Vom Diemtig- ins Engstligetal "uber allä Grat"
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Nach einer Woche Zwangspause aufgrund des garstigen Wetters ist der Nachholbedarf ins Unermessliche gestiegen. Die Prognose für heute ist ansprechend, die Gewittergefahr gleich Null. Dass ich letztendlich den halben Tag in hartnäckig ausgedehnter Quellbewölkung herumtölple, tut der Wanderfreude keinen Abbruch.
Ich starte nicht allzu früh beim alten Schulhaus in Schwenden. Zunächst einige Meter auf der Strasse zurück. Nun nicht - wie ich - die beschilderte Bikeroute nehmen, sondern schön brav noch etwas weiter zurückmarschieren bis zum Wanderwegweiser. Ins beschauliche, recht einsame Gurbstal hinein und über eine Geländestufe zur obersten Alp. Hier gibts Alp- und Ziegenkäse zu kaufen. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen, gilt es doch, das Frühstück nachzuholen.
"Mier hii dr Geiss-Chääs am liebste schön cremig", sagt der Älpler und serviert eine Kostprobe, die mir wahrlich auf der Zunge zergeht. Mmmh! Frühstück gelungen, und wie! Als ich ihm von meiner geplanten Route über den Männliflue-Nordgrat erzähle, quasi "uber allä Grat", wie man hier oben zu sagen pflegt, verweist er auf die Wintervariante durch die Flanke, die er jedes Jahr einmal begeht. Den direkten Gratanstieg habe er selber noch nie gemacht, und zugegebenermassen sieht das Ding von hier aus haarig aus.
Aber ob ich nicht gleich zum Mittagessen bleiben wolle? Nur zu gerne sagt mein Bauch, besser weitergehen meint der Kopf. Da letzterer für die Tourenplanung zuständig ist, gebe ich ihm Vorrang, bedanke mich für die Gastfreundschaft und nehme den Weg zum Gurbsgrat unter die Füsse. Den folgenden Abschnitt zum Cheibehore kannte ich noch nicht, deshalb diese Schlaufe. Der Bütschisattel liesse sich natürlich auch direkt von der Alp her erreichen. Allein die Begehung der "silbernen Fluh", eine Felsformation aus eigenartig glatt geschichteten, leicht geneigten Platten, ist aber diesen Umweg wert. Die im SAC-Führer beschriebene "Stelle mit abdrängendem, heiklem Abstieg" suche ich vergebens; das Cheibehore lässt sich zwar nicht cheibe leicht, wenngleich ohne grössere Probleme ersteigen.
Vom Gipfel blicke ich ehrfürchtig auf den direkten Nordanstieg zur Männliflue. Wie man hier genau raufkommen soll ist mir ein Rätsel. Eine halbwegs vernünftige Linie lässt sich zwar ausmachen - sie deckt sich sogar mit dem Beschrieb im Führer - jedoch sieht das Gelände arg steil und fürchterlich abweisend aus. Die Erfahrung lehrt, dass man solche Sachen aus der Nähe betrachten muss. Zudem besinne ich mich auf den Eintrag von Zaza, der diese Route ohne nennenswerte Probleme gemeistert hat.
Also runter zum Bütschisattel und erstmal eine Kostprobe nehmen. Aus dieser Warte siehts nämlich schon ganz anders aus. Den ersten Gendarm leicht nach links ausweichend bezwingen. Noch bevor sich einem eine Wand in den Weg stellt, folgt ein schmaler Gratabschnitt, der luftig überklettert werden könnte. Ich entscheide mich aber für eine Umgehung rechter Hand in etwas abschüssigem, plattigem Gelände. Im Schatten der erwähnten Wand wieder links hoch auf den Grat und etwas in die Flanke hinein. Bald wieder rechts haltend eine kleine Rinne überqueren (diese ist auch aus Distanz erkennbar) und auf die stumpfe Gratkante. Der Rest zieht sich etwas hin, ist dafür schnell erzählt: gerade hoch über Geröll zum P. 2591m und dem erquickenden Grat entlang zum Gipfel der Männliflue. Ich befinde mich mitten in Quellgewölk, die Aussicht deshalb eher grauer Natur. Rückblickend bietet der Nordgrat trotz seines abweisenden Aussehens keine besonderen Hindernisse - ich bin einmal mehr erstaunt, wie stark die Berge ihr Gesicht ändern können, ist man erst mal nahe genug dran.
Nach einer ausgiebigen Rast gehts weiter über den Verbindungsgrat zum Winterhore. Das Abklettern über die im Führer erwähnte Platte ist gut machbar, hätte mir aber keine rühmlichen Stilnoten eingebracht. In lausbübischer Vorfreude erwarte ich die Altschneefelder unterhalb des Winterhore. Das Vorhaben auf dem Schnee runterzugleiten breche ich jedoch ab, als an einer Stelle mein Bein bis zur Hüfte einsackt. Zudem liesse dichter Nebel die Rutschpartie zu einer Fahrt ins Ungewisse verkommen.
Im Ladholzsattel angekommen sinkt meine Motivation, das gleichnamige Hore im Nebelgrau zu ersteigen. Dennoch taste ich mich einige Stufen den Grat empor, um jedoch beim Anblick einer ausgesetzten, nicht über alle Zweifel erhabenen Felsrolle zum Rückzug zu blasen. In Anbetracht der bereits zurückgelegten Strecke fehlt mir nun die nötige Konzentration für solch pikante Gratabschnitte. Zurück im Sattel lichtet sich der Nebel und gibt den Blick aufs Ladholzhore frei. Über die Geröllflanke rechts des Grats lässt sich der Gipfel zwar etwas mühsam, aber ohne Schwierigkeiten erreichen.
Als Zückerchen bleibt nun noch der Abstieg über den Südostgrat. Im SAC-Führer als "EB" taxiert sollte auch dies keine Probleme bereiten. Doch wehe dem, der sich zu früh freut! Unterhalb P. 2228m wird der ansonsten gleichmässige Gratverlauf durch zwei brüchige, um nicht zu sagen unbezwingbare Felsabsätze unterbrochen. Sie müssen in hochstufigem, heiklem Grasgelände nördlich umgangen werden. Für mich an T6 grenzend, und ich bezweifle, ob der Autor diese Route jemals begangen hat, zumal es unmöglich ist, gemäss Beschrieb den Grat zu verfolgen… Wie auch immer: unterhalb dieser Felsstufen wird das Gelände wieder zahmer. Man darf sich einzig noch über nicht mehr existierende, auf Swisstopo-Karten aber frisch-fröhlich eingezeichnete Pfade (Gebiet Ladholz-Ufem Port) enervieren. Immerhin findet der Rest der Wanderung nun unterhalb der Quellwolkenbasis statt, sodass man zur Abwechslung auch wieder mal was sieht. Da ich durch die oben genannten Unannehmlichkeiten etwas Zeit verloren habe, peile ich den späteren Bus an und wandere auf kleinem, aber feinem Umweg via Sackgrabe zur Talstrasse hinunter.
Eine ausgedehnte Tour, die vornehmlich auf wilden Graten verläuft, geht zu Ende. Der Übergang vom Diemtigtal ins Frutigtal liesse sich natürlich deutlich einfacher bewerkstelligen. Aber warum einfach, wenn die knifflige Variante umso genüsslicher ausfällt…?
Ich starte nicht allzu früh beim alten Schulhaus in Schwenden. Zunächst einige Meter auf der Strasse zurück. Nun nicht - wie ich - die beschilderte Bikeroute nehmen, sondern schön brav noch etwas weiter zurückmarschieren bis zum Wanderwegweiser. Ins beschauliche, recht einsame Gurbstal hinein und über eine Geländestufe zur obersten Alp. Hier gibts Alp- und Ziegenkäse zu kaufen. Diese Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen, gilt es doch, das Frühstück nachzuholen.
"Mier hii dr Geiss-Chääs am liebste schön cremig", sagt der Älpler und serviert eine Kostprobe, die mir wahrlich auf der Zunge zergeht. Mmmh! Frühstück gelungen, und wie! Als ich ihm von meiner geplanten Route über den Männliflue-Nordgrat erzähle, quasi "uber allä Grat", wie man hier oben zu sagen pflegt, verweist er auf die Wintervariante durch die Flanke, die er jedes Jahr einmal begeht. Den direkten Gratanstieg habe er selber noch nie gemacht, und zugegebenermassen sieht das Ding von hier aus haarig aus.
Aber ob ich nicht gleich zum Mittagessen bleiben wolle? Nur zu gerne sagt mein Bauch, besser weitergehen meint der Kopf. Da letzterer für die Tourenplanung zuständig ist, gebe ich ihm Vorrang, bedanke mich für die Gastfreundschaft und nehme den Weg zum Gurbsgrat unter die Füsse. Den folgenden Abschnitt zum Cheibehore kannte ich noch nicht, deshalb diese Schlaufe. Der Bütschisattel liesse sich natürlich auch direkt von der Alp her erreichen. Allein die Begehung der "silbernen Fluh", eine Felsformation aus eigenartig glatt geschichteten, leicht geneigten Platten, ist aber diesen Umweg wert. Die im SAC-Führer beschriebene "Stelle mit abdrängendem, heiklem Abstieg" suche ich vergebens; das Cheibehore lässt sich zwar nicht cheibe leicht, wenngleich ohne grössere Probleme ersteigen.
Vom Gipfel blicke ich ehrfürchtig auf den direkten Nordanstieg zur Männliflue. Wie man hier genau raufkommen soll ist mir ein Rätsel. Eine halbwegs vernünftige Linie lässt sich zwar ausmachen - sie deckt sich sogar mit dem Beschrieb im Führer - jedoch sieht das Gelände arg steil und fürchterlich abweisend aus. Die Erfahrung lehrt, dass man solche Sachen aus der Nähe betrachten muss. Zudem besinne ich mich auf den Eintrag von Zaza, der diese Route ohne nennenswerte Probleme gemeistert hat.
Also runter zum Bütschisattel und erstmal eine Kostprobe nehmen. Aus dieser Warte siehts nämlich schon ganz anders aus. Den ersten Gendarm leicht nach links ausweichend bezwingen. Noch bevor sich einem eine Wand in den Weg stellt, folgt ein schmaler Gratabschnitt, der luftig überklettert werden könnte. Ich entscheide mich aber für eine Umgehung rechter Hand in etwas abschüssigem, plattigem Gelände. Im Schatten der erwähnten Wand wieder links hoch auf den Grat und etwas in die Flanke hinein. Bald wieder rechts haltend eine kleine Rinne überqueren (diese ist auch aus Distanz erkennbar) und auf die stumpfe Gratkante. Der Rest zieht sich etwas hin, ist dafür schnell erzählt: gerade hoch über Geröll zum P. 2591m und dem erquickenden Grat entlang zum Gipfel der Männliflue. Ich befinde mich mitten in Quellgewölk, die Aussicht deshalb eher grauer Natur. Rückblickend bietet der Nordgrat trotz seines abweisenden Aussehens keine besonderen Hindernisse - ich bin einmal mehr erstaunt, wie stark die Berge ihr Gesicht ändern können, ist man erst mal nahe genug dran.
Nach einer ausgiebigen Rast gehts weiter über den Verbindungsgrat zum Winterhore. Das Abklettern über die im Führer erwähnte Platte ist gut machbar, hätte mir aber keine rühmlichen Stilnoten eingebracht. In lausbübischer Vorfreude erwarte ich die Altschneefelder unterhalb des Winterhore. Das Vorhaben auf dem Schnee runterzugleiten breche ich jedoch ab, als an einer Stelle mein Bein bis zur Hüfte einsackt. Zudem liesse dichter Nebel die Rutschpartie zu einer Fahrt ins Ungewisse verkommen.
Im Ladholzsattel angekommen sinkt meine Motivation, das gleichnamige Hore im Nebelgrau zu ersteigen. Dennoch taste ich mich einige Stufen den Grat empor, um jedoch beim Anblick einer ausgesetzten, nicht über alle Zweifel erhabenen Felsrolle zum Rückzug zu blasen. In Anbetracht der bereits zurückgelegten Strecke fehlt mir nun die nötige Konzentration für solch pikante Gratabschnitte. Zurück im Sattel lichtet sich der Nebel und gibt den Blick aufs Ladholzhore frei. Über die Geröllflanke rechts des Grats lässt sich der Gipfel zwar etwas mühsam, aber ohne Schwierigkeiten erreichen.
Als Zückerchen bleibt nun noch der Abstieg über den Südostgrat. Im SAC-Führer als "EB" taxiert sollte auch dies keine Probleme bereiten. Doch wehe dem, der sich zu früh freut! Unterhalb P. 2228m wird der ansonsten gleichmässige Gratverlauf durch zwei brüchige, um nicht zu sagen unbezwingbare Felsabsätze unterbrochen. Sie müssen in hochstufigem, heiklem Grasgelände nördlich umgangen werden. Für mich an T6 grenzend, und ich bezweifle, ob der Autor diese Route jemals begangen hat, zumal es unmöglich ist, gemäss Beschrieb den Grat zu verfolgen… Wie auch immer: unterhalb dieser Felsstufen wird das Gelände wieder zahmer. Man darf sich einzig noch über nicht mehr existierende, auf Swisstopo-Karten aber frisch-fröhlich eingezeichnete Pfade (Gebiet Ladholz-Ufem Port) enervieren. Immerhin findet der Rest der Wanderung nun unterhalb der Quellwolkenbasis statt, sodass man zur Abwechslung auch wieder mal was sieht. Da ich durch die oben genannten Unannehmlichkeiten etwas Zeit verloren habe, peile ich den späteren Bus an und wandere auf kleinem, aber feinem Umweg via Sackgrabe zur Talstrasse hinunter.
Eine ausgedehnte Tour, die vornehmlich auf wilden Graten verläuft, geht zu Ende. Der Übergang vom Diemtigtal ins Frutigtal liesse sich natürlich deutlich einfacher bewerkstelligen. Aber warum einfach, wenn die knifflige Variante umso genüsslicher ausfällt…?
Tourengänger:
Maisander

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