Mohrenkopf


Publiziert von quacamozza , 19. Oktober 2016 um 21:03.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:17 Oktober 2016
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: A 
Zeitbedarf: 3:30
Aufstieg: 700 m
Strecke:Schönenbachvorsäß-Unterspitzalpe-Haldenalpe-Mohrenkopf-Almisguntenalpe-Schönenbachvorsäß (10 km)
Kartennummer:"die amtliche" Umgebungskarte 1:50 000 UK 50-47 Allgäuer Alpen

Nach 5 aktiven Jahren habe ich zum Jahreswechsel mit dem Schreiben von Tourenberichten auf hikr aufgehört. Diese Absicht hatte ich auch mit längerer Vorlaufzeit kommuniziert.

Mehrere Leute haben mich seitdem angeschrieben mit der Bitte, ich solle doch nicht ganz aufhören. In der Zwischenzeit habe ich lange überlegt und mich dazu entschlossen, zumindest eine gewisse Zeit lang noch den einen oder anderen Bericht einzustellen, allerdings nicht mehr jede Unternehmung und auch nicht mit dem Perfektionsanspruch früherer Jahre. Die Qualität soll allerdings nicht leiden.


Heute ist der bis auf weiteres letzte Tag des Oktobers 2016, an dem Steilgrastouren vernünftig zu verantworten sind. Deshalb nehme ich Euch mit auf einen besonderen Berg.


Der Mohrenkopf (1645m) gehört für den Durchschnittsbergsteiger sicherlich nicht zu den Traumzielen im Allgäu. Vielen vermeintlichen Allgäukennern ist er nicht einmal namentlich bekannt. Die ewig lange Anfahrt aus dem zentralen Allgäu, die niedrige Gipfelhöhe, der anspruchsvolle, mühsame Aufstieg oder auch die stark eingeschränkte Sicht vom Gipfel sind nicht gerade gute Argumente für einen Tourenvorschlag, der das Potenzial hat, für viel Andrang am Berg zu sorgen. Im AVF steht denn auch nicht zu Unrecht: kaum je begangen.


Der einzige logische Anstiegsweg ist der Nordgrat, welcher zeitweise scharf ausgeprägt ist. Auf den obersten, äußerst steilen 130 Höhenmetern, über die der Anstieg verläuft, verliert der Grat zwar hin und wieder an Deutlichkeit. Orientierungsprobleme sollten aber trotzdem keine aufkommen. 

Mit der Besteigung kann man sich übrigens Zeit lassen. Während die Grünen Köpfe nebenan mittlerweile ganzjährig gesperrt sind und man etwa am Unterfellekopf mit unzähligen Belehrungen und jagdlichen Einrichtungen am Wegrand konfrontiert wird, ist der gesamte Mohrenkopf frei zugänglich und Stand heute (noch) nicht Opfer eines übertriebenen Herrschafts- und Nutzungswillens jagdberechtigter Eigentümer.  

In jedem Fall ist es ein formschöner und individueller Gipfel, der bereits von der Zufahrtsstraße von Bizau nach Schönenbach ins Auge fällt. Die schönsten Momente des Tages genieße ich allerdings nicht auf dem Gipfel, sondern an der nach der Alpzeit sehr einsamen Almisguntenalpe (1477m). Hier hat man wirklich seine Ruhe vom Alltagsstress.

Auf dem Gipfel oder nach der Tour hat man sich zwar die passende, in meiner Jugend noch gleichnamige Süßigkeit verdient, der Name stammt aber vielmehr vom dunklen und dichten Baumbestand, der in den steilen Flanken vorzufinden ist. Davon bekommt man freilich auf dem Nordgrat nicht allzu viel mit. Die Tour ist eine reine Steilgrasfahrt ohne jede Wurzelkletterei.



Zur Schwierigkeit:

Bis zum Wandfuß leichte Wanderung auf breiten Forstwegen, danach Steilgraskletterei, kurzzeitig bis zu 70 Grad, meist um die 55 Grad, allerdings nur unten geringer.
Der Pickel ist notwendiger Ausrüstungsgegenstand. Einen Helm sollte man vernünftigerweise aufsetzen, da sich oft Gämsen in der steilen Flanke aufhalten. Steigeisen helfen ebenfalls, vor allem bei Nässe oder wenn das Sohlenprofil der Schuhe nicht mehr taufrisch ist.



Zum Zeitbedarf:

P Schönenbachvorsäß-Schönenbach-Unterspitzalpe: 30-35 min
Unterspitzalpe-Haldenalpe: 20 min
Haldenalpe-Mohrenkopf: 40 min
Mohrenkopf-Haldenalpe: 40 min
Haldenalpe-Almisguntenalpe: 10-15 min
Almisguntenalpe-Schönenbachvorsäß: 1 Std


Los geht's auf dem Parkplatz gut 500 Meter vor Schönenbach (1030m). Die Zufahrtsstraße ist bei geschlossenem Gasthaus Egender mautfrei, also zum Beispiel in den Monaten November und April. Ansonsten sind 3 € Tagesgebühr fällig, die zu verschmerzen sind, wenn man etwa an die 7 € denkt, die mittlerweile am Vilsalpsee fällig werden.

Man könnte direkt vom Parkplatz über die Wiese auf den alten Wanderweg hinaufsteigen. Dadurch erspart man sich einige Minuten. Ich gehe jedoch schon aus Neugier zunächst in den Weiler hinein und folge dann dem ausgeschilderten Wanderweg Richtung Hirschberg.
Kurz vor einer markanten Kehre (ca. 1120m) kommt man auf den bequemen Forstweg, der in gemächlicher Steigung weiter aufwärts führt. An der nächsten Abzweigung (ca.1190m; geradeaus geht's zum Hirschberg) scharf nach links zur Unteren Unterspitzalpe (1243m).

Durch ein längeres Waldstück hinauf zu den Matten der kleinen Haldenalpe (1370m). Ab hier ist der Blick auf den weiteren Aufstiegsweg frei. Kurz nach der Alpe verlässt man den Weg in der Nähe eines ausgedehnten Erlenfeldes. Nebenan verläuft ein Grasrücken, über den man zunächst in moderater Steigung an Höhe gewinnt.

Bald nimmt die Steigung zu, und das Gelände wird stotziger. Im Aufstieg habe ich die oben ausgeprägte Grasrippe bis kurz vor Erreichen des flachen Nordgratstückes verfolgt. Um in Gratnähe unangenehme Querungen im Steilschutt zu vermeiden ist es allerdings besser, gleich unten über einer markanten Kanzel mit Baumbewuchs auf die linke Rippe zu queren, um kurz darauf noch einmal nach links zu wechseln, um den weniger steilen Hang in Falllinie des Nordgratansatzes zu erreichen. So kann man auch das sicher mühsame Erlengestrüpp (das Rappenköpfle lässt grüßen) vermeiden.
Über den flachen Teil des Nordgrates an den Gipfelaufbau (ca. 1530m). 


Eine der drei anspruchsvollsten Stellen kommt sofort am Beginn. Die Steilheit liegt zwar nur bei etwa bei 55 Grad, das Gras ist auf einigen Metern aber extrem schlecht gestuft. Außerdem ist es wie auch bei den anderen beiden Stellen moosig-feucht, und die Felsen liegen nur wenige Zentimeter unter dem Grün, so dass sich der Pickel erst mal seinen geeigneten Platz im Gelände suchen muss.

Auch auf den folgenden Höhenmetern findet sich in der Grasflanke keine Möglichkeit zum Ausruhen. Es geht steil nach oben. Schnell ist ein Miniaufschwung erreicht, der sich wegen der darin befindlichen glitschigen Felsen nicht direkt angehen lässt. Hier soll es nun nach AVF zwei Möglichkeiten geben.

Ich habe mich für die Variante rechts herum entschieden, um am Grat bleiben zu können. Eine kurze Querung, danach kommt eine ausgesetzte, aber noch moderate Passage, die dann aber wenige Meter oberhalb in die Schlüsselstelle und damit ins 70 Grad steile Gras führt. Über die gut 5 Meter helfen zwei Fichtenäste, die dicht über dem Boden wachsen. Diese Stelle ist im Abstieg übrigens angenehmer, da man sich sehr gut an den Ästen festhalten und hinablassen kann. Arbeitshandschuhe, danke für den Hinweis, liebe Syoko, sind nicht notwendig. Später trifft man auf junge Fichten, bei deren Kontakt man sich durchaus kleinere Wunden abholen kann, die sich aber ebenfalls als Hilfsmittel eignen.

An einem markanten abgestorbenen Baumstamm rechts vorbei (gute Orientierungshilfe für den Abstieg) führt die Kletterei in den Schlusshang. Der ist recht gut zu begehen. Zwischendurch kommt unter einer Fichte die einzige Möglichkeit, die Beine etwas zu lockern. Direkt unter der Gipfelschneide wartet die letzte anspruchsvolle Stelle. Hier muss wiederum über moosigen Untergrund nach rechts gequert werden, um ins leichtere Gelände zu gelangen (schwierigste Passage des Abstiegs).

Über den kurzen Gipfelgrat, den Bäumen rechts ausweichen und wieder nach links hoch auf den Gipfel des Mohrenkopfs (1645m), auf dem sich nur ein Stangenrohr befindet. 
Ich habe sogar ein Gipfelbuch dabei, das aber nirgends vernünftig zu deponieren ist. So oder so werden sich die Besteigungszahlen in überschaubaren Grenzen halten.

Geht man einige Schritte nach Süden über den weichen Untergrund des Gipfelgrates bietet sich ein schöner Ausblick auf die beiden Grünen Köpfe. Zwischen den dicht stehenden Fichten erkennt man tief unten die Almisguntenalpe, die ich später besuchen werde.


Nach erfolgreichem Abstieg gehe ich zur nahen Almisguntenalpe (1477m), an der sich in der Nebensaison ungestört rasten lässt. Der starke Wasserstrahl an einer Viehtränke kann gut zur Reinigung diverser Ausrüstungsgegenstände genutzt werden. 

Zurück wandere ich ganz chillig auf dem Hinweg nach Schönenbach, wo bereits die Vorboten des nahenden Wetterwechsels spürbar werden. Kurz nach der Abfahrt gießt es in Strömen.


Fazit: Eine Tour, die man nicht unbedingt gemacht haben muss, aber eine in der Nebensaison wohltuend einsame Gegend.








Tourengänger: quacamozza


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen

T4
26 Mai 12
Luguntenkopf und Sienspitze · Kauk0r
T5- L
28 Mai 15
Sevischrofen und Sienspitze · Kauk0r
T6 III
6 Nov 18
Diedamskopf Nordostgrat · quacamozza
T6 II
T2
12 Jul 12
Bad Reuthe - Hinteregger · goppa
L
5 Jul 12
Bad Reuthe - Schönenbach · goppa
T4+
29 Mai 15
Wasenkopf · quacamozza

Kommentare (4)


Kommentar hinzufügen

Nic hat gesagt: Welcome back! ;-)
Gesendet am 20. Oktober 2016 um 05:58
Hallo Ulf,

schön das es nun endlich mal mit dem Mohrenkopf geklappt hat und du dich dazu entschlossen hast deine Erlebnisse mit uns zu teilen. Für mich ist dieser Bericht übrigens perfekt... ;-)

VG Nico


quacamozza hat gesagt: RE:Welcome back! ;-)
Gesendet am 21. Oktober 2016 um 20:41
Hallo Nico,

danke für Deine Nachricht. Dann hoffe ich, dass Dir auch meine nächsten Berichte gefallen. Es wird tendenziell weiter Richtung Westen gehen, ein Tourengebiet, das von Dir sehr weit weg gelegen, aber durchaus interessant ist.

Lieben Gruß
Ulf


83_Stefan hat gesagt:
Gesendet am 20. Oktober 2016 um 21:39
Na dann willkommen zurück ;-) !

quacamozza hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. Oktober 2016 um 20:51
Hallo Stefan,

ein gewisses Interesse an meinen Berichten scheint es zu geben. Das ermutigt natürlich.

Vielen Dank auch für Deine Unterstützung.

Lieben Gruß
Ulf



Kommentar hinzufügen»