Mindelheimer Grat: Kemptner Scharte-Angererkopf


Publiziert von quacamozza , 27. Juli 2015 um 12:02.

Region: Welt » Österreich » Nördliche Ostalpen » Allgäuer Alpen
Tour Datum:16 Juli 2015
Wandern Schwierigkeit: T6 - schwieriges Alpinwandern
Klettern Schwierigkeit: III (UIAA-Skala)
Mountainbike Schwierigkeit: WS - Gut fahrbar
Wegpunkte:
Geo-Tags: A   D 
Zeitbedarf: 6:00
Aufstieg: 1260 m
Strecke:Bergheim Moser-Wiesalpe-Fluchtalpe-Hintere Wildenalpe-Kemptner Scharte-Sechszinkenspitze-Mindelheimer Köpfl-Angererkopf-Hintere Wildenalpe-Fluchtalpe-Bergheim Moser (15 km)
Kartennummer:AV-Karte Bayerische Alpen BY 2 1:25 000 Kleinwalsertal Hoher Ifen, Widderstein

Während die Überschreitung der Schafalpenköpfe ("Mindelheimer Klettersteig") eine der meistbegangenen Bergtouren im Allgäu ist, wird die südwestliche Fortsetzung des Grates von der Kemptner Scharte bis zur Scharte zwischen Angererkopf und Liechelkopf nur selten in Angriff genommen.

Über eine Gesamtbegehung des Mindelheimer Grates findet sich im Netz bis heute absolut nichts. Eine Tatsache, die in Anbetracht einer in unmittelbarer Nähe gelegenen, stark frequentierten Hütte und unzähliger Allgäu-Posts selbst abgefahrenster Ziele schon erstaunlich ist. Nachdem wir die Tour bereits in 2014 versucht haben und uns wegen des schlechten Wetters mit einem *kleinen Appetithappen begnügen mussten, nehmen wir nun einen neuen Anlauf.

Im Gegensatz zum bekannten Klettersteig ist hier der routinierte Bergsteiger gefragt. Es gibt keine Seilversicherungen, und der Fels ist, namentlich an der Sechszinkenspitze, von gnadenlos mieser Qualität. Außerdem sind die Sicherungsmöglichkeiten im anspruchsvollen ersten Abschnitt eingeschränkt.

Die Höhenangaben der beiden Gipfel Sechszinkenspitze und Mindelheimer Köpfl sind in der Literatur (z.B. im AVF: 2213 bzw. 2208m) regelmäßig falsch. Die Messung mit GPS und Smartphone-GPS ergibt: Die Sechszinkenspitze ist 12 Meter niedriger als das Mindelheimer Köpfl.



Zur Schwierigkeit:

Sechszinkenspitze: Eine Stelle III+ am ersten Aufschwung des Nordostgrates, stellenweise III-, auch im Abstieg, oft II und sehr ausgesetztes, anspruchsvolles Gehgelände bis T 6. Wegen des sehr brüchigen Gesteins sollte der IV. Grad locker beherrscht werden, sonst wird man die Tour nicht genießen können.
Weitere Überschreitung: Stellen II, meist I

Mindelheimer Köpfl: Direkt am Südostgrat II+ in gutem Fels (einfachster Weg: eine Stelle II und T 4-5 über die Grasabdachung)
Weitere Überschreitung leicht, Gras bis T 4 und Fels I

Angererkopf-Südostgrat: stellenweise III-, meist II; steile, unten recht brüchige Kletterei, in den anspruchsvollen Passagen aber recht gute Felsqualität, Bohrhaken und Sicherungsstangen vorhanden

Abstieg über die Nordseite ins Wildenkar: T 5+, sehr steile Geröll- und Schnee-/Eisfelder (Steigeisen sind nicht verkehrt, sonst über die Schneefelder abseilen bzw. sehr heikler Abstieg). Empfehlenswert nur im Frühjahr bei noch ausreichender Schneeauflage. Besser über die Mindelheimer Hütte zurückkehren.


Zum Zeitbedarf:

Bergheim Moser-Fluchtalpe: 20 min radeln
Fluchtalpe-Kemptner Scharte: 1 Std 10 min
Kemptner Scharte-Sechszinkenspitze: 1 Std
Sechszinkenspitze-Mindelheimer Köpfl: 25 min
Mindelheimer Köpfl-Angererkopf: 1 Std 15 min
Angererkopf-Wildenkar-Fluchtalpe: 1 Std 35 min
Fluchtalpe-Bergheim Moser: 15 min radeln



Wir starten mit dem Mountainbike am Bergheim Moser. Die Parkgebühren in Höhe von 3 € kann man auch nach der Tour noch bezahlen. Nach einer kurzen Abfahrt geht es über steilen Schotter hoch zur Oberen Wiesalpe (1298m) und dann hinein ins Wildental. An der Fluchtalpe (1386m) deponieren wir die Bikes und wandern auf dem bekannten Hüttenweg der Mindelheimer Hütte bis in die Kemptner Scharte (2104m).

Von hier stellen sich zunächst zwei kleinere schrofige Kuppen in den Weg, die man leicht überklettern oder auch in der linken Seite umgehen kann. Dann wird der Grat felsig, brüchig und ausgesetzt.

Es folgt ein Abstieg in eine tiefe Scharte (II; brüchig; gute Abseilmöglichkeit mit Schlinge von einem Felsköpfl). Danach geht's dann richtig zur Sache. Das Wandl wird erklettert (III+; Schlüsselstelle). Hier spricht der alte AVF sogar von einem brüchigen V-er, andere wiederum von "sehr schwer" und "leicht überhängend", was nicht der Realität entspricht. Andererseits muss man die III- im neuen AVF doch etwas nach oben korrigieren. Wie so oft liegt also die Wahrheit in der Mitte.

Eine recht lange Rechtsquerung in eine dunkle, erdige Rinne zur Umgehung der überhängenden Gratfortsetzung steht an. 15 Meter weiter in der Rinne befindet sich der einzige Bohrhaken (mit Karabiner) auf dem gesamten Nordostgrat. Vor dem Hintergrund, dass wir den Grat ohnehin noch einmal begehen werden, ist es gut zu wissen, dass es an der entscheidenden Stelle einen ordentlichen Standplatz gibt.

Etwas einfacher geht es vom oberen Ende der Rinne links ausholend über den nächsten Aufschwung und weiter über den Grat mit wenig Höhengewinn. Von einem vorgelagerten Turm (II) sieht man bereits das kleine Kreuz des Gipfels auf beinahe gleicher Höhe. Anschließend kommt ein recht heikler Abstieg über eine sehr brüchige und ausgesetzte Rippe nordseitig in eine tiefe Scharte (III-; am besten abseilen, muss man aber selber einrichten, was hier leider nicht so komfortabel ist wie beim ersten Abstieg). Auf der anderen Seite entweder direkt über den Grat weiter (III- und II; luftig) oder in die brüchige Nordflanke ausweichen und von rechts her über einiges Geröll zurück auf die Gratschneide (T 5; II). In wenigen Schritten auf den Gipfel der Sechszinkenspitze (2191m) mit dem GB von 1970.

Über den vom letzten Jahr bekannten Südwestgrat (schwierigste Stelle II beim Aufstieg auf eine Rampe) geht es in die Lücke (ca. 2145m) zwischen Sechszinkenspitze und Mindelheimer Köpfl.

Die nun folgende, geneigte und ausgesetzte Plattenrampe ist leichter als sie aussieht (II; gute Griffe an der Felswand). Nun gibt es zwei Möglichkeiten: die schönere verläuft direkt über den Felsgrat zum Gipfel des Mindelheimer Köpfls (2203m; II+, schöne Kletterei, eine Wohltat im Vergleich zum Bruch am Sechszinken). Man kann aber auch etwas unterhalb des Grates in Schrofengelände zum Gipfelsteinmann gelangen.

Der jenseitige Abstieg flößt Respekt ein, wenn man die Beschreibung im altehrwürdigen AVF liest. Von "zeitraubenden" Zacken, IIIer-Kletterei und schwierigen Türmen ist da die Rede.
Die Wahrheit ist: Es handelt sich um Gehgelände im T4-Bereich mit Ier-Stellen, das zwar Trittsicherheit und hin und wieder eine Hand zum Abstützen benötigt. Abenteuerliche Abseilmanöver an brüchigen Türmen bleiben einem aber erspart. Die unten liegenden Grashubbel werden vorteilhafterweise recht weit unterhalb in der Südseite umgangen, um schnell auf den bequemen Zustiegsweg zum Angerer-Südostgrat zu kommen.


An einer Eisenstange des alten, in Urzeiten versicherten Gipfelweges wird der Weg nach rechts oben verlassen. Sodann geht es durch brüchiges und steiles Schrofengelände an die ersten Kletterstellen. Zunächst hält sich der Spaß in Grenzen. Bröselgelände pur. Nicht schwierig, aber immerhin schon im Absturzgelände.
Nach der dritten Stange bieten dann gebohrte Haken Möglichkeiten zur Sicherung. Sehr steil, aber "henkelig", ist der Aufschwung unter der Schulter (III-). Endlich ist auch der Fels kompakter. Danach kommt die vielbeschriebene Querung (2 BH) im Schrofengelände, die allerdings nicht 50 oder 60 Meter, sondern bestenfalls 20-30 Meter lang ist.

Alternative: Der direkte Weg über den dunklen, glattwandigen Aufschwung über dem Absatz ist mindestens mit IV zu bewerten und vor allem selbst abzusichern. Selbst wenn notorisch unterforderte Kompagnons mit von der Partie sein sollten: Diesen Aufschwung muss man nicht unbedingt hochgeklettert sein. 

In der Rinne, die auf den Quergang folgt, sind nur noch leichte Kletterei (maximal II; etwas steinschlägig) und einige Schrofenabsätze zu bewältigen, bevor als Abschluss eine genussvolle Wanderung auf dem Gipfelgrat hinüber zum Angererkopf (2266m) ansteht. Das Kreuz mit GB befindet sich auf einem Felsblock, der leicht erstiegen werden kann.


Nach ausgiebiger Pause geht es nur ein kurzes Stück auf dem Westgrat abwärts (Steinmännchen). Weiter auf ein schuttiges Band in der Nordflanke hinunter und auf diesem in die Scharte zwischen dem Angerer und dem Liechelkopf absteigen.

Für den Abstieg nach Norden ins Wildenkar können bei Hartschnee Pickel und Steigeisen nötig sein. Die ersten 100 Höhenmeter des weglosen Geröllhangs bleiben allerdings immer anspruchsvoll. Laut Bene bei den heutigen Bedingungen treffend "a rechtes Sauzuig".
Weiter unten läuft man das markante Tälchen aus, um auf den Wanderweg zur Mindelheimer Hütte zurückzukommen.

Am Wasserfall auf ca. 1600m kann man sich bei heißen Temperaturen erfrischen, bevor man an der Fluchtalpe wieder auf den Drahtesel steigt.


Tourengänger: Stefan, Ulf




Tourengänger: quacamozza


Minimap
0Km
Klicke um zu zeichnen. Klicke auf den letzten Punkt um das Zeichnen zu beenden

Galerie


In einem neuen Fenster öffnen · Im gleichen Fenster öffnen


Kommentare (2)


Kommentar hinzufügen

Bene69 hat gesagt:
Gesendet am 28. Juli 2015 um 21:45
Schöne konsequente Gratüberschreitung, da muss man erstmal drauf kommen

Andy84 hat gesagt:
Gesendet am 29. Juli 2015 um 13:16
Schöne Tour.
Da hoch geht's bei mir demnächst au ;-)
VG Andy


Kommentar hinzufügen»