L wie Linard


Publiziert von danski , 20. April 2015 um 21:45.

Region: Welt » Schweiz » Graubünden » Unterengadin
Tour Datum:19 April 2015
Hochtouren Schwierigkeit: WS+
Klettern Schwierigkeit: I (UIAA-Skala)
Ski Schwierigkeit: SS-
Wegpunkte:
Geo-Tags: Piz Linard-Gruppe   CH-GR 
Zeitbedarf: 8:30
Aufstieg: 2000 m
Abstieg: 2000 m

Die L-Reihe findet ihre adäquate Fortsetzung im Piz Linard! Angestachelt durch Dolmars Bericht http://www.hikr.org/tour/post93019.html und der Analyse von Wetter- und (Neu-)Schneesituation wollen wir dem prominenten Piz nun endlich die Ehre erweisen. Da keiner von uns über ein motorisiertes Fahrzeug verfügt, kommt nur die Kombination ÖV+Biwak in Frage. Zwar keine Garantie für erholsamen Schlaf, aber die einzige Möglichkeit unseren Gipfeltraum zu verwirklichen.

Nach "Capunser"-Stärkung im verwaisten Klosters machen wir uns abends per RHB auf durch das dunkle Vereina-Loch nach Lavin. Mögliche Übernachtungsmöglichkeiten mit Blick auf den Sternenhimmel wurden im vornherein schon mal auf der Karte erörtert. Anfangs Val Sagliains sollten unsere Ansprüche an einen heimeligen Biwakplatz erfüllt sein: Einfach erreichbar, Wasser in der Nähe, einige Quadratmeter absolut horizontales Gelände, windgeschützt und natürlich mit Aussicht. Aber die ist bei einem Biwak zumindest in Richtung Nachthimmel sowieso inbegriffen. Vor einem verwaisten Wochenendhaus finden wir, was wir suchen. Isomatte aufblasen, Schlafsack ausbreiten, Rucksack und Morgenessen vorbereiten dann schlüpfen wir rasch in die wärmenden Daunensäcke. Doch der Schlaf will nicht so richtig von uns Besitz ergreifen. Sterne zählen hilft nichts und nach Satelliten und Sternschnuppen Ausschau halten ebenso wenig. Irgendwann wiegt einen das Rauschen des Aua da Sagliains doch in Träume. Diese Nacht wird "oft" geschlafen, dazwischen hellwach in die Sterne geguckt und am Schlafsack für die Temperaturregelug herumgefummelt. Auf die Uhr zu schauen sollte man tunlichst vermeiden, will man sich die Chance auf Wiedereinschlafen nicht komplett zunichte machen...

Um 04:15 wird diese Nacht beendet. Jet-Boil und vorbereiteten Porridge in die Nähe des Schlafsack holen und schleunigst wieder in diesen kriechen, während der Brenner fauchend seinen Dienst verrichtet. Einer der ganz grossen Momente frühmorgens ist jeweils das hinunterwürgen des mit heissem Wasser angerührten Haferflockenbreis. Es geht, es muss einfach. Nach dem zwanghaften Verzehr des Morgenessens, einer meiner persönlichen "Schlüsselstellen" am frühen Morgen, bin ich erleichtert als wir um 05:00 abmarschieren. Die Scheinwerfer eines Auto tauchen plötzlich auf und wir denken schon, oh nein, doch nicht die einzigen. Falscher Alarm, die Insassen waren wohl eher auf der Suche nach einem ungestörten Plätzchen in der wilden Natur für ebenso wilde Sachen zu zweit... Im Lichte unserer Stirnlampen folgen wir dem Bergweg vorbei an Fop Tiamarsch bis wir auf ca. 1840m endlich die Skis unter die Füsse nehmen können. Beim P. 1947 werden wir zu einer unerwartet kniffligen Schlüsselstelle gezwungen, denn wir müssen hier auf die östliche Talseite wechseln. Das Wasser sprudelt zwar munter, aber die Steine sind von einer Eisschicht überzogen. Hier ein unfreiwilliges Bad im eiskalten Wasser zu nehmen, könnte unsere Unternehmung ernsthaft gefährden. Aber natürlich geht alles glatt und trockenen Fusses. Nach weiteren Schneeunterbrüchen liegt ab rund 2000m eine geschlossene Schneedecke. Wir kommen nun zügig voran, obwohl uns ein eiskalter Wind entgegenbläst, während sich ringsum die Berge langsam in der Sonne erwärmen. Beim P. 2351 beginnen wir in den Westhängen Richtung Piz Linard an Höhe zu gewinnen. Endlich schiebt sie sich ins Blickfeld, die Westwandrinne des Piz Linards. Tatsächlich ist sie eher eine breite Rampe, die einen gangbaren Weg in die Gipfelnähe bildet. Ich kann Dolmar nur beipflichten, denn das Ding sieht kürzer aus, als es ist. Bis 2800m fellen wir hoch, danach gehts besser mit aufgebundenen Skis. Eine letzte Stärkung im eisigen Schatten und die Schwerarbeit beginnt. Anfänglich ist der Schnee ziemlich variabel und immer mal sinken wir tief ein. Dolmars Spuren haben die Woche dazwischen nicht überstanden. Dafür stossen wir auf ganz anständige Mengen Powder. Den eigentlichen Beginn der Westwandrampe würde ich auf ca. 3000m ansetzen. Von jetzt an steilt es merklich auf und die Neigung pendelt sich zwischen 40° und 45° ein. Wir wechseln uns ab mit spuren. An wenigen Stellen gehen wir auf Frontzacken sonst erleichtert guter Trittschnee das Vorwärtskommen. Warum müssen wir bloss eine solche Westwand hoch? Rund um uns herum herrscht eitel Sonnenschein, nur wir bewegen uns in einem gefühlten Kühlschrank. Es ist 10:30 als wir nach 5:30 Stunden endlich die wärmende Sonne im Gesicht spüren. Das Ende der Rampe ist erreicht. Viel Platz gibts nicht, um sich gemütlich in die Sonne zu setzen. Auf allen Seiten tun sich schwindelerregende Abgründe auf. Wir nehmen uns viel Zeit, die entleerten Akkus für den Gipfelgang aufzuladen. Es wird kein Gipfelspaziergang, soviel steht fest, als wir den Grataufschwung inspizieren. Die ersten 10 Meter des Grates sind steil und unter dem Allerwertesten klaffen die Abbrüche der Linard-Ostwand. Hat man diese erst einmal überwunden, trennen einen weitere 80, zwar mehr oder weniger horizontale, doch saumässig exponierte und schmale Meter vom höchsten Punkt. Ich kann Dolmars Entscheidung sehr gut nachvollziehen, hier umzudrehen... Wir gehen weiter und balancieren über den mit unverfestigtem Neuschnee garnierten Nordgrat. Puh, geschafft! 6:15 Stunden hat uns der Linard abverlangt, doch jetzt stehen wir auf dem Matterhorn der Silvretta und bestaunen das Panorama. Der Abstieg geht müheloser als gedacht, doch er verlangt abermals vollste Aufmerksamkeit.

Vorsichtig klicken wir in die Bindungen und arretieren sie. Mittlerweile ist die gesamte Breite der Rampe ausgeleuchtet, doch dem Schnee scheint das egal zu sein. Keine Anzeichen von einer bevorstehenden Auffirnung. Na dann müssen wir eben mit dem Hartschnee zu Recht kommen. Es geht gut, denn es ist griffig, ab und zu auch etwas decklig. Sicher nicht das flow-skifahren, das wir uns so sehr gewünscht haben, aber immer noch weit entfernt von "survival-skiing". Trotzdem gibts kaum Bilder von der Abfahrt, denn bloss auf 2 Stahlkanten in 45° Absturzgelände mit meiner Kamera herumzufummeln, war mir dann doch etwas zu überambitioniert... Unter 3000m finden wir noch wunderbar eingewehten Pulver. Auf rund 2500m westseitig geht der wenige Neuschnee fast unvermittelt in perfekten Sulz über. So macht Frühlingsskifahren Spass, auch wenn das Ganze auf 1340m ein Ende hat. Jetzt noch rasch unsere sieben Sachen packen, hoffend, dass der Ferienhausbesitzer nicht unvermittelt nach dem Rechten schauen würde und schon befinden wir uns wieder im dunklen Vereina-Loch. Leider ohne Sicht auf unseren stolzen Piz Linard...
 

Tourengänger: nprace, danski


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Kommentare (2)


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Dolmar hat gesagt:
Gesendet am 20. April 2015 um 22:33
Congratulation für euch. Klasse Bericht, kurzweilig zu lesen. Und ganz oben gewesen

Grüsse Dolmar

danski hat gesagt: RE:
Gesendet am 21. April 2015 um 20:15
Danke Danke! Eine Top Tour wars. Vielleicht irgendwann einen Versuch via sagenhaftes Ostwandcouloir... ;)


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