VAL VERGELETTO: Alter Alpweg zwischen Alpe di Ribia und Alpe di Cregnell


Publiziert von Seeger , 31. Oktober 2009 um 22:46.

Region: Welt » Schweiz » Tessin » Locarnese
Tour Datum:31 Oktober 2009
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Rosso di Ribia   CH-TI   Gruppo Pizzo di Madéi 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 1400 m
Abstieg: 1400 m
Strecke:Restaurant Fondovalle 1110m – In dal Er 1194m – Cavardigh 1248m – Val Quaranteria Pt 1645m – Valle della Coronaccia - Capanna Ribia 1996 m – Valle della Coronaccia - Val Quaranteria Pt 1645m – Alpe di Cregnell 1862m - Restaurant Fondovalle 1110m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:Auto: Locarno – Ponte Brolla – Centovalli – Val Onsernone – Val Vergeletto – Restaurant Fondovalle (6 km von Vergeletto)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:dito
Unterkunftmöglichkeiten:Unterkunft: Rifugio Ribia, 1996m, Selbstversorgerhütte des Patriziato Generale d’Onsernone, Getränke im Verkauf, Übernachtungstaxen, Holz und Gas. Einkehr und Unterkunft: Restaurant Fondovalle, Val Vergeletto
Kartennummer:Bosco Gurin, Comologno

Schon lange wollte ich den alten Alpweg zwischen den beiden Alpen Ribia und Cregnell aufstöbern. Die Jäger auf der Alpe di Cregnell haben mich beim letzten Besuch am 19. Juli davon abgehalten. Alles abgerutscht. Futsch! Hohe nackte Felswand! 15m Seil reiche nicht. Seit Jahren nicht mehr begehbar. Seinerzeit ging ich kein Risiko ein, stieg ab und als Ersatz zur Capanna Arena auf. http://www.hikr.org/tour/post15077.html
Und jetzt will ich Klarheit! Die kritische Stelle liegt an der orographisch linken Flanke des Val Quarantèria, über welcher sich bis 400m hohe Wände auftürmen: Die Coronaccia. Aber da soll es einen Schwachpunkt geben. Unterhalb des Pt 1645m.
1. Tag: Capanna Ribia
Mit der alten LK in der Hand folge ich vom Parkplatz des Restaurant Fondovalle (Saisonbetrieb, heute geschlossen) talaufwärts der Fahrstrasse entlang etwa 130m. Rechts zweigt ein viel begangener Weg ab und steigt in Kehren durch den Wald ziemlich steil zu In dal Er hinauf. Die Häuser und Umgebung sind ziemlich im Schuss und mit einer Transportseilbahn zur Fahrstrasse verbunden. Notunterkunft.
Nun quere ich leicht steigend nach Carvadigh hinüber, benütze das Open Air Klosett und freue mich des schönen Weges ins Val Quarantèria hinein. Doch zu früh gefreut. Mir kommt vor, als verschlimmere sich die Qualität des Weges in Etappen von 50 Metern bis der Weg nur noch dank der unlängst gewesenen Jagdzeit vage angedeutet verbleibt. Ja nu. Bin ich mir ja gewohnt. Aber als dazu noch Lawinenholz sowie widerspenstige Erlen und junge Lärchen mir das Leben sauer machen, kommt mir unweigerlich die Passage im SAC-Clubführer von Giuseppe Brenna in den Sinn:
“Der Aufstieg von S erfolgt in faszinierender Umgebung, aber in unwegsamem Gelände mit komplizierter Struktur“
Die Wegspuren wechseln auf etwa 1400m über den Bach in die westliche Flanke hinüber. Zeitraubend traversiere ich den Hang in logischem, aber kräfteraubendem Auf und Ab. Ob es im Bachbett besser gegangen wäre? Auf 1600m Höhe, wo zwei Bäche zusammenkommen, begutachte ich die östliche Flanke. Wo ist denn hier der Felssturz (la frana), welcher mir die Jäger weisgemacht hatten? Das kann doch nicht sein! Weit und breit nichts dergleichen; jedoch ein V-förmiges, überwachsenes Doppelkamin. Das rechte zieht sich auf den Grat mit der Höhenquote 1645m hinauf.
Ich bin neugierig auf das, was da kommen soll. Ohne Pause starte ich durch und finde einen kaum begangenen Pfad in logischer Führung beginnend unten angelehnt an die Felswand zur Linken und oben in einem grossen Bogen im Uhrzeigersinn direkt auf den Pt 1645m hinauf.
Vielleicht kommt die Frana doch noch.
Leicht steigend führt die Wegspur dreihundert Meter durch die nach rechts steil abfallende ehemalige Weide, die heute mit Lärchen und Erlen bewachsen ist und kurvt um einen Felssporn (1680m) nach links herum und direkt in Richtung einer Geröllhalde.
Immer noch keine Frana!
Mit einem seitlichen „Sicherheitsabstand“ von etwa 50m von der gegen das Val Quarantèria abfallenden Felswand zieht sich die Spur steil hinauf bis zu einem Sattel auf etwa 1900m.
Erste Gämse und noch keine Frana!
Vom alten Alpweg keine Spur. Trotzdem verlasse ich den Grat nach rechts. Nach einem mühsamen Aufstieg in Heidelbeerstauden, Wachholder und Alpenrosen, gepaart mit Erlen erreiche ich die Höhe des alten Alpweges auf 1960m. Ich glaube, eine kleine Stützmauer auszumachen. Aber auch die ist von der üppigen Vegetation bis zur beinahe Unkenntlichkeit verkommen. Ich quere stur auf dieser Höhe den ganzen Talkessel bis zum erlösenden Grates mit dem Kreuz, welches über der Alpe Ribia wacht.
Keine Frana!!! Die Jäger haben mich hereingelegt.
Wieder einmal allein in der Ribia-Hütte. Nun hat es sogar gesägtes Holz. Aber nur die Länge für das „Camino“. Also brauche ich den Gasherd für meinen Risotto ai Funghi und zum Heizen die Hartholzspälten. Vorgänger überliessen mir zwei Schluck Wein und eine Heidelbeerkonfitüre. Danke.
2. Tag Alpe di Cregnell:
Ich bin gespannt, ob ich heute den gleichen Weg wieder zurück finde. Dazu benütze ich einen mir bekannten etwas höher gelegenen Weg, um den Talkessel des Valle della Coronaccia einfacher zu queren. Somit steige ich von der Hütte den Normalanstieg zum Rosso di Ribia in NW Richtung hinauf bis zum markanten Knick nach links unterhalb der Geröllhalde auf 2060m Höhe. Dort finde ich tatsächlich diesen beinahe waagrechten Weg als horizontale Fortsetzung, dazu noch Steinmännchen als Wegweiser (irgendwie mein Eigenbau, komisch). Im Juhuium erreiche ich das kleine Sättelchen im Coronaccia-Grat. Dann halte ich mich an den Bachlauf (Markant in der LK) bis auf 1800m hinunter und zweige gegen SW ab. Mit Erfolg erreiche ich die Route etwas weiter unten wie gestern im Aufstieg. Und es ging wie Butter! Wieder um den Sporn auf 1680m herumkurven. Pt. 1645. Grüezi, bin wieder da! Welcher Kamin? Oben? Unten? Noch recht knifflig von oben. Abwärts scheint er noch steiler wie aufwärts. Schliesslich erreiche ich den Talboden, wo sich die zwei Flüsse treffen. Enorme Felsbrocken liegen da rum. Sonnenschein. Herbstzauber mit den gelbverfärbten Lärchen.
Der Gegenanstieg gestaltet sich recht abenteuerlich. Kräftezehrend. Vom alten Weg keine einzige Spur. Auch kein Jägerpfad. Proprio nulla! Karte und Höhenmesser kommen in Einsatz. Als krönender Abschluss eine Punktlandung auf die Alpe di Cregnell. Geschafft. Ein Blick zurück zur Coronaccia-Wand und in den Quarantèria-Graben bringt mich zum Staunen. 1,3 km Distanz in 5 Stunden. Aber dazwischen liegen Welten – oder eben das Val Quarantèria!
Die Jäger haben geräumt, die Wasserröhren vorsorglich für den Winter entleert.
Einige noch frische Knoblauchzehen liegen herum. In der Natur entsorgt.
Mich hatten sie auch entsorgt. Haben sie gemeint.
Abstieg in den Nebel. Detonation. Im Steinbruch wird gesprengt.

Tourengänger: Seeger
Communities: Ticino Selvaggio


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Kommentare (1)


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Alpin_Rise hat gesagt: Frana auf der oberen Traverse?
Gesendet am 1. Oktober 2018 um 11:51
Salut Andreas,

waren in der letzten Woche in der Gegend und haben (mutmasslich) das Rätsel gelöst:

> Wo ist denn hier der Felssturz (la frana)
Der ist wohl bei der oberen Querung auf 2000 m zu suchen, von deinem Namensgenossen hier beschrieben. Vom Pilone Gegenüber (Zoomaufnahme folgt) sieht es nach einem Felssturz aus.
Wir wollten dann von der Alpe Porcaresc kommend deine untere Quarantèria-Traverse in Angriff nehmen, bauchten aber bis Costa di Dröss (bis Fontana deutliche Wegspuren, dann sehr wild) schon viel zu lange und sind zurückgegangen. Gäbe es ein Unterschlupf auf Cregnell?

Herzlichen Dank für deine inspirierenden Berichte aus der wilden Gegend!

G, Rise


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