Pizzo Badile Via Cassin


Publiziert von hikemania , 21. Juli 2019 um 20:00.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Bregaglia
Tour Datum:19 Juli 2019
Wandern Schwierigkeit: T5 - anspruchsvolles Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: 6a (Französische Skala)
Klettersteig Schwierigkeit: K1 (L)
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-GR   I 
Zeitbedarf: 3 Tage
Aufstieg: 2500 m
Abstieg: 2500 m
Strecke:Bondo - Sasc Furä - Piz Badile - Ref. Gianetti - Bagni del Massino - Bondo
Zufahrt zum Ausgangspunkt:In Bondo stets bergwärts fahren, der neue Parkplatz befindet sich kurz nach der alten Mautschranke (kostenfreie Zufahrt)
Zufahrt zum Ankunftspunkt:von Bagni del Massino mit dem Taxi (bestellt auf der Gianettihütte) in ca. 1 Stunde nach Bondo (200 EUR Cash!)
Unterkunftmöglichkeiten:Sasc Furä, Bivacco Alfredo Redaelli, REfugio Gianetti

Prolog:

Nachdem wir letztes Jahr recht schnell durch die modern abgesicherte Aquaria geklettert waren, sollte es diesmal eine etwas ernsthaftere Tour sein.

Bei der Tourenplanung rückte auch die Cassin an der Badile in unseren Blick....

Seit dem großen Bergsturz in Bondo wurde es ruhig um die Piz Badile. Am 06.07.2019 eröffnete allerdings der neue Hüttenzustieg zur Sasc Furä, sodass eine der großen Nordwände wieder erreichbar wurde.

Wir hofften auf geringen Andrang, da der Zustieg erst kürzlich eröffnet wurde und nun statt 1,5 h stattliche 5 Stunden dauert.

Da in so steilen Wänden wie der NO-Wand der Badile Steinschlag durch vorauskletternde ein ernst zu nehmendes Risiko ist, wollten wir die Gunst der Stunde nutzen und möglichst ohne viel Verkehr in der Route durch diese Riesenwand steigen.

Logistik, Zustieg, Tourenvorbereitung:

Seit dem Bergsturz am Piz Cengalo 2017 ist das Tal mit dem kurzen Zustieg zur Sasc Furä verschüttet und gesperrt (auf nicht kartierten Jägerpfaden kommt man wohl noch durch, für Ortsunkundige aber sicher nicht zu empfehlen). 

Der neue Zustieg beginnt kurz nach der früheren Mautschranke in Bondo. Der alte Fahrweg wird bis zur heute nicht vorhandenen Brücke begangen und schlängelt sich steil orographisch links des Bruchstroms empor.

Bis zur Hütte Luvartigh T3, ab dort auf neu angelegtem Steig recht erdig um einen Nordhang (dort bestens mit Ketten, Bügeln und Brücken abgesichert (KS: L). Darauf gelangt man auf einen Schutthang, der allerdings aus recht großem Gestein besteht und soweit fest ist. Bei der Kreuzung zum Passo Trubinasca links und auf gutem Steig zur Hütte.

Ab Tal ca. 1400 hm, 5 1/2 Stunden (mit schwerem Klettergepäck eine realistische Zeit für Teilzeitbergler).

Aus alten Berichten kann man lesen, dass die Sasc Furä bei gutem Wetter förmlich überrannt wurde. Davon ist nun keine Spur mehr, dagegen sehr relaxtes Hüttenpersonal und vielleicht 10 Übernachtungsgäste.

Einer davon war David Hefti, der die Cassin mit seiner Frau ging. Aufgrund seines auffallend kleinen Rucksacks sprachen wir ihn auf die notwendige Ausrüstung an. Er informierte uns über die aktuelle Standplatzsituation in der Route und war ein ganz und gar netter Kerl. Da er offenbar nicht nur die Cassin gut kennt, sei er sehr als Führer empfohlen. Vermutlich stammt dieser Eintrag zur Tour mit seiner Frau von ihm.

Klettertag:

Das Frühstück auf der Sasc Furä wird bereits am Abend aufgestellt. Die meisten Seilschaften ziehen im dunklen los, da der Zustieg (welcher direkt hinter der Hütte beginnt und gut mit Steinmännern markiert ist) zur Nordkante 2 Stunden benötigt. Von dort gelangt man mit 20-25 m Abseilen zum breiten Felsband, welches zum Einstieg der Via Cassin (und einiger anderer Routen) leitet.

Wir benötigten ab Hütte knapp 3 Stunden bis zum Einstieg (linke Verschneidung frei hinauf (III)) zur Rebuffat-Verschneidung.

Diese lässt sich gut mit kleinen und mittleren Friends absichern und ist angenehm flach. Die nächsten beiden Längen (III) kletterten wir simultan und legten Schlingen, Friends und ein paar Exen in Normalhaken als Zwischensicherung. Interessant ist dabei ein ca. 6 m breites trittarmes Hangelband (welches sich durch Friends 2/3 gut absichern lässt). Schon in diesen Einstiegslängen fühlt man die Ausgesetztheit in dieser großen Wand.

Da nur eine Seilschaft vor uns in der Route und nach uns niemand mehr folgen sollte, war das objektive Steinschlagrisiko tatsächlich gering und wir kamen recht gut voran. Das Topo von Marcel Dettling leistete dabei gute Arbeit und dank des fantastischen Riechers meines Partners für den Routenverlauf blieben uns folgenschwere Verhauer erspart. 

Im Topo wird nach der 4. Seillänge ein Horn zum Sichern dargestellt. Ca. 15 m oberhalb links davon befindet sich mittlerweile ein gebohrter Stand. Diesen erreichte ich aufgrund massivem Seilzug allerdings nicht direkt und so nutzten wir das mit Schlingen bewährte Horn in Kombination mit Normalhaken zum nachsichern. Da die Normalhaken eher historischen Wert hatten, verstärkte ich den Stand mittels zweier Friends.

Bald erreichten wir das Mittagsband (Cengia Mediana). Es war ca. 11 Uhr und wir hatten noch 11 Seillängen vor uns.  

Direkt nach dem Band wartete die wertungsseitige Schlüssellänge der Tour (6a). Es handelt sich dabei um eine plattige Rampe, welche durch eine wülstige Kante rechts begrenzt wird und unter einem auffälligen großen Dach äußerst luftig nach rechts in eine Ecke quert. Die nächsten beiden Länge führten ebenfalls an einer Kante entlang (neben Normalhaken hier sehr gute Friend-Placements, welche den Kopf beruhigen).

Allein für diese Längen brauchten wir über eine Stunde und waren währenddessen erstaunt über die Fähigkeiten der Seischaften um Cassin über deren Routenfindungsknowhow.

In der auf die Kanten folgenden Länge (Quergang nach links, dann rechts von einem Kamin empor zu einem Block) stieg ich nach einem Normalhaken zu weit rechts hinauf und befand mich schnell in einer belegten Platte. Auf über 15 m fand ich keinerlei Sicherungsmöglichkeit und kämpfte mich mit aller Kraft hinter den auffälligen Block. Von dort ging es leicht zum nächsten Stand.

Bemerkenswert ist, dass Cassin bei der Erstbegehung hier sein 2. Biwak bezog, mit heutigem Informationsstand (Topo der Tour) und Ausrüstung (Kletterschuhe, Nylonseile, aktive Sicherungsmittel) kommt man in ein paar Stunden zu diesem Punkt.

Am Beginn der gerade gekletterten Seillänge brach ein telefonbuchgroßes Stück Tritt aus der Wand und sauste in die Tiefe - zum Glück war hinter uns keine Seilschaft!

Die letzte Länge vor den Kaminen rollte so dahin, schon standen wir unter dem 1. V-förmigen Kamin. David, der Bergführer beschreibt in (vermutlich) seiner Darstellung den Status der Kamine als trocken.

Wir erlebten das innere der Kamine als feucht bis nass - ich möchte nicht wissen, wie die Kamine zu klettern sind, wenn David diese als nass bezeichnet...

Im Topo wird die erste Kaminlänge als "arkward V-shaped Chimney" beschrieben (5b), ich kletterte im engeren Kaminteil seitlich stemmend und erreichte mit Ach und Krach die wesentlichen Normalhaken.

Die zweite und dritte Kaminlänge fühlten sich deutlich leichter an und ließen sich passabel absichern. Nach insgesamt 12,5 Stunden inkl. Pausen saßen wir nach Stunden im Schatten auf dem sonnigen Nordgrat. Nun lag nur noch die Traverse zum Hauptgipfel und schließlich zur Biwakschachtel vor uns. Durch die schweren Rucksäcke waren wir beide schon ordentlich mitgenommen und kletterten am kurzen Seil mit Zwischensicherungen hinüber.

Nach einer weiteren Stunde erreichten wir inkl. Pause am Gipfelzeichen die leere Biwakhütte. Nicht weit davon oberhalb (beim provisorischen Hubschrauberlandeplatz) befindet sich aktuell ein größerer fester Schneerest, der unter der schmutzigen Oberfläche einigermaßen sauberen Schnee zum Kochen hergibt.

In der Hütte selbst sind mittlerweile neben 6 Matratzen auch Decken vorhanden, sodass die kalte Nacht erträglich war.


Abstieg:

Am nächsten morgen stiegen wir wieder zum Gipfelsignal und seilten dort unterhalb (II) mehrere male zu einem breiten Band ab ( Stände und Weiterweg schwach rot markiert). Nach insgesamt 2,5 h standen wir am südseitigen Schneefeld und deponierten die Kletterausrüstung in den Rucksäcken. Im sulzigen Schnee stapften wir zur Gianettihütte. Dort, ganz italienisch, bot sich frischer Espresso und eine Pasta als Pausensnack an.

Vor uns lag nur noch 1400 hm Abstieg ins Val Massino (2-3 Stunden), welcher nach dem langen Klettertag und den Zustiegen schon ordentlich zusetzten. Der Steig selbst ist in weiten Teilen ausgebaut (T3) und wenig schwierig, aber eben lang, dabei landschaftlich sehr reizvoll.

Die Hüttenwarte der Gianettihütte hatten uns ein Taxi vorbestellt. Das selbe kann auch an der Imbissbude gegenüber des ehemaligen Hotels am Ende des Wanderweges bestellt werden. Die gute Stunde Taxifahrt, bei der die Fahrerin das Fenster stets offen hielt (wir fragen uns warum, hatten wir auf der Gianettihütte sogar Zähne geputzt und uns ein wenig gewaschen), kostete uns in Summe 200 EUR. Das war es uns nach dieser beinahe epischen Tour allerdings wert.

Eingesetzes Material:

• Friends (DMM) 0-3 häufig, <0 und >3 selten
• Klemmkeile (DMM) einmal eingesetzt
• Schlingen 60 und 120 cm, am Grat häufiger
• 60m Halbseile, genau richtig, da die simultan zu kletternden Längen bei voll ausgegebenem Seil gut 
  zwischengesichert werden können

Nicht eingesetztes Material:

• Hex 1-4
• Schlingen >120cm
• Steigeisen

Fazit:

Durch den neuen und längeren Zustieg und den Altschnee im Abstieg vom Passo Trubinasca (Alternative ggü. dem Abstieg nach Italien), war klar, dass es zeitlich eine lange Unternehmung werden würde.

Da wir Biwakzeug dabei hatten, kletterten wir vermutlich langsamer, als wenn wir es nicht dabei gehabt hätten. Gleichzeitig hatten wir dadurch keinen wirklichen Zeitstress.

Vermutlich auch durch den neuen Zustieg gab es keinerlei Staus und wir hatten die Biwakschachtel für uns allein.

Nicht zuletzt sorgte die geniale Linienführung in großteils perfektem Granit für stetig eindrückliche Momente. Die starke Ausgesetztheit der Cassin tat ihr Übriges zum perfekten Bergerlebnis.

Das Biwak ist zweckmäßig und liegt hübsch südseitig, sodass es morgens angenehm warm war.

Der Abstieg Richtung Italien ist recht gut zu finden und die Abseilen sind ausreichend von oben sichtbar markiert.


Alles in allem eine einmalige Bergfahrt, die wir nicht vergessen werden.





Tourengänger: hikemania


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Kommentare (6)


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Daniele66 hat gesagt:
Gesendet am 22. Juli 2019 um 21:18
Wow GRAN VIA :::::COMPLIMENTI.....Daniele66

hikemania hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2019 um 21:15
Mille grazie Daniele,
Le dita dei piedi fanno ancora male, ma è stato bello.,

Ciao

Andi

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 23. Juli 2019 um 00:06
Gratulation! Für Mitte Juli scheinen die Verhältnisse ja ziemlich gut gewesen zu sein.

hikemania hat gesagt: RE:
Gesendet am 23. Juli 2019 um 21:17
Kein Schnee in der Tour, dafür als Wasserversorgung am Gipfel war m.E. perfekt. Einige Zangenbänder (Schlüssellänge bis Kamine) hätten gern auch etwas trockener sein dürfen.

Grüße

Nyn hat gesagt:
Gesendet am 23. Juli 2019 um 23:37
Habe die Cassin im Spätherbst, am 19.9.91 gemacht.
Wir stiegen damals um 7 Uhr ein, haben für die Wand 8.5h bis zum G ipfel gebraucht, die N-Kante abgeseilt und kamen um 1/2 9 abends wieder an der Sasc Furä-Hütte an.
Das Schneefeld in Wandmitte haben wir nicht berührt. Ob es überhaupt da war, daran kann ich mich nicht recht erinnern. Dafür hatten wir vorher leider einen Verhauer, der uns über 1h kostete. (Wir kamen in der Querung vor dem "Schneefeld" zu weit nach links, wie so viele).
Die Schlüsselseillänge war trocken, auch die Kamine bis auf ganz wenige Stellen. Habe die Cassin als klasse Tour in Erinnerung, um so mehr freut es mich, dass sie wieder gegangen werden kann.

hikemania hat gesagt: RE:
Gesendet am 10. Januar 2022 um 20:05
manche Traumwege oder -Ziele laufen mir in jeder Disziplin über den Weg. Bei Dir schien es ähnlich zu sein.


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