Von Randa auf das Täschhorn
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Der Sommer verging, und mit ihm die Chance auf eine lange ersehnte Besteigung des Täschhorns. Als alle Hoffnung schon beinahe verflogen war, kündete sich im letzten Moment unerwartet der Altweibersommer an, und nach den Schneefällen von vergangener Woche stand ein schönes und mildes Herbstwochenende bevor. Am Mischabelgrat würde zwar noch zuviel Schnee liegen, aber villeicht waren dafür die Firnverhältnisse in der Kinflanke umso besser? Als ich mich auf der Kinhütte telefonisch erkundigen wollte, las ich auf der Homepage mit leiser Enttäuschung, dass die Kinhütte am Vortag, d.h. am 20. September ihre Türen bereits geschlossen hatte. So blieb mir nichts Anderes übrig, als wie die Erstbesteiger J.L. Davies und J.W. Hayward mit den Führern Peter-Josef Summermatter, Johann Zumtaugwald und Stephan Zumtaugwald am 30. Juli 1862 direkt von Randa aufzusteigen, auch wenn natürlich die Anreise mit dem Pferdegespann, die historische Bergsteigerkluft, das britische Understatement und der sonnengereifte Walliser Humor, wie sie sich standesgemäss für eine echte Retrotour gehören, fehlen würden...
Ich packte meine sieben Sachen in meinen Hippie Bus - einer CO2-Schleuder par excellence -, fuhr nach Randa und campierte auf einem Parkplatz auf der Höhe der Kirche. Bei einem abendlichen Rundgang durch das beschauliche Bergdorf bewunderte ich seine eindrücklichen alten Käsespeicher und Holzhäuser, an denen ich ehrwürdige Namen wie Pollinger oder Summermatter lesen konnte, und genoss die herbstliche Dorfatmosphäre. Als ich auf der Hinterlade ein Sandwich ass und Zeitung las, spazierten ein paar Leute mit Kindern oder Hunden vorbei, und ein Jäger spiegelte nach Wild hinüber zu Grossgufer und Schusslauizug. Bald nachdem ich mich zeitig in den Schlafsack gehüllt hatte, ebbte der Autoverkehr auf der nahen Strasse Richtung Täsch und Herbriggen langsam ab, und die nächtliche Stille wurde nur noch von fernen Schafglöckchen und alle halbe Stunden vom Tuckern und Pfeifen der Mutter-Gottes-Bahn unterbrochen.
Bei sternenklarer und mondheller Nacht ging ich um 2 Uhr los. Über dem Lärchenwald brauchte ich die Stirnlampe kaum mehr, und das gegenüber liegende Weisshorn leuchtete im blendenden Mondlicht. Bei der Abzweigung vom Europaweg zur Kinhütte auf 2224m dann die erste Ernüchterung: "Dieser Weg ist gesperrt! Umleitung zur Kinhütte via Edelweissweg" stand dort auf einem Anschlag geschrieben. Da ich nicht wusste, wo der Edelweissweg durchführt, folgte ich trotzdem dem Hüttenweg, ohne aber einem ernsthaften Hindernis zu begegnen. Hatte villeicht Felssturzgefahr Anlass zur Sperrung gegeben?
Nach dem Monduntergang war der Übergang von der Moräne über den abschüssigen, heiklen und zeitraubenden Moränenhang zum Kingletscher nicht leicht zu finden, und bei Tagesanbruch suchte ich den Einstieg zu den frisch verschneiten und wenig einladenden Kinfelsen vergebens. Zurück von einem Augenschein über dem 1. Gletscherabbruch am N-Ufer, wo der Weiterweg angesichts eines Spaltenmeers aussichtslos schien, querte ich zu den Kinfelsen zurück und passierte den 2. Gletscherabbruch durch ein Firncouloir am S-Ufer. Das darüber liegende Gletscherplateau erreichte ich zwischen Randspalten hindurch. Da hier auf 3500m schon ca. 10-20cm Neuschnee lagen, der die Spalten z.T. verdeckte, musste ich die Gletschertextur sorgfältig studieren und mit dem Trekkingstock sondieren, um einen gangbaren und sicheren Weiterweg zu finden. Von Speed also weiterhin keine Rede: "Le Kingletscher séparé en deux branches (N et S) excessivement crevassé peut réserver des surprises désagréables et faire perdre beaucoup du temps." (M. Brandt). Da hatten es die Erstbegeher am Ende der Kleinen Eiszeit wohl bequemer gehabt...
Nach diesem Umweg gelangte ich zu P. 3812 zuoberst an den Kinfelsen und stand endlich unter der berühmten Kinflanke. Das oft beschriebene Routen-Z schien auch dieses Mal passierbar und die Flanke gut verschneit zu sein. Das war sie auch, so dass ich im unteren Flankendrittel im bis zu 30cm tiefen und z.T. grundlosen Pulver kaum vorwärts kam und ein weiteres Mal ernsthaft daran zweifelte, den Gipfel überhaupt noch zu erreichen. Weiter oben hatte sich der Schnee dann zum Glück schon verfestigt, auch gab es alte Spuren, und die tiefen, aber gut sichtbaren Spalten liessen sich problemlos umgehen, so dass ich wieder zügiger voran kam.
Zuoberst am Teufelsgrat durfte ich dann bei dantesken Tiefblicken in die SW-Wand an denselben Felsen klettern, über die Mrs. und Mr. A.-F. Mummery, Alexander Burgener und ein Hr. Andenmatten am 16. Juli 1887 bei dessen Erstbegehung das Täschhorn erreicht hatten. Den Gipfel des Corn da Täsch - e che surpraisa! - erreichte ich schliesslich doch noch, und umso mehr genoss ich das überwältigende Panorama, von dem Chasper Alexander Felix schreibt: "Il Dom fa gronda parada e'l Weisshorn muossa eir sia bellezza. Dafatta il Matterhorn riva precautamaing sias tendas. Circundats da quista magnifica rivaina sül piz".
Viel zu schnell verstrich die erholsame Gipfelrast, und schon nach einer Viertelstunde mahnte die fortgeschrittene Zeit zum Aufbruch: ein langer Abstieg wartete...
Aufstieg
Von Randa (Kirche 1439m) auf dem weiss-blau markierten Bergweg über das Kreuz (1750m) und die Abzweigungen zu Europahütte und -weg (1973m und 2224m) zur Kinhütte, 2h 30min-3h 30min, T3.
Auf dem eingezeichneten Weg durch die Kintole zur Wasserfassung der Grand Dixence und nach N auf die Seitenmoräne. Über diese auf Pfadspuren hinauf bis ca. 3050m und nach E über den Moränenhang (möglichst weit oben) und grobe Blöcke bis ca. 3150m (Vorsicht: ev. Steinschlag vom Grabenhorn), 1h-1h 30min.
Über den N Arm des Kingletschers nach SE bis ca. 3330m. Ab hier gibt es 3 Möglichkeiten:
Nun grossen Seracs und Querspalten ausweichend (oft in einer Z-Schlaufe) durch die rund 700m hohe und durchschnittlich 45 Grad steile NW-oder Kinflanke bis unter den oberen Teufelsgrat (Bergschrund) und diesem entlang zur obersten Felsstufe, die N in steilem Firn umgangen werden kann. Über den felsigen Schlussgrat (II, Fixseil) und einen kurzen Firngrat auf den Gipfel, 2h 30min-3h, ZS.
Abstieg
Von der Scharte zwischen Firn- und Felsgrat durch ein kurzes Couloir (ca. 50 Grad) hinunter, dem oberen Teufelsgrat entlang zur Aufstiegsroute und auf dieser zurück zur Kinhütte, 3-4h, und nach Randa, 2h.
Material: übliche Hochtourenausrüstung. Für die Kinflanke hatte ich vorsorglich eine 30m 6mm Reepschnur und ein zweites leichtes Eisgerät mitgenommen, daneben 2 Eischrauben, 1 Satz Kk, 1 mittleren Friend, 2 Express und 3 Schlingen, aber nichts davon brauchen müssen.
Fahrplan: 2 Uhr Randa, 4.15 Kinhütte, 6.15 Kingletscher, 9.15 Kinfelsen P. 3812, 12.15 Täschhorn, 15 Uhr Moräne, 16.30 Kinhütte, 18.15 Randa.
Ich packte meine sieben Sachen in meinen Hippie Bus - einer CO2-Schleuder par excellence -, fuhr nach Randa und campierte auf einem Parkplatz auf der Höhe der Kirche. Bei einem abendlichen Rundgang durch das beschauliche Bergdorf bewunderte ich seine eindrücklichen alten Käsespeicher und Holzhäuser, an denen ich ehrwürdige Namen wie Pollinger oder Summermatter lesen konnte, und genoss die herbstliche Dorfatmosphäre. Als ich auf der Hinterlade ein Sandwich ass und Zeitung las, spazierten ein paar Leute mit Kindern oder Hunden vorbei, und ein Jäger spiegelte nach Wild hinüber zu Grossgufer und Schusslauizug. Bald nachdem ich mich zeitig in den Schlafsack gehüllt hatte, ebbte der Autoverkehr auf der nahen Strasse Richtung Täsch und Herbriggen langsam ab, und die nächtliche Stille wurde nur noch von fernen Schafglöckchen und alle halbe Stunden vom Tuckern und Pfeifen der Mutter-Gottes-Bahn unterbrochen.
Bei sternenklarer und mondheller Nacht ging ich um 2 Uhr los. Über dem Lärchenwald brauchte ich die Stirnlampe kaum mehr, und das gegenüber liegende Weisshorn leuchtete im blendenden Mondlicht. Bei der Abzweigung vom Europaweg zur Kinhütte auf 2224m dann die erste Ernüchterung: "Dieser Weg ist gesperrt! Umleitung zur Kinhütte via Edelweissweg" stand dort auf einem Anschlag geschrieben. Da ich nicht wusste, wo der Edelweissweg durchführt, folgte ich trotzdem dem Hüttenweg, ohne aber einem ernsthaften Hindernis zu begegnen. Hatte villeicht Felssturzgefahr Anlass zur Sperrung gegeben?
Nach dem Monduntergang war der Übergang von der Moräne über den abschüssigen, heiklen und zeitraubenden Moränenhang zum Kingletscher nicht leicht zu finden, und bei Tagesanbruch suchte ich den Einstieg zu den frisch verschneiten und wenig einladenden Kinfelsen vergebens. Zurück von einem Augenschein über dem 1. Gletscherabbruch am N-Ufer, wo der Weiterweg angesichts eines Spaltenmeers aussichtslos schien, querte ich zu den Kinfelsen zurück und passierte den 2. Gletscherabbruch durch ein Firncouloir am S-Ufer. Das darüber liegende Gletscherplateau erreichte ich zwischen Randspalten hindurch. Da hier auf 3500m schon ca. 10-20cm Neuschnee lagen, der die Spalten z.T. verdeckte, musste ich die Gletschertextur sorgfältig studieren und mit dem Trekkingstock sondieren, um einen gangbaren und sicheren Weiterweg zu finden. Von Speed also weiterhin keine Rede: "Le Kingletscher séparé en deux branches (N et S) excessivement crevassé peut réserver des surprises désagréables et faire perdre beaucoup du temps." (M. Brandt). Da hatten es die Erstbegeher am Ende der Kleinen Eiszeit wohl bequemer gehabt...
Nach diesem Umweg gelangte ich zu P. 3812 zuoberst an den Kinfelsen und stand endlich unter der berühmten Kinflanke. Das oft beschriebene Routen-Z schien auch dieses Mal passierbar und die Flanke gut verschneit zu sein. Das war sie auch, so dass ich im unteren Flankendrittel im bis zu 30cm tiefen und z.T. grundlosen Pulver kaum vorwärts kam und ein weiteres Mal ernsthaft daran zweifelte, den Gipfel überhaupt noch zu erreichen. Weiter oben hatte sich der Schnee dann zum Glück schon verfestigt, auch gab es alte Spuren, und die tiefen, aber gut sichtbaren Spalten liessen sich problemlos umgehen, so dass ich wieder zügiger voran kam.
Zuoberst am Teufelsgrat durfte ich dann bei dantesken Tiefblicken in die SW-Wand an denselben Felsen klettern, über die Mrs. und Mr. A.-F. Mummery, Alexander Burgener und ein Hr. Andenmatten am 16. Juli 1887 bei dessen Erstbegehung das Täschhorn erreicht hatten. Den Gipfel des Corn da Täsch - e che surpraisa! - erreichte ich schliesslich doch noch, und umso mehr genoss ich das überwältigende Panorama, von dem Chasper Alexander Felix schreibt: "Il Dom fa gronda parada e'l Weisshorn muossa eir sia bellezza. Dafatta il Matterhorn riva precautamaing sias tendas. Circundats da quista magnifica rivaina sül piz".
Viel zu schnell verstrich die erholsame Gipfelrast, und schon nach einer Viertelstunde mahnte die fortgeschrittene Zeit zum Aufbruch: ein langer Abstieg wartete...
Aufstieg
Von Randa (Kirche 1439m) auf dem weiss-blau markierten Bergweg über das Kreuz (1750m) und die Abzweigungen zu Europahütte und -weg (1973m und 2224m) zur Kinhütte, 2h 30min-3h 30min, T3.
Auf dem eingezeichneten Weg durch die Kintole zur Wasserfassung der Grand Dixence und nach N auf die Seitenmoräne. Über diese auf Pfadspuren hinauf bis ca. 3050m und nach E über den Moränenhang (möglichst weit oben) und grobe Blöcke bis ca. 3150m (Vorsicht: ev. Steinschlag vom Grabenhorn), 1h-1h 30min.
Über den N Arm des Kingletschers nach SE bis ca. 3330m. Ab hier gibt es 3 Möglichkeiten:
- Einstieg in die Kinfelsen (angeblich mit Farbe markiert) und über diese (II, 2009 mit Stahlkabel und Steigbügel eingerichtet, Stand September 2015) zu P. 3635.
- Bei guter Einschneiung des Gletschers kann über dem 1. Gletscherabbruch zurück zum N-Ufer gequert (bis hierher ev. auch direkt von der N Seitenmoräne), diesem entlang bis ca. 3500m aufgestiegen und über dem 2. Gletscherabbruch wieder nach SE zum verfirnten Abschnitt der Kinfelsen oberhalb P. 3635 gequert werden.
- Ebenfalls nur bei guter Einschneiung des Gletschers an dessen S-Ufer durch ein Couloir zwischen Seracs und den Kinfelsen (Vorsicht: wegen Eis- und Steinschlag möglichst nahe der Felsen aufsteigen) auf das Gletscherplateau über dem 2. -abbruch und N ausholend zum bereits erwähnten verfirnten Abschnitt der Kinfelsen oberhalb P. 3635.
Nun grossen Seracs und Querspalten ausweichend (oft in einer Z-Schlaufe) durch die rund 700m hohe und durchschnittlich 45 Grad steile NW-oder Kinflanke bis unter den oberen Teufelsgrat (Bergschrund) und diesem entlang zur obersten Felsstufe, die N in steilem Firn umgangen werden kann. Über den felsigen Schlussgrat (II, Fixseil) und einen kurzen Firngrat auf den Gipfel, 2h 30min-3h, ZS.
Abstieg
Von der Scharte zwischen Firn- und Felsgrat durch ein kurzes Couloir (ca. 50 Grad) hinunter, dem oberen Teufelsgrat entlang zur Aufstiegsroute und auf dieser zurück zur Kinhütte, 3-4h, und nach Randa, 2h.
Material: übliche Hochtourenausrüstung. Für die Kinflanke hatte ich vorsorglich eine 30m 6mm Reepschnur und ein zweites leichtes Eisgerät mitgenommen, daneben 2 Eischrauben, 1 Satz Kk, 1 mittleren Friend, 2 Express und 3 Schlingen, aber nichts davon brauchen müssen.
Fahrplan: 2 Uhr Randa, 4.15 Kinhütte, 6.15 Kingletscher, 9.15 Kinfelsen P. 3812, 12.15 Täschhorn, 15 Uhr Moräne, 16.30 Kinhütte, 18.15 Randa.
Tourengänger:
lorenzo

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