Dies ist mein erster Tourenbericht auf hikr.org und leider, so muss ich sagen, direkt ein dramatischer. Dieser Bericht ist eigentlich weniger ein Tourenbericht, als mehr eine Geschichte, dennoch haben wir viele Bilder und einen Eindruck von der Tour werdet ihr in jedem Fall detailiert bekommen
Kurz zu meiner Person:
Meine Name ist Jörn ich bin fast 33 Jahre alt und gehe gemeinsam mit meiner Lebensgefährtin Julia in die Berge, zusammen seit mehr als 5 Jahren, allein etwas länger. Wir haben eine Alpenüberquerung hinter uns, gehen auch Hochtouren, haben 1,2,3 und 4000er bestiegen. Ich bin ausgebildeter Fitnesstrainer und habe lange Leistungssport betrieben ( Basketball Regionalliga, American Football 1. Schweizer Liga). Kurz gesagt, sportlich bin ich sicher ausreichend qualifiziert damit man, und das schliesst mich ein, meinen könnte was auf dieser Tour passiert ist, sollte mir nicht passieren, mehr dazu später.
Zur Tour:
Das Oberengadin und das kann ich mit Sicherheit sagen, zählt zu den schönsten Alpenregionen in denen ich je gewesen bin. Speziell diese Tour, denn sie startet bereits auf P2047 Metern und das bedeutet die Baumgrenze liegt bereits hinter uns. Der Einstieg der Tour befindet sich direkt hinter dem Parkplatz d.h. ihr könnt den ersten Wegweiser aus dem Auto schon sehen. Die Tour startet durch einige grosse Blöcke, bevor es direkt ziemlich steil weiter in Serpentinen bergauf geht, immer mit Sicht auf den wunderschönen Piz Julier. Details findet ihr auf den Bildern.
Direkt am Anfang hatte ich Probleme, da mir irgendwie ziemlich schlecht war, was sich aber recht bald erstmal gab. Die Tour ging weiter über grüne Wiese die mit kleinen und grösseren Felsen, sowie kleinen Wasserläufen durchzogen war, wie man auf den Bilder gut sehen kann. Nach den ersten 400 hm, die wir in etwa einer Stunde gegangen waren, machten wir eine Pause, das machen wir meistens so, da ich als Diabetiker meinen Blutzuickerspiegel regelmässig kontrollieren muss. Hierzu muss man wissen, dass dies zwingend erforderlich ist, da die Anzeichen einer Unterzuckerung in der Höhe weitestgehend ausbleiben, so auch diesmal ich stellte fest dass mein Blutzucker auf 54 mg/dl gesunken war. Das bedeutet für mich Riegel und Pause bis er wieder ein normales Level erreicht welches zwischen 80 und 150 liegt, wobei man sich auf einer Bergtour aus genannten Gründe besser im oberen Bereich bewegen sollte. Nach einer Weile als mein BZ wieder auf 85 gestiegen war und ich davon ausging er würde weiter steigen, gingen wir weiter.
Der Weg führte über grobes Blockgelände mässig steil weiter bergauf. Normalerweise komme ich über Blockgelände sehr gut und schnell voran, da ich hier meine Kraft ausspielen kann, nicht so heute. Ich wurde stutzig ob dieses Umstandes und beschloss nach weiteren 100 hm erneut meinen Blutzucker zu messen und tatsächlich war dieser wieder auf 52 gefallen. Das bedeutet nun, dass ich warten musste bis der Spiegel deutlich über 100 angestiegen war, da sonst eine Hypoglykämischer Schock drohte, bei dem ich mein Bewusstsein verlieren könnte. Was das in diesem Gelände bedeuten kann, muss ich wohl kaum erklären. Nach gewisser Zeit war mein BZ bei 159 und ich fühlte mich fähig weiter zu gehen.
Es ging weiter über Blockgelände und dann über ein Schneefeld, das sehr gut zu begehen war. Nach dem Schneefeld ging der markierte Weg weiter eine Anhöhe rauf in sehr steilen Serpentinen mit viel losem Material. Leider erwies sich dieser Weg als völlig unnötig, denn er ging auf der anderen Seite fast die selben HM wieder runter. Rechts dieser Anhöhe hingegen verlief eine Rinne in der noch wenig Schnee lag. Man hätte problemlos durch die Rinne gehen können ohne unnötiges auf und ab, ärgerlich!
Am Ende kam man vor einem Schneefeld raus über das man wieder auf den Weg kam. Das Schneefeld an sich war unschweirig nur danach sollte man ein wenig gucken wo man hintritt, da es sehr lose war. Wieder zurück auf dem Weg gingen wir hinauf zur Albana Scharte (P2870), die wunderschön liegt zwischen Piz Albana und dem Piz Julier mit fantatstischer Sicht auf den Piz Bernina. Alle 3 sind absolute Bergschönheiten! Die Scharte war auch unser Pausenplatz für die Mittagspause, die mich erneut veranlasste meinen Blutzucker zu messen. diesmal lag er bei 95 was okay war, denn wir wollten ja nun eh etwas essen. Die Sonne schien die ganze Zeit und es war angenehm warm, so man dem Wind etwas entkommen konnte. Ich fühlte mich gut, abgesehen von der herkömmlich Erschöpfung nach gut 700 HM.
Nach einiger Zeit gingen wir weiter es ging über einen schönen Grat der wenig Steil geradeaus und dann in leichter Kletterei (1. Grad) durch die schönen Felsen ging, als das Debakel begann. Ich kam keine 10 m voran ohne dass ich stehen beliben musste. Mein Freundin machte sich bereits Sorgen und fragte mich bald das erste Mal, ob ich es schaffen würde. Mehrmals habe ich geantwortet, dass ich meine Zeit bräuchte, aber es letztlich schon gehen würde. Normalerweise ist dieses Gelände genau mein Ding. Ich liebe die leichte Kletterei und komme hier vergelchsweise schnell voran, doch heut fehlte mir jede Energie und auch jede Sicherheit, sodass ich bald das erste mal überlegte, ob ich weitergehen sollte. Noch 2 mal entschied ich mich dafür, als dann das geschah wo ich nie dachte dass es mir passieren kann. Ich bekam eine Panikattacke. Diesen Zustand zu beschreiben ist recht schwer, zusammenfassend kann man sagen, dass einem die Nerven versagen und einem alles an der Umgebung in der man schon x mal gewesen ist lebensgefährlich erscheint. Ich begann zu hyperverntilieren und zu weinen. Meine Freundin kam mir zur Hilfe und wir blieben etwa 15 Minuten auf einem kleinen Absatz sitzen bis ich mich beruhigt hatte. Unweigerlich mussten wir absteigen ohne den Gipfel zu erreichen, zum allerersten Mal überhaupt. Die Unterzuckerungen, meine Mangel an Schlaf über die Woche,Nachwirkungen kleinerer Magenschweirigkeiten und meine nicht 100% gute Kondition hatten sich summiert und dafür gesorgt, dass mein Körper mir ein deutliches Signal sendete, da mein Kopf nicht einsichtig genug war.
Der Weg runter war wenig spassig auf Grund meines Zustandes fehlte es an der Sicherheit die ich sonst noch immer hatte. Runter bis zur Scharte ging es in schon erwähnter leichter Kletterei und danach recht heikel über viel losen Schutt und Geröll bis das Gelände ebener wurde und wir in Serpentinen vorbei an schönen Flussläufen abstiegen.Sehr ironisch war dann, dass wir keine 10 Minuten auf dem Abstieg waren als der Rettungsheli über dem Piz Julier stand, vielleicht ein Zeichen? Der Rest verlief dann über einen Wanderweg bis nach Champfer, der wie auch der Rest dieser Tour sehr sehr schön war.
Zur Tour an sich sei noch gesagt, dass es im Bereich Bergwandern eine schwere Tour ist die so gut wie alles abverlangt was in diesem Bereich möglich ist, allerdings auch fast alles an Schönheit zu bieten hat!
Was ich am Ende aus dieser Sache gelernt habe ist, dass es auch mit viel Erfahrung und grundsätzlicher körperlicher Leistungsfähigkeit Situationen geben kann in der wir uns dem Berg geschlagen geben müssen. Selbst dann wenn der Berg eigentlich weniger schwer ist, als das was wir eigentlich können. Ich glaube ich kann mit gutem Gewissen sagen, dass wenn diese Sache mir passiert, sie auch jedem anderen passieren kann.
Piz Julier? I`ll be back!
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