Kultur des Abendlandes - UNESCO-Welterbe Kloster Reichenau


Publiziert von PStraub , 30. November 2015 um 08:22.

Region: Welt » Deutschland » Alpenvorland
Tour Datum:26 November 2015
Wandern Schwierigkeit: T1 - Wandern
Wegpunkte:
Geo-Tags: D 

Nach einem eher „berglastigen“ Sommer machten Irène und ich eine Rundreise im südlichen Deutschland, die uns durch gut 1000 Jahre Geschichte auf den Spuren der abendländischen Kultur führen sollte. Jener Kultur, die derzeit durch politisches Gutmenschentum verraten und verleugnet wird ..

Unsere erste Station war die

Klosterinsel Reichenau (UNESCO-Weltkulturerbe seit 2000)

Die Klosterinsel Reichenau im Bodensee ist ein herausragendes Zeugnis von der religiösen und kulturellen Rolle eines grossen Benediktinerklosters im Mittelalter. Die drei romanischen Kirchen der Insel aus dem 9. bis 11. Jahrhundert veranschaulichen die frühmittelalterliche Architektur in Mitteleuropa. Die sorgfältig restaurierten Wandmalereien zeigen die Reichenau als künstlerisches Zentrum mit grosser Bedeutung für die europäische Kunstgeschichte des 10. und 11. Jahrhunderts.
Die drei Reichenauer Kirchen gelten als geistige Vororte des Abendlandes zur Zeit der Karolinger und Ottonen.
Das Marienmünster, ehemals die Klosterkirche, wurde 816 geweiht. Besonders markant in der dreischiffigen Basilika sind der gewaltige Dachstuhl und die reiche Schatzkammer.
St. Georg in Oberzell ist berühmt für die monumentalen ottonischen Wandmalereien aus dem 10. Jhd.
St. Peter und Paul in Niederzell wurde 799 geweiht. Sehenswert sind die prächtige Orgel und die romanischen Apsismalereien.

(UNESCO-Text, gekürzt)

Video "Schätze der Welt - Erbe der Menschheit" 

Schon kurz nach der Gründung 724 verliess der Gründer Pirmin sein Kloster. Der Chronist Hermann der Lahme schrieb, Teudebald, der Bruder des Alamannenherzogs, hätte ihn vertrieben, „ob odio Caroli“, also aus „Hass auf Karl“ (Martell). Obwohl das vermutlich nicht stimmt - Wanderprediger blieben selten lange am gleichen Ort - schien es glaubhaft genug. Der austrasische maior domus (eher verwirrlich mit 'Hausmeier' übersetzt) Karl Martell hatte in brutalen Schlachtzügen das zersplitterte merowingische Reich wieder einigermassen geeint. Und sich so jede Menge Feinde geschaffen. Dass er dabei die Araber bei Tours und Poitiers (732) geschlagen und sie so am weiteren Vordringen nach Norden gehindert hatte, war eher ein Abfallprodukt seines Kampfes um Aquitanien als eine geplante "Rettung des Abendlandes". Wenn also Karl seinen Protegé Pirmin ein unabhängiges Kloster mitten im „Freundesland“ gründen liess, war das für den alamannischen Stammesherzog eine klare Ansage. Erst das Blutgericht zu Cannstatt (746) löste die Spannungen. Auf eine für die heutige Zeit eher radikale Weise.

Die Bedeutung der Klöster bis ins späte Mittelalter kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie waren Zentren der Bildung. Von ihnen aus wurde die Urbarmachung weiter Landstriche organisiert. Zudem dienten sie als Kaiserpfalzen. Das Reich hatte keine Hauptstadt, seine Herrscher reisten von Pfalz zu Pfalz. Da wussten sie den Komfort der vergleichsweise gut gebauten Klosteranlagen sicher zu schätzen.
Doch vor allem dienten sie und die bischöflichen Kurien als königliche Verwaltung. Man darf nicht vergessen: Heute hat jede Kleinstadt mehr Angestellte als das ganze Heilige Reich zu seinen Glanzzeiten.

Seit 1992 gibt es auch UNESCO-Weltdokumentenerbe (Memory of the World). Eines davon sind die

Reichenauer Handschriften (UNESCO-Weltdokumentenerbe seit 2003)
Die Handschriften aus dem Kloster Reichenau gelten als herausragende Beispiele der ottonischen Buchmalerei. Sie illustrieren in ganzen Bilderzyklen das Neue Testament, das Leben Jesu und die Evangelien. Um die 40 Codices umfasst der erhaltene Bestand der "Reichenauer Malerschule".

(UNESCO-Text, gekürzt)

Auffällig ist der Cluster von uralten kirchlichen Institutionen in der Gegend: Konstanz, das flächenmässig grösste Bistum des Reiches (seit etwa 585), das Kloster St. Gallen (seit 719), das Kloster Rheinau (seit 778) und, etwas weiter weg, aber - für einen Glarner wichtig - das Kloster Säckingen (frühes 6. Jhd.).

Nächste Etappe: Würzburg

Tourengänger: PStraub
Communities: UNESCO-Welterbe


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Kommentare (2)


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ossi hat gesagt: Gutmenschen
Gesendet am 10. Februar 2016 um 21:26
Dann bin ich aber froh, dass uns ein paar Schlechtmenschen beschützen.

PStraub hat gesagt: RE:Gutmenschen
Gesendet am 13. Februar 2016 um 09:14
Gut und schlecht sind moralische Kategorien. Davon verstehe ich nichts.

Hingegen verstehe ich einiges von Geologie und Geschichte.

Bei beiden werden lange Zeiträume betrachtet.
Und beide zeigen: Ähnliche Voraussetzungen führen zu ähnlichen Ergebnissen.
In Krisensituationen ist hin- statt wegschauen gefragt.
Doch dann müsste man ja handeln - und das ist in etwa das Letzte, was Politiker tun wollen ..


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