Vorab-Westwand


Publiziert von 3614adrian , 17. Juli 2010 um 17:48. Text und Fotos von den Tourengängern

Region: Welt » Schweiz » Glarus
Tour Datum:14 Juli 2010
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: VI (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR 
Zeitbedarf: 11:00
Aufstieg: 1330 m
Abstieg: 1330 m
Kartennummer:1194

Die Vorab Westwand ist eine alpine, lange und anspruchsvolle Klettertour. Sie führt über 17 Seillängen, 650 Klettermeter und 600 Höhenmeter, vorwiegend im 5., stellenweise im 6. Grad, durch die von P.2663 nach Nordwesten abfallende, imposante Kalkwand. Erstbegangen wurde die Tour in mehreren Etappen durch den lokalen Kletterer Hansueli Rhyner, mit verschiedenen Gefährten. Die Route wurde zwar hin und wieder begangen, erhielt aber keine allzu grosse Aufmerksamkeit. Erst seit der Sanierung, und teilweisen Begradigung durch Hansueli Rhyner und Ueli Frei im 2009, sowie der Publikation im Führer GLclimbs sind die Begehungen wieder häufiger geworden. Ein Topo der Route ist hier frei verfügbar, zusätzlich gibt es hier neu noch eine selbst angefertigte Routenskizze mit mehr Details.

Prolog von 3614 adrian:

Eigentlich war ich ja auf der Suche nach einem Seilpartner für eine anspruchsvolle Kraxeltour à la "Über Bänder und Würmer auf's Vreneli". mde war seinesgleichen vergebens auf der Suche nach einem Kletterpartner für anspruchsvolles alpines Sportklettern. Dass ich da nicht würde mithalten können war klar, mde hingegen zeigte mässig Interesse auf schlecht einzuschätzendes, im Führer als "sehr brüchig" beschriebenes Gelände in der Vrenelisgärtli-Nordwand. Nach einigem hin und her liess ich mich dann für einen Versuch in der Vorab Westwand überzeugen. Mir war bewusst, dass dies für mich am obersten Limit war, zudem habe seit Sommer 2008 keine einzige Sportkletterroute mehr draussen begangen. Die äusserst spärlichen Abstecher in eine Kletterhalle halfen bei der Entscheidungsfindung auch nicht weiter. Oben drauf kommt noch die Tatsache, dass ich gerade erst von einer kuriosen Viruserkrankung mit Muskelentzündung genesen bin. Das einzige Vernünftige wäre natürlich eine Absage gewesen. Da ich auf eine professionelle Führung von mde zählen konnte, riskierte ich trotzdem den Versuch. - Und es hat sich gelohnt, zwar musste ich bis zum Anschlag beissen und an den schwierigsten Stellen alle erlaubten und unerlaubten Hilfmittel verwenden. Für mich war es trotzdem ein Erfolg. Ein grosser Dank geht an mde für seine super kompetente Führung.

Zustieg von 3614adrian
Vom Waffenplatz Wichlen zuhinterst im Sernftal geht's (alles ausserhalb des Schiessgebietes) dem Wanderweg Richtung Panixerpass entlang ins Jetzloch zu P.1616. Kurz zuvor wendet man nach links und traversiert über einen Grashang in die markante Leidrus. Diese bietet keine grösseren Probleme (Stellen T5), das schuttig-mergelig-abschüssige Gelände, gänzlich ohne Wegspuren, ist aber eher mühsam zu begehen. Vom tiefsten Punkt der Wand noch etwas nach links hinauf, zuletzt über das harte Schneefeld mit Randkluft hinweg, und über ein kurzes Band zum Einstieg auf ca. 2160m (BH, für den Zustieg siehe auch hier). Für den Zustieg (ca. 900hm) benötigten wir in zügigem Tempo und ohne Verhauer genau die angegebenen 1.5h.

Routenbeschreibung von mde:
Für eine genaue Beschreibung des Routenverlaufs und des Charakters der einzelnen Seillängen verweise ich auf die selbst angefertigte Routenskizze. Generell handelt es sich um eine grosszügige, alpine Kletterei, die modern mit Bohrhaken abgesichert ist. Als Vergleichstouren kann man die viel bekanntere Kingspitz NE-Wand, die Reiss/Reist am Wellhorn, oder etwas weiter weg, den dritten Tofanapfeiler heranziehen. Allein diese Vergleichstouren zeigen schon, dass die Vorab Westwand bisher klar zu wenig Aufmerksamkeit erhielt.

Der Fels in der Vorab Westwand würde ich grundsätzlich als solide und für eine solche Tour, als von guter Qualität bezeichnen. Es gäbe denn tatsächlich auch noch einiges an Potenzial für schwierige Sportklettereien, wenn man anstatt dem leichtesten Weg den kompaktesten Zonen folgt. Auf den Bändern hingegen liegt aber doch einiges an Schutt herum, und natürlich gibt es auch einige splittrige oder brüchige Stellen. Vorsicht ist sicher dann geboten, wenn mehrere Seilschaften unterwegs sind. 

Für die Route sollte man deshalb schon etwas alpine Erfahrung mitbringen. Richtig grimmig und zum fürchten ist sie aber keineswegs. Dazu trägt aber auch die Absicherung bei, man könnte sie wohl als "Plaisir gut" bezeichnen. An den schwierigen Stellen stecken die BH in kurzen Abständen (2-4m), an den leichten Stellen können es dann auch einmal mehr (7-15m) sein. Insgesamt eine prima Sanierung, nur schade, dass anstelle von Inox- nur verzinktes Material verwendet wurde. An Material genügten mir 10 Expressschlingen, Keile/Friends hatte ich nicht dabei, und ich verspürte auch keinen Bedarf danach.

Die angegebenen Schwierigkeiten dürften in etwa zutreffen, soweit ich das deutlich unter meinem Maximalniveau beurteilen kann. Nicht selten ist man in einfachem Gelände zwischen dem zweiten und vierten Grad unterwegs, auf Stellen im fünften Grad trifft man aber regelmässig. Die bei der Sanierung neu eingebohrten Direktvarianten sowie der Ausstieg verlangen aber über zwei, drei Seillängen auch den oberen fünften bzw. sechsten Grad.

Wir kamen zügig voran, und für mich war es ein Genuss, wieder einmal im "cruising mode", rein intuitiv zu klettern. Auch 3614adrian schlug sich trotz seinen vorgängigen Bedenken wacker, so dass wir nach 5h20 den Ausstieg erreichten. Hier zeigte sich, dass in den Jahren 2001-2008 insgesamt 8 Begehungen stattfanden, seit der vor einem Jahr komplettierten Sanierung sind es nun auch schon wieder 8 Stück.

Abstieg von mde:
Am Ausstieg ist man ja noch nicht wirklich oben auf dem Berg. Den in ca. 1h30 möglichen Weiteraufstieg zum Vorab-Gipfel und den weitläufigen Abstieg via Martinsmaad hatten wir bereits im Vornhinein verworfen. Hingegen hatten wir die Schuhe dabei, um über die Nordwand absteigen zu können. Eine etwas aufsteigende Traverse von 5-10 Minuten führt zu deren Einstiegspunkt. Von oben sieht das Gelände aber sehr steil, äusserst brüchig und bezüglich Schwierigkeiten und bester Routenwahl sehr ungewiss aus.

Während mir ein Abseilen während dem Klettern noch nicht besonders attraktiv erschien, so änderte sich dies aufgrund des gebotenen Anblicks schlagartig. Nach kurzer Diskussion konnte ich dann 3614adrian überzeugen, dass ein Abseilen nicht nur sicherer, sondern (im Erwartungswert) wohl auch schneller sein würde.

Zum Abseilen ist die Route mit Kettenständen zwar prima eingerichtet. Es will aber doch auch gesagt sein, dass die meisten Abseilstrecken schräg verlaufen, loses Geröll ständige Gefahr bietet und zahllose Möglichkeiten für Seilverhänger vorhanden sind. Es ist also entsprechend Erfahrung notwendig! Bei uns lief alles reibungslos, es ist nämlich auch so, dass die Stände wirklich klug (und meist gut geschützt) platziert sind. So waren wir bereits nach 1h30 wieder am Einstieg.

Der Abstieg war dann nochmals etwas unangenehm, das steile, rutschige Gelände erforderte vorsichtiges Gehen. Insgesamt aber natürlich problemlos. Zu erwähnen ist noch die brutal starke Thermik, welche die Flanke hochzog. Der Adler, den ich im Lauf des Tages schon 3x beobachtet hatte, stieg unter uns ein, und wurde nur so in die Höhe katapultiert. Allerdings war es teilweise dermassen turbulent, dass es auch ihn beinahe in den Rückenflug drehte - sehr eindrücklich. Ein Nachfragen bei den Segelfliegern brachte dann an den Tag, dass sich hier an der Kante zum Spienggenstöckli tatsächlich ein (Föhn)rotor bildet, wo sich bei entsprechender Lage schnell an Höhe gewinnen lässt, und man möglicherweise in die Welle einsteigen kann.

Meteo:
Das Wetter verdient vielleicht auch noch kurze Erwähnung: die Wand liegt bis Mitte Nachmittag im Schatten. An diesem, bisher heissesten Tag des Jahres (bis 35.7 Grad im Flachland) waren die Temperaturen sehr angenehm. Sonst herrscht wohl häufig eine fröstelige Atmosphäre. Und auch vom Föhn war bis auf den Abstieg nichts zu spüren, Gewitter gab's auch keine, also perfekt!

Von uns benötigte Zeiten:
Zustieg: 1h30
Kletterzeit: 5h20
Abseilen: 1h30
Abstieg: 1h10

Tourengänger: 3614adrian, mde


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Kommentare (4)


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Alpin_Rise hat gesagt: Vorablorbeeren?
Gesendet am 17. Juli 2010 um 19:48
Tolle Tour, Jungs!
Während ich genau bei besagten 35,7° in Basel schmachtete - wobei Rheinschwimmen auch ganz gemütlich ist...
Die genaue Doku macht die Tour nochmals reizvoller, merci.
G,
Rise

nadirazur hat gesagt: Da wär ich ...
Gesendet am 17. Juli 2010 um 20:24
... auch dabei, Herr Rise! ;)

ManuelB hat gesagt: aktuelle Situation
Gesendet am 24. August 2014 um 12:33
August 2014,
der Zustieg bzw. Abstieg durch die Leidrus (Schiefer-Schutt)
erweist sich nach den aktuellen Regenfällen als sehr heikel.
Man hat das gefühl der ganze Hang "lebt".
Der Fels selbst erstaunlich trocken, leider fing es nach der 13. SL an zu regnen/graupeln bis dahin stimmt das Topo von mde super! vielen Dank dafür!
uns sind mehrere Griffe ausgebrochen und es viel loses Material in der Wand, das abseilen stellte auch bei dauerndem Regen kein Problem dar, im Nebel muss man sich jedoch gut orientieren um den nächsten Stand wiedrzufinden.
Alles in allem eine spannende Tour, die keinesfalls unterschätzt werden sollte.
Grüsse Manuel

kilogrammo hat gesagt: Westwand 03.09.2023
Gesendet am 3. September 2023 um 21:49
Wie bei Manuel gab es viel loses Gestein. Klettertechnisch wäre es sehr spannend, wenn es Granit und ein wenig stabiler wäre ;-)
Chapeau an euch! Wir haben 3 Stunden und 45 Minuten beim Klettern verbracht, inklusive viel Simultan-Klettern (alles bis auf 5c), und beim Abseilen mit der Repline 2 Stunden und 30 Minuten! Die Nordflanke schien uns ebenfalls zu riskant. Alles in allem eine sehr abenteuerliche Tour, jedoch objektiv gesehen ständig ziemlich gefährlich.


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