebe ich vom "rauhen Karrengestein" weg über Schrofen und Graspolster dem Grat zu. Denn in der Regel geht es dort unfehlbar hinauf zum Gipfel. Das ist auch diesmal der Fall, und so stehe ich nach kurzer Zeit neben dem hellgrauen Steinmannli, das in der Morgensonne so verführerisch geglänzt hat. Doch wie weiter zur Stütze II? Am einfachsten wäre es, auf dem gleichen Weg zurück und dann durch die Karrenfelder. Wenigstens einen Versuch, direkt hinunterzuklettern, will ich machen. Zu meiner Freude gelingt er ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Es hat überall gute Griffe und Tritte zur Auswahl, ganz selten loses Gestein. Mit den ersten Felsen ist es allerdings nicht getan. Die Orientierung ist zwar nicht allzu schwierig, doch den "Schleichweg" mit den alten, roten Markierungen sehe ich noch lange nicht. An der Stelle, wo die Richtung geändert werden muss, schichte ich noch notdürftig ein paar Steine auf, als Orientierungshilfe für allfällige, künftige Wiederholungen.

Endlich bei den roten Markierungen angekommen, die sicher durch die Karrenfelder führen, geht es zum Schluss nochmals vielleicht hundert Höhenmeter aufwärts. Dann ist die Stütze II erreicht. Der Besuch des Grauchopf mit der kurzen Kletterpartie als Abschluss dieser schönen und einsamen Genusstour hat sich gelohnt. Von wegen "touristisch nicht interessant"! Doch über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Fast auf die Minute genau sind es sieben Stunden, seit ich von hier losgezogen bin. Mancher mag sich fragen, warum man für eine Tour mit so kurzer Wegstrecke und vergleichsweise wenigen Höhenmetern satte sieben Stunden braucht. Die Antwort ist denkbar einfach: Weil es eben eine faule Genusstour ist! ;-)

Tourengänger: Fico
Communities: Alleingänge/Solo


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