Kurzbericht 

Nadelhorn 4327m fast, außer Spesen nix gewesen


Publiziert von Dolmar , 17. Juni 2017 um 10:17.

Region: Welt » Schweiz » Wallis » Mittelwallis
Tour Datum:11 Juni 2017
Hochtouren Schwierigkeit: WS
Ski Schwierigkeit: WS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: CH-VS 
Zeitbedarf: 2 Tage
Aufstieg: 2530 m
Abstieg: 2530 m

Sonntag 11.06.2017, kurz nach 9:00 Uhr, ein Fuß steckt in der Spalte, Die tschechische 
3-er Seilschaft schaut mir von weitem zu wie ich meine beiden Eisgeräte ins weiße Eis im Hang einschlage und mich so aus der misslichen Lage rausziehe, Gott sei Dank ohne mich verletzt zu haben. Die Spalte war auch nicht sonderlich breit, der ganze Markus hätte wohl nicht einbrechen können, jeden falls nicht an dieser Stelle.
Die 2 1/2 Std. Sonne haben die morgendliche Brücke morsch werden lassen. 
Noch ein kurzer Wortwechsel mit der tschechischen Seilschaft, gleich darauf schnalle ich meine Ski unter die Füße und fahre das Windjoch in gerade noch schönem Sulz hinunter auf den Hohbalmgletscher.
Weit ins Becken ausholend um die Spaltenzone auch wirklich zu umfahren. Am morgen beim nächtlichen Aufstieg bin ich über zwei bedrohliche Risse gelaufen, dessen Ursprung erst später vom Windjoch aus zu erkennen war, bzw. ich lieber nicht wissen will wie es ganz genau unter den schmalen Rissen aussieht welche sich durch die schlanken Mulden im sonst flachen Gletscherboden ziehen. 
Nach einer 1/4 Std. ist das Skivergnügen schon zu Ende. Am Schwarzhorn binde ich die Ski wieder auf den Rucksack und beginne den Abstieg über den leichten Klettersteig hinab zur Mischabelhütte. Auf halbem Wege kommen mir noch zwei Italiener entgegen, Sie wollen noch auf das Nadelhorn, Starke Leistung der beiden, von Saas Fee aus bis zum Nadelhorn in einem Rutsch. Bei der tageszeitlichen Erwärmung aber auch etwas riskant. Mir persönlich war der Gletscher schon zu schlecht eingeschneit, die Spalten sind doch eher tückisch überschneit bei der dürftigen Schneelage. Ob oder ob nicht, entscheidet jeder für sich, mein Weg zeigt klar 180° Grad in die andere Richtung nach unten.

Freitag Nachmittag 09.06.2017, ich bin am packen, meine letzte Skitour für diesen Winter und meine letzte Steilwand steht auf dem Plan. Eine Mischung aus Vorfreude und Anspannung oder vielleicht auch des Wissens eine Mort´s Plackerei vor mir zu haben, lassen meinen Pulsschlag bereits beim packen hochschnellen, Fragen über Fragen, wird es gehen, wie sind die Verhältnisse, reicht der Schnee oder eventl. gar zu viel davon, was nehme ich alles mit. Die Hütte ist noch unbewartet also muss Verpflegung auch mit.
Letztlich hat alles rein gepasst was als unentbehrlich gilt. Die Glotze vor dem zu Bett gehen hilft mir die Anspannung /den Puls runter zu bekommen.

Samstag 10.06.2017, Stau vor dem Nordportal Gotthard, ich fahre bei Wassen ab, über den Furkapass ins Goms und erreiche nach 5 Std. hinter dem Lenkrad Saas Fee um 10:30 Uhr.
Auf knapp 1800m hat es erstaunliche 27 Grad, welche mich wenig später unbarmherzig ins schwitzen bringen werden. Ziehen und zurren an den Bändern des Rucksackes bis die Ski an den prallen Sack gebunden sind, nun noch die Skischuhe in die Bindung klippen, alles dran super noch liegt er am Boden.
Es braucht schon ein wenig Kraftanstrengung den Sack auf zu schultern, ja die Last drückt schwer beim Gang durch das Dorf "Saas Fee", Letztes Jahr war das auch nicht anders die Leute schauen einen an als ob ich einen Affen durchs Dorf tragen würde, zeitweilig meine ich auch einen Affen mitzutragen und zwar einen dicken, oder doch einen zu haben.
Bei der Kirche in der Dorfmitte geht der Wanderweg ab, den Hang hinauf zwischen Hotels und Ferienwohnungen und es wird nie mehr flach werden bis zur Hütte. Ein kurzes Wäldchen spendet ein letztes mal reichlich Schatten. Bereits wenige Minuten später bin ich mir nicht mehr sicher ob ich mit dieser Tüte (Affen) auf dem Rücken überhaupt die geringste Chance besitze jemals auch nur die Hütte zu erreichen. Beim Aufstieg zum Trift über den Schöneggen bekomme ich merklich den richtigen Dreh raus, soll heißen ich finde nach und nach meinen Rhythmus kleinste Schritte ganz langsam aber stetig wird zum gewinnenden Aufstiegsstil, Nach dem Tritt liegen die letzten alten knorrigen Schatten spendenden Lärchen zurück, jetzt muss die Suncreme halten. Nach 2 Std. erreiche ich ca. auf Höhe 2800m unter dem oberen Distelhorn den Soft-Klettersteig. Mit sperriger Traglast wie z.B einem Affen (Ski und Schuhe) ist aber auch ein Soft-Klettersteig nicht immer ganz einfach zu begehen, mann eckt halt doch mal an. Zermürbend wirkt sich aus, das die Mischabelhütte fast während des ganzen Zustiegs zu sehen ist, aber nicht wirklich merklich näher kommt, hier passt der Algorithmus nicht mehr zusammen, das Verhältnis von schwindender Kraft zu schwindender Entfernung  klafft immer weiter auseinander. Ich weiß nicht was mir mehr zusetzt ist es die Hitze oder der Affe auf dem Rücken oder doch der im Kopf, jedenfalls muss ich am Grat bald allenthalben anhalten um zu verschnaufen. Manchmal glaube ich schon nach wenigen erneuten Schritten am Ende meiner Kräfte zu sein.
Nein eine solche Plackerei mache ich nie wieder, (was ich mir schon des öfteren eingeredet habe).
Auch die schlimmste Plackerei hat ein Ende und so erreiche ich nach 4 1/2 Std. Aufstieg um 16:00 Uhr die Mischabelhütte.
Zwei Vorarlberger und 3 Tschechen sind schon zugegen, so komme ich in den Genus bereits zubereiteten Tee genießen zu dürfen. Und ich brauche viel Tee, wir tauschen uns aus was wer morgen vor hat.
Die Ösis wollen die Dreieselswand gehen mit Gratüberschreitung zum Nadelhorn, Die Tschechen das Nadelhorn und eventl. noch das Stecknadelhorn und ich, bin der einzige mit Ski hier, will auch auf das Nadelhorn, dann mit den Ski den Grat so weit als möglich Höhe haltend zum Stecknadelhorn queren und die Ostwand abfahren, ein Bögele zur Hobärghorn Ostwand ziehen und diese aufsteigen und wieder abfahren und letztlich über das Windjoch zurück. Eine sportliche Aufgabe, dessen Bewältigung ich mir nicht mehr sicher bin, so wie ich heute hier auf der Hütte angekommen bin.
Nach dem Nachtessen ruft für die Ösis und mich schon um 19:30 Uhr die Matratze.
Am Sonntag morgen (Nacht) klingelt um 2:15 Uhr der Wecker.
Ohne große Überwindung schäle ich mich aus den Decken. Um diese Stund ist das frühstücken eine Überwindung für mich, lediglich eine Scheibe Zopfbrot will die Speiseröhre hinabgleiten nebst dem Kaffee.

Eine 1/4 Std. nach den Ösis verlasse ich um 3:00 Uhr die Hütte mit den noch schlafenden Tschechen.
Die Ski sind für eine weiter Std. aufgebunden es geht wiederum über den Grat per Soft-Klettersteig bis zum Schwarzhorn. Hier kann leicht auf den Hohbalmgletscher zugestiegen werden.
Endlich kann ich die Ski unter die Füsse schnallen und ziehe in einem Boden ausholend über den flachen Gletscher, passiere zwei schmale Risse, welche mir im fahlen Licht meiner Stirnlampe Unwohlsein bereiten. Die Schneedecke ist durch die Abstrahlung gut gefroren hier bricht schon nix ein. Auf der anderen Seite des Gletscherbeckens geht es steil hinauf zum Windjoch, kurz vor dessen erreichen begüsst mich auch schon der neue Tag mit herrlichen Stimmungsbildern, einem Sonnenaufgang über der Bergen welcher begeistert.

Am Windjoch kann ich dann zum ersten mal das Ziel meiner Anstrengung sehen, und was ich sehe gefällt mir so gar nicht.
Die beiden Ostwände haben bereits zu wenig Schnee, der Firn ist auf weite Teile fort, es sind zwei mehrheitliche Eiswände. Aber auf Eis kann ich nicht skifahren. Ich wäge nicht einmal ein für oder wieder ab, die Entscheidung lautet gleich, nein das geht nicht, Das Hohberghorn auf gar keinen Fall und das Stecknadelhorn, was vom Windjoch aus zu sehen ist auch nicht, sicherlich hat auch die Anstrengung bis hier her mit entschieden.
Ich lasse meine Ski also am Windjoch zurück und wechsle auf die Steigeisen.
Der lange Grat zum Nadelhorn, wirkt vom Hohbalmgletscher aus eher flach, doch das täuscht, es sind immer wieder recht steile Passagen zu überwinden, nebst gutem Trittschnee in Firn, kommen zwei heikle kurze Eispassagen vor, die Frontzacken kommen hier voll zum Einsatz. Wie so oft wohl auch der zunehmender Höhe geschuldet nimmt auch dieser Grat gefühlt kein Ende, weitere Einblicke in die Stecknadelhornwand zeigen an, das weit links wohl eine Skiabfahrt möglich gewesen wäre. Nun sind die Ski aber nicht dabei.
Kurz vor dem Blockgrat steilt es nochmal auf, Auf hartem Eis mit brennenden Waden geht es nun Mixed hinauf zu einem Ost/West Gartabsatz im Gipfelaufbau. Hier quere ich auf die Nordseite da ein weiteres kleines Eis/Firnfeld in dem Trümmerhaufen aus Granit/Gneis Scherben den besten weiteren Aufstieg suggeriert. Das geht auch ganz gut, bis an dessen Ende das Eis so dünn wird, das die Eisgeräte das Eis in Scherben schlagen und keinen halt mehr finden, darunter liegende lose Felsplatten sind da auch nicht besser. Ich beschließe hier kurz unter dem Gipfel (ca. 20m) umzukehren, das wird zu heikel, zumal ja auch das Retoure auch noch gekommen wäre. Vorsichtig geht`s wieder runter, ein Ausrutscher hier hätte mich auf der Mattertal Seite verschwinden lassen. Im nachhinein bin ich wohl an der falschen Stelle gewesen, da es nicht als besonders schwierig gilt oben an zu kommen. 

Vorsichtig steige ich den langen Ostgrat hinunter zum Windjoch, Mal auf Frontzacken, meistens aber seitlich in kleinen Schritten. Erst recht weit unten geht das mit dem Gesicht voran, der Firn ist durch die                   2 1/2 Std.Sonneneinstrahlung schon weich geworden. Kurz vor dem Windjoch kommen kleinere Spalten. Mit mächtigem Puls überquere ich die obere, ein pauschales darüber hüpfen geht hier nicht, da die Spalte im Hang liegt, eine weitere kleine Spalte ist noch gut tragend überdeckt.
Die tschechische 3-er Seilschaft kommen angeseilt vom Windjoch herauf entgegen.
Eine letzter Spalt im Eispanzer des Ostgrates habe ich noch vor mir.
Die Schneebrücke wo vor 2 1/2 Std. noch gehalten hatte, gibt nach und ich breche mit einem Bein in die Spalte ein. OK, die ist nun wirklich zu klein um mich zu verschlucken, bin froh, das es mir nicht den Fuß verdreht oder sonstig verletzt hat. Mit erhöhtem Adrenalinspiegel packe ich meine Eisgeräte am Schaft.

Der Rest ist bekannt.

Resümee: Die Schneelage war eindeutig zu dürftig für mich als Alleingeher. Nicht nur das ich nicht zum Skifahren gekommen bin, nein auch ist die Zeit von gut tragenden Schnee/Eisbrücken auf dem Gletscher vorüber, Eine problemlose Begehung von spaltigen Gletschern kommt für mich erst wieder im August in Frage, wenn die Spalten offen bzw. sichtbar sind. (je nach Gletscher zu entscheiden).

Tourengänger: Dolmar


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