Pizzo Tambò (3279 m) und der reizvolle Blockgrat über Lattenhorn/Tamborello - vom Pass nach Splügen


Publiziert von dulac , 17. August 2015 um 23:56.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Hinterrhein
Tour Datum: 8 August 2015
Wandern Schwierigkeit: T4 - Alpinwandern
Hochtouren Schwierigkeit: L
Klettern Schwierigkeit: II (UIAA-Skala)
Wegpunkte:
Geo-Tags: Gruppo Tambo-Curciusa   CH-GR   I 
Zeitbedarf: 7:45
Aufstieg: 1300 m
Abstieg: 1950 m
Zufahrt zum Ausgangspunkt:von Chur/Thusis resp.Bellinzona/San Bernardino bis Splügen mit PTT-Bus, in Splügen dann umsteigen in die Buslinie Splügen-Chiavenna bis Splügen Passhöhe (Hst.italienischer Zoll)
Kartennummer:map.geo.admin

Zugegeben, zunächst hat es nicht eben nach einer Erfolgsgeschichte ausgesehen, zwischen dem Pizzo Tambò und mir. Schlussendlich hat es aber doch geklappt.

Doch der Reihe nach: Am Beginn stand dieser kurz und knappe, aber alles Wesentliche ansprechende *Bericht von Sputnik, der mich derart motiviert hatte, dass ich mir diesen reizvollen Berg bereits am übernächsten Tag nach der Veröffentlichung vorgenommen hatte.

 

Meteo versprach gutes Wetter, dieses hatte sich auch daran gehalten. Nur als der Bus sich der Region Hinterrhein näherte, hatten die Berge dort anderes im Sinn und sich in Wolken gehüllt. In der Hoffnung, dass sie sich vielleicht im Laufe des Vormittags auflösen könnten, startete ich dennoch einen Versuch. Leider vergeblich. Etwa auf halber Strecke warf ich das Handtuch und kehrte um.

 

Zwei Wochen darauf ein erneuter Versuch. Ein strahlend schöner Tag. Es klappt gut mit dem Aufstieg. Bis dann die Schlussetappe kam, der steile Aufstieg auf bröseligem Untergrund. Aus den vielen alternativen Wegspuren hatte ich mir jeweils die für meinen Geschmack am wenigsten unangenehme ausgesucht, war dabei aber in zunehmend unwegsames Gelände geraten. Zuvor mit den Steinmannli war es auch so eine Sache gewesen: Ihre Vielzahl hier war für mich eher verwirrend als eine echte Hilfe. Jedenfalls war ich an einem bestimmten Zeitpunkt derart genervt, dass ich einfach keine Lust mehr hatte, in diesem abschreckenden Terrain weiter den Aufstieg zum Gipfel zu suchen. Nicht nur, aber auch weil die schwierigste Passage, eine ausgesetzter plattiger Passage kurz vor dem Gipfel, von der StefanP und dyanarka *hier bzw. *da übereinstimmend berichten, mir auch noch bevorstehen würde. Drum kurzentschlossen umgekehrt, freilich eine mehr emotionale als rationale Entscheidung.

 

Und so nagte der Frust mächtig, danach: Wenn so viele andere es schaffen, müsste es mir doch ebenfalls gelingen: Also noch ein dritter Versuch (den ich allerdings, um die Geschichte nicht unnötig zu verkomplizieren im folgenden als zweiten Anlauf bezeichnen werde):

 

Erneut mit der italienischen Buslinie Splügen-Chiavenna bis zur Splügen-Passhöhe hochgefahren, dann über die drei Steilstufen hinauf. Danach weiter zu dem See unterhalb des Lattenhorns. Diesmal allerdings ohne zuvor nach rechts auf den Grat hochzusteigen, der zum Pizzo Tamborello führt (In der Fotostrecke überspringe ich diesen Wegabschnitt weitgehend, stattdessen habe ich dort die Fotos vom Aufstieg über den Grat eingefügt).

 

Dann noch die weitere Steilstufe hinauf, an deren oberen Ende man wieder ein kurzes Stück absteigen muss um zur Vedretta della Spianata zu gelangen. Dabei kam ich wieder an der Felsnase südlich von P3096 vorbei, auf der sich ein kleines Gedenkkreuz befindet. Ohne allerdings hier jetzt schon Rast zu machen. Sondern jetzt ohne Pause weiter Richtung Gipfel. Etwa da, wo ich zuletzt aufgegeben hatte, traf ich einen Italiener wieder, mit dem ich bereits weiter unten einmal ins Gespräch gekommen war. Er kannte die exakte Route genau so wenig wie ich. Und so suchten wir sie gemeinsam. Wie sich bald herausstellte, war ich das letzte Mal etwas zu früh nach links in die Südflanke gequert. Dies nun bei dieser Gelegenheit besser gemacht und wir standen tatsächlich kurz danach am Gipfel. Erst im Nachhinein fiel mir wieder die Platte ein. Doch ich kann ich beim besten Willen an keine Platte kurz vor dem Gipfel erinnern.

 

Der Gipfel selbst ist sehr geräumig, genau genommen hat es sogar 2 Gipfel, mit nur wenigen Metern Höhenunterschied. Da die Wetterlage an diesem Tag ein wenig labil und die Aussicht durch starke Bewölkung etwas beeinträchtigt war, zog ich es vor, die Mittagsrast auf etwas weiter unten zu verlegen. Ideal geeignet dafür war die Nase mit dem Gedenkkreuz, wo ich bereits beim letzten Mal Brotzeit gemacht hatte.

 

Im Anschluss musste dann (natürlich) auch das Lattenhorn „mitgenommen“ werden. Erneut ausgehend von dem Sattel westlich des Lattenhorns. Der breite und flache Gipfel mit den zwei grossen Steinmännern war schnell erreicht. Anders als beim letzten Mal, wo ich über die breite und eher flache Geröllflanke zum Normalweg abgestiegen war, wollte ich diesmal, soweit möglich, auf dem Grat bleiben und über diesen absteigen.

 

War es auch zunächst ein wenig unsicher, ob dies tatsächlich gelingen könnte, so entpuppte sich der Grat tatsächlich als überaus „zugänglich“. Sowohl davor wie auch jetzt danach musste die Gratschneide so gut wie nie verlassen werden. Für mich war diese Route eine wunderbare Kraxelei.

 

Wobei ich anfügen möchte, dass ich weder mit Klettern noch mit Klettersteigen jemals auch nur irgendetwas am Hut hatte und wohl auch zukünftig haben werde. Doch dies hier machte einfach nur Spass. Inwieweit Kollegen, die in dieser Hinsicht anspruchsvoller sind, ähnlich empfinden, muss freilich dahingestellt bleiben. Es täte mir leid, wenn ich mit meinem Bericht Erwartungen schüren würde, die bei Ambitionierteren dann unerfüllt bleiben.

 

Doch da ich in den gar nicht so wenigen Berichten zum Pizzo Tambò an keiner Stelle einen Hinweis auf diesen gut begehbaren Grat gefunden habe, möchte ich meine diesbezüglichen Erfahrungen hier zumindest weitergeben.

 

Den unteren Teil des Grates hatte ich ja bereits einige Tage zuvor im Aufstieg begangen, so habe ich mir diesen Teil heute geschenkt.

 

Zurück auf der Passnähe habe ich diesmal ebenso auf einen erneuten Besuch der ganz in der Nähe befindlichen entlang der Passstrasse auf Schweizer Seite befindlichen, 300 m langen historischen Schneeschutz-Galerie verzichtet. Wer sie aber noch nicht kennt: Sehenswert!

 

Stattdessen habe ich mich direkt vom Pass auf den direkten Abstieg nach Splügen gemacht. Angeschrieben ist der Zeitbedarf wohl mit 2h15. Da ich es zuvor aber bereits zweimal in rund 1h30 geschafft hatte, schien mir dies auch diesmal die bessere Variante als mich nach dem nur sporadisch verkehrenden Bus zu richten. Und gerne wollte ich etwas zeitlichen Spielraum haben, den heute erfolgreichen Tag noch mit einer Einkehr in Splügen ausklingen lassen zu können.

 

Wem die Tambò-Tour durch diesen zusätzlichen Abstieg nicht zu lange wird, dem kann ich ihn durchaus empfehlen, da es von Splügen mehr Auswahl an Kursen für die Heimfahrt hat als die lediglich zwei am Nachmittag ab Splügenpass.

 

Noch ein paar weitere allgemeine Bemerkungen:

 

Der Pizzo Tambò ist ein offensichtlich viel besuchter Gipfel, zum grossen Teil wohl von Tessinern und Italienern. Im Vergleich dazu ist die Zahl der hikr-Berichte eher überschaubar. Überdies beziehen sich (geschätzt) zwei Drittel der Besteigungen auf den Winter oder zu noch winterlichen Bedingungen. Berichte aus dem Sommer sind dagegen eher spärlich vertreten.

 

Es hat eine Vielzahl von (alternativen) Wegspuren und Steinmannli. Mit Ausnahme der Gipfelpyramide ist es aber unerheblich, welchen man folgt oder ob man u.U. eine weglose Alternative noch attraktiver findet. Zumindest solange die generelle Richtung stimmt, die aber weitgehend auf der Hand liegt.

 

Im obersten Teil der Gipfelpyramide sollte man nicht meinen Fehler wiederholen, zu früh Wegspuren nach links in die Südflanke zu folgen, sondern dies erst kurz vor dem Gipfel tun.

 

Das am Weg liegende Lattenhorn wird offensichtlich oft „mitgenommen“. Vermutlich aber mit Aufstieg über die breite, eher flache südöstliche Geröllflanke. Es lässt sich aber auch, wie gezeigt, überschreiten.

Der Grat muss nicht in voller Länge begangen werden. Zwischendurch gibt es immer wieder gute Möglichkeiten um zum Normalweg abzusteigen.

Bei meinen Fotos habe ich überwiegend auf die vom ersten Anlauf am 3.August zurückgegriffen, weil damals das Wetter besser, das Licht heller und die Sicht besser waren. Von der letzten Tour am 8. August dagegen stammen insbesondere die Fotos vom Gipfel und vom Abstieg über den oberen Abschnitt des Blockgrats vom Lattenhorn zum Tamborello.

 

Meine ungefähren Gehzeiten:

 

Splügenpass – Gipfel (Normalweg): 3h30

Gipfel – Splügenpass (über Grat von Lattenhorn bis Tamborello): 2h45

Splügenpass – Splügen: 1h30

 

Und noch ein Nachtrag zum Ostgrat Lattenhorn/Tamborello von September 2017:

 

Wie ich mittlerweile erfahren durfte, lag ich mit meiner Einschätzung des Tamborello-Grats gar nicht so verkehrt:

 

So findet sich im SAC-Führer Alpinwandern Südbünden von Marco Volken und Remo Kundert 1. Auflage 2007 auf Seite 340 etwa folgendes (eigene Hervorhebungen):

 

„… zu einer kleinen Einsattelung auf rund 2550 m. Der deutliche und mit Steinmännchen markierte „Normalweg“ quert hier in die italienische Flanke unter dem Piz Tamborello hinaus; schöner indes ist es, dem Grat die Treue zu halten. Auf der felsigen, gut begehbaren Gratschneide erreicht man so den Piz Tamborello (2669 m) – und etwas später, stets über den Grenzkamm, das geräumige Lattenhorn (2862 m), das … „

 

Und in dem neueren *Bericht von Alpin_Rise findet sich folgendes:

 

„Als Zugabe gönnen wir uns den Abstieg über den gesamten Ostgrat übers Lattenhorn und den Piz Tamborello. Weite Stecken sind eine schöne Gratwanderung im T4/T5, zwischen Lattenhorn und Tamborello umgehen wir einige Türme in der Südflanke.“


Tourengänger: dulac
Communities: ÖV Touren


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Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Felix hat gesagt:
Gesendet am 19. August 2015 um 15:15
super - gratuliere!

lg Felix

dulac hat gesagt:
Gesendet am 20. August 2015 um 00:23
Besten Dank, Felix!

LG Wolfgang


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